Bahnbetriebswerk

Bahnbetriebswerk
Bahnbetriebswerk Eisenach 2003

Als Bahnbetriebswerk, auch kurz Betriebswerk (Abk.: Bw) wird bei den deutschen Eisenbahnen eine Anlage bezeichnet, welche der Wartung, kleineren Reparaturen, der Ergänzung von Betriebsstoffen und der Reinigung von Lokomotiven und Triebwagen dient. Zudem wird der Einsatz der Triebfahrzeuge und des Lokomotivpersonals organisiert. Bei der Deutschen Bahn werden heute Bahnbetriebswerke als Betriebshöfe, bei der ÖBB jedoch als Zugförderungsstellen (Zf) bezeichnet. In vielen anderen Ländern wird oft einfach der Begriff Depot verwandt. Den Bahnbetriebswerken wurden organisatorisch und betrieblich die kleineren Lokstationen (auch Einsatzstellen bzw. Lokbahnhöfe) angegliedert.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ringlokschuppen

Anfänge

Am 7. Januar 1835 wurde das erste Bahnbetriebswerk in Deutschland eröffnet. Es versorgte die Lokomotiven der ersten Eisenbahnstrecke Deutschlands, der Ludwigsbahn Nürnberg–Fürth. Dort wurde auch die erste Lokomotive in Deutschland, der Adler, zusammengebaut und gewartet. Als Erfinder oder Vater der Bahnbetriebswerke gilt John Stanley Blenkinsop, der Sohn des Eisenbahnpioniers John Blenkinsop. Dieser Mann erkannte als erster, dass man für einen reibungslosen Betrieb gut ausgestattete Werkstätten und geeignetes Personal brauchte. Deshalb übertrug ihm die Braunschweigerische Staatsbahn die technische Leitung der Eisenbahngesellschaft. Daraufhin wurde das erste „Bahnbetriebswerk“ errichtet, das nicht nur die „normalen“ Aufgaben eines Bahnbetriebswerks erfüllte – es wurden beispielsweise auch Lokomotiven gebaut. Im Jahre 1845 wurde John Blekinsop klar, dass es wesentlich kostengünstiger war, Lokomotiven in regelmäßigen Abständen zu warten als erst bei einem technischen Gebrechen etwas zu reparieren. Somit wurde der Grundstein für die späteren Routine-Aufgaben eines Bahnbetriebswerkes gelegt. Bis sich eine Trennung von Bahnbetriebswerken und Ausbesserungswerken ergab, dauerte es noch einige Jahre. Nach und nach gliederten alle anderen deutschen Bahngesellschaften ihren fahrzeugtechnischen Bereich nach dem Vorbild der Ludwigschen Eisenbahn und der Braunschweigerischen Staatsbahn.

Da der Aktionsradius der ersten Dampflokomotiven nur bis zu 80 Kilometern betrug, wurden bei allen größeren Bahnhöfen Anlagen zur Wartung von Dampfloks errichtet, vor allem die Kohle- und Wasservorräte mussten wieder aufgefüllt werden. Bei Abzweigbahnhöfen entstanden ebenfalls solche Anlagen, dies gibt Aufschluss, warum es so derartig viele Lokschuppen gab.

Länderbahnzeit

Seit den 1860er Jahren trennten alle Bahngesellschaften die Bereiche Betriebsdienst (Einsatz der Loks) und Fahrzeugunterhaltung. Außerdem entstanden mit der Zeit die ersten Ausbesserungswerke, zur damaligen Zeit Hauptwerkstätten genannt. Mit der Gründung des Deutschen Reiches wurde das oben erwähnte System von allen übernommen, außerdem wurden viele Privatbahnen verstaatlicht, wodurch sich dieses System endgültig durchsetzte.

Deutsche Reichsbahn 1920–1945

Mit der Übernahme der deutschen Länderbahnen durch den Staatsvertrag vom 30. April 1920 wurde die Organisation des Betriebsmaschinendienstes in ganz Deutschland vereinheitlicht. Die Deutsche Reichsbahn (DR) bildete ebenfalls verschiedene Reichsbahndirektionen und Maschinenämter. Am 1. August 1935 gab es 27 Reichsbahndirektionen und 132 Maschinenämter.

