Solidarnosch

Solidarnosch

Solidarność [sɔliˈdarnɔɕtɕ]  Aussprache?/i (deutsch: Solidarität) ist der Name einer polnischen Gewerkschaft, die 1980 aus einer Streikbewegung heraus entstand und an der politischen Wende 1989 entscheidend mitwirkte.

Offizieller Name: NSZZ „Solidarność“ (poln.: Niezależny Samorządny Związek Zawodowy „Solidarność”; dt.: Unabhängige Selbstverwaltete Gewerkschaft „Solidarität“)

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Neptunbrunnen Danzig – 25 Jahre Solidarność

Inhaltsverzeichnis

Anfänge

Die Gewerkschaft Solidarność entstand aus einer Streikbewegung von Arbeitern im Sommer 1980. Von Anfang an wurde die Arbeiterbewegung von regimekritischen Intellektuellen (u. a. Tadeusz Mazowiecki, Jacek Kuroń, Adam Michnik, Józef Tischner) und weiten Teilen der katholischen Kirche unterstützt. Damit gelang eine Solidarität über Gesellschaftsgrenzen hinweg, die sich dann in einer Volksbewegung gegen das herrschende Regime wandte. Vor allem aus dem westlichen Ausland (USA und Westdeutschland) gab es große Unterstützung.

Der Auslöser der großen Streikwelle 1980 waren Preiserhöhungen für Fleisch am 1. Juli 1980. Die Streiks waren zunächst lokal begrenzt, griffen dann aber auf das gesamte Land über. In Danzig (Gdańsk) kam es auf der Leninwerft am 14. August 1980 zum Streik, dessen direkter Anlass die Entlassung der Kranführerin Anna Walentynowicz, einer bekannten Symbolfigur der Streikbewegung des Jahres 1970 an der Küste, war. Es wurde ein betriebliches Streikkomitee unter der Führung von Lech Wałęsa gegründet. Nach Zugeständnissen der Betriebsleitung sollte der Streik zunächst bereits nach zwei Tagen beendet werden. In der Nacht auf den 16. August wurde beschlossen den Streik aufrechtzuerhalten, um die Entwicklung von vielen vorangegangen Streikbewegungen nicht zu wiederholen und bleibende Ergebnisse zu erreichen. In dieser Folge wurde dann am 17. August 1980 das „Überbetriebliche Streikkomitee“ (Międzyzakładowy Komitet Strajkowy) gegründet, das mit dem Auftrag, sich auch nach Beendigung des Streiks nicht aufzulösen, sondern die Einhaltungen des Erreichten zu überwachen, die sogenannten 21 Forderungen erarbeitete. Diese 21 Forderungen enthielten neben weiteren meist politischen und sozialen Anliegen auch die zentrale Forderung nach der Zulassung von unabhängigen Gewerkschaften. Im Danziger Abkommen vom 31. August 1980 wurde dem von Regierungsseite nach langen Verhandlungen stattgegeben, in der folgenden Zeit formierte sich die 'Unabhängige Selbstverwaltete Gewerkschaft „Solidarität“'.

Die Streiks im sogenannten polnischen August hoben sich deutlich von Streiks in der vorherigen Geschichte der Volksrepublik Polen ab. So wurde zum einen der Streik auf der Leninwerft als Okkupationsstreik organisiert und vom Streikkomitee genauestens geregelt. So sollte der Staatsmacht keine Gelegenheit zu einem gewaltsamen Einschreiten gegen die Streikenden geboten werden. Ebenso erklärten sich landesweit alle anderen streikenden Betriebe mit dem Überbetrieblichen Streikkomitee an der Küste solidarisch. Besonders durch die Einbeziehung von Intellektuellen in die Arbeit der Streikkomitees konnten der Staatsmacht weitgreifendere Zugeständnisse als zuvor abgetrotzt werden. Diese Kooperation hatte sich seit 1976 durch die Gründung des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) angebahnt, aber auch weitere Intellektuelle unterstützen die Gewerkschaftsbewegung.

Lech Wałęsa war seit der offiziellen Gründung am 17. September 1980 Vorsitzender von Solidarność. Die staatliche Anerkennung wurde am 10. November 1980 durch die offizielle staatliche Registrierung von Solidarność besiegelt. Im Verlauf ihres Bestehen wurde die Gewerkschaft immer weiter politisiert. Die Solidarność wuchs immer weiter (zum Höchststand ca. 9,5 Mio. Mitglieder), auch viele Mitglieder der Kommunistischen Partei PVAP wurden Mitglieder der freien Gewerkschaft. Letztlich waren bis zu 1 Million Parteimitglieder (ca. 30% der Mitglieder der PVAP) gleichzeitig Mitglieder der Solidarność. Obwohl die meisten von ihnen eher aus niederen Parteirängen kamen, waren nach dem IX. Parteitag der PVAP im Juli 1981 auch 20% der Mitglieder des Zentralkomitees gleichzeitig Gewerkschaftsmitglieder.

Der 1. Landeskongress der Solidaność fand in zwei Sitzungsperioden im September und Oktober 1981 statt und wählte Wałęsa