Die in den 1920er Jahren neu eingeführte Organisationsregelung bewährte sich zwar, dennoch schwankte die Zahl der Bahnbetriebswerke erheblich. Die DR wandelte große Lokbahnhöfe in eigene Bahnbetriebswerke um. Mit der Gründung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft änderte sich das aber schlagartig. Ein Fünftel der Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs sollte die DRG erwirtschaften. Um dies bewerkstelligen zu können, mussten Rationalisierungsmaßnahmen ergriffen werden, vor allem wurden in fast allen Bereichen Einsparungen durchgeführt. Außerdem musste auch die Verwaltung gestrafft werden, was zur darauf folgenden Schließung aller kleineren Bahnbetriebswerke führte. Gleichzeitig schuf man sogenannte Großbahnbetriebswerke. Mittlere und kleine Dienststellen wurden oft in diese Betriebswerke eingegliedert. So entstanden riesige Bahnbetriebswerke, die eine Vielzahl an Wartungsanlagen besaßen. Beispiele dafür sind das Bahnbetriebswerk Dresden-Friedrichstadt sowie die Werke in Hamburg-Altona, Hamm und Osnabrück. Diese waren oft für die Wartung von über 150 Loks zuständig.

Deutsche Bundesbahn 1949–1993

Die Deutsche Bundesbahn begann ab 1950 kleine Bahnbetriebswerke in Außenstellen umzuwandeln. Diese Entwicklung wurde durch den Traktionswechsel beschleunigt, denn man brauchte für Diesel- und Elektroloks wesentlich weniger Personal. Auch der Rückgang der Güter- und Personentransporte erübrigte einiges an Bahnbetriebswerk-Kapazität. Von 1956 bis 1969 löste die Deutsche Bundesbahn insgesamt 77 Bahnbetriebswerke auf. Das Ende der Dampflokzeit bei der DB führte zu weiteren Schließungen.

Deutsche Reichsbahn 1949–1993

Einen umgekehrten Weg ging zunächst die Deutsche Reichsbahn in der DDR. Viele kleinere Lokbahnhöfe wurden zunächst zu Bahnbetriebswerken erhoben, um vor allem eine bessere Instandsetzung der Lokomotiven vor Ort sicherzustellen. Erst mit dem beginnenden Traktionswandel ab Mitte der 1960er Jahre begann eine ähnliche Entwicklung wie bei der DB. Kleinere Bahnbetriebswerke wurden nun aufgelöst, sie blieben aber meist als Lok-Einsatzstellen weiter in Betrieb. Für die Diesel- und Elektrolokwartung wurden meist die bestehenden Anlagen angepasst, ein Neubau moderner Wartungshallen wurde nur in wenigen Fällen realisiert.

Deutsche Bahn AG ab 1994

Mit der Bahnreform und der Gründung der Deutschen Bahn wurden die hundert Jahre alten Betriebskonzepte völlig neu strukturiert – die Einheit von Betriebsdienst und Unterhaltung wurde aufgegeben. Diese beiden Aufgaben wurden von den Geschäftsbereichen Traktion und Werke übernommen. Die Betriebswerke wurden in Betriebshöfe umbenannt, diese unterstehen seit jeher einem eigenen Leiter. Mit dieser Neustrukturierung wurden die Werke nur noch zu Anbietern von Instandhaltungsaufgaben, die vom Geschäftsbereich Traktion erteilt wurden. Mit dieser vollkommenen Neuordnung setzte ebenfalls eine Rationalisierungswelle bei der Deutschen Bahn ein, die zur Schließung von Werken und Betriebshöfen führte. Im Gebiet der ehemaligen Deutschen Reichsbahn wurden sogar Groß-Bahnbetriebswerke geschlossen.[1] Für den Einsatz neuer Triebfahrzeuge, beispielsweise des ICE, müssen Betriebshöfe immer wieder aufwändig umgebaut werden, um die neuen Fahrzeuge warten zu können.

Aufgaben

Bahnbetriebswerke sind für die Wartung und das Ausführen kleinerer Reparaturen an den im Betrieb verwendeten Lokomotiven zuständig. Zudem wird im Bahnbetriebswerk der Personaleinsatz im Fahrdienst geplant und disponiert. In einem bestimmten Rhythmus (meist 1-2× in der Woche) wird eine Besichtigung und Funktionsprüfung aller Bauteile der Lokomotive durch den Nachschauschlosser ausgeführt. Größere Bahnbetriebswerke mit entsprechender technischer Ausrüstung führen auch größere Reparaturen wie das Tauschen von Motoren oder die Umrissbearbeitung der Radsätze mittels Unterflurradsatzdrehbank selbst aus.

Dampflokzeit

Bahnbetriebswerk Ottbergen: Zwei Dampflokomotiven auf einem Lokbehandlungsgleis. links am Bildrand ist der Kohlekran zu erkennen. Im Hintergrund links die Besandungsanlage

Am umfangreichsten waren einst die Arbeiten, die an einer Dampflokomotive zur Wartung auszuführen waren. Neben dem Auffüllen der Betriebsvorräte an Wasser, Kohle und Bremssand wurde an den Dampflokomotiven täglich die Schlacke vom Rost entfernt und die Rauchkammer gereinigt. Auch das Abölen aller Lagerstellen gehörte zum täglichen Arbeitsumfang an einer Dampflokomotive. Wichtig war auch das Drehen von Schlepptenderlokomotiven entsprechend der vorgesehenen Fahrtrichtung. In einem bestimmten Rhythmus gehörte auch das Auswaschen des Kessels zu den wichtigen Wartungsarbeiten im Bw.

Diesel- und E-Lokomotiven

Mit der Umstellung der Zugförderung von Dampf- auf Diesel- und Elektrolokomotiven war eine umfassende Umprofilierung der Bahnbetriebswerke nötig. Anlagen, die nur für die Wartung der Dampfloks benötigt wurden, hatten keine Bedeutung mehr. Während für den Elektrolokeinsatz über den Bau von Oberleitungen hinaus kaum besondere Einrichtungen in einem Bw vonnöten sind, war für die Beheimatung von Diesellokomotiven der Bau von Betankungseinrichtungen als wichtigste Maßnahme nötig.

Vergleichsweise gering ist der Arbeitsumfang bei der Wartung von Elektrolokomotiven. Er beschränkt sich im Wesentlichen auf das Ergänzen der Bremssandvorräte, das Abölen der wenigen Schmierstellen und eine Funktionsprobe – insbesondere von Zugsicherungseinrichtungen.

Die gleichen Arbeiten müssen ebenso auch an den Diesellokomotiven ausgeführt werden. Zusätzlich kommt in regelmäßigen Abständen das Ausführen der Wartungen an Motor und Getriebe hinzu, wie das Wechseln der Ölfüllungen und diverser Filter. Heutige Bws müssen darum auch über entsprechende Einrichtungen für den Ölwechsel verfügen.

Gegenwart

Moderne Diesel- und Elektrolokomotiven benötigen durch den Einsatz vieler wartungsarmer und verschleißfreier Bauteile heute nur noch sehr wenig Wartung. Aus diesem Grunde gibt es heute im Gegensatz zur Dampflokzeit nur noch wenige Bahnbetriebswerke, in denen zum Teil die Wartung und Instandsetzung einer ganzen Baureihe konzentriert ist.

Bei der Deutschen Bahn sind die heute Betriebshöfe genannten Bahnbetriebswerke zunehmend selbstständig und auf mehrere Geschäftsbereiche der DB AG aufgeteilt. Bei den ÖBB ist der Geschäftsbereich „Technische Services“ dafür zuständig. In den meisten Betriebshöfen werden auch Leistungen für andere Unternehmen durchgeführt, beispielsweise die Wartung der Fahrzeuge von Privatbahnen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Bau eines eigenen Betriebshofes für private Eisenbahnunternehmen oft nicht erschwinglich ist – deshalb werden die Wartungsaufgaben oft an Betriebshöfe von Staatsbahnen abgegeben.

Die Betriebshöfe sind abgegrenzte Bereiche, die für die Öffentlichkeit üblicherweise nicht zugänglich sind. Die Arbeit erfolgt nicht nur tagsüber, sondern vorwiegend in der Nacht, wenn zahlreiche Loks nicht für die Traktion benötigt werden. ICEs oder andere Triebwagen sind ebenfalls in den Betriebshöfen abgestellt, dieses Gebiet ist nicht zugänglich, weshalb es bei den Triebfahrzeugen kein Graffiti-Problem gibt, wie es bei ungeschützt abgestellten Güterwaggons oft der Fall ist.

Stillgelegtes Bw in Gelsenkirchen-Bismarck

Bei Betriebshöfen, die noch Gebäude aus der Dampflokzeit besitzen, gibt es öfter Erweiterungsprobleme. Gebäude, die unter dem Industriedenkmalschutz stehen, dürfen nicht abgerissen werden. Ansonsten sind Betriebshöfe grundsätzlich so angelegt, dass eine Erweiterung nach allen Seiten möglich ist. Bereits bei der Planung muss bedacht werden, dass genug zusätzlicher Grund zur Verfügung steht, der im Falle von Erweiterungsplänen problemlos angekauft werden kann.

Ehemalige Betriebswerke werden oftmals nie wieder genutzt und verwildern komplett. Oft werden die Gleisanlagen völlig abgebaut, lediglich die denkmalgeschützten Gebäude bleiben weiterhin vorhanden. Es gibt allerdings in Deutschland ein Projekt, ein ehemaliges Bahnbetriebswerk in die größte Eisenbahnerlebniswelt des Landes umzuwandeln. Dabei sollen die bereits baufälligen Gebäude wieder originalgetreu restauriert werden.[2]

Sondereinsatzzüge

Neben der Wartung aller Lokomotiven sind einige Bahnbetriebswerke auch für die Unterhaltung von Sondereinsatzzügen zuständig, daran hat auch der Traktionswechsel nichts geändert. Die wichtigsten Einheiten sind Hilfszüge (zum Wiedereingleisen von entgleistem Rollmaterial) und Schneeräumfahrzeuge. Bis in die 1980er Jahre gab es auch Feuerlöschzüge, deren Aufgaben allerdings inzwischen von Bahnfeuerwehren übernommen wurden. Für den reibungslosen Ablauf in einem Bahnbetriebswerk werden Schlepp- bzw. Rangierfahrzeuge benötigt, die Waggons und nicht fahrfähige Triebfahrzeuge bewegen. Bis vor 20 Jahren gab es auch noch weitere Sonderfahrzeuge, wie zum Beispiel Altölzüge, die allerdings inzwischen alle ausgemustert wurden. [3]

Literatur

  • Jan Reiners: „So funktioniert das Bahnbetriebswerk“, transpress Verlag, ISBN 3-613-71279-2
  • Walter Weikelt/Manfred Teufel: „Die Technologie der Ausbesserung der Dampflokomotiven“, transpress Verlag, ISBN 3-613-71256-3
  • Markus Tiedtke: „Bahnbetriebswerke Teil 1, Bekohlung und Besandung“, EK-Special 19, EK-Verlag GmbH, Freiburg
  • Markus Tiedtke: „Bahnbetriebswerke Teil 2, Wasser marsch“, EK-Special 24, EK-Verlag GmbH, Freiburg
  • Markus Tiedtke: „Bahnbetriebswerke Teil 3, Drehscheiben und Lokschuppen“, EK-Special 34, EK-Verlag GmbH, Freiburg
  • Volker Großkopf/Dirk Rohde/Markus Tiedtke: „Bahnbetriebswerke Teil 1, Kleine Lokstationen“, Eisenbahn-Journal Anlagenplanung 2/2001, Verlagsgruppe-Bahn GmbH, Fürstenfeldbruck 2001, ISBN 3-89610-073-4
  • Volker Großkopf/Dirk Rohde/Markus Tiedtke: „Bahnbetriebswerke Teil 2, Mittelgroße Lokstationen“, Eisenbahn-Journal Anlagenplanung 4/2002, Verlagsgruppe-Bahn GmbH, Fürstenfeldbruck 2002, ISBN 3-89610-102-1
  • Dirk Rohde/Markus Tiedtke: „Bahnbetriebswerke Teil 3, Große Lokstationen“, Eisenbahn-Journal Anlagenplanung 4/2003, Verlagsgruppe-Bahn GmbH, Fürstenfeldbruck 2003, ISBN 3-89610-116-1
  • Dirk Rohde/Markus Tiedtke: „Bahnbetriebswerke Teil 4, Groß-Bw“, Eisenbahn-Journal Anlagenplanung 4/2004, Verlagsgruppe-Bahn GmbH, Fürstenfeldbruck 2004, ISBN 3-89610-129-3

Quellen

  1. Buch:So funktioniert das Bahnbetriebswerk, Seite 10 bis 29
  2. Magazin:Der Modelleisenbahner
  3. Buch:„So funktioniert das Bahnbetriebswerk“, Seite 126 bis 139

Siehe auch

Weblinks


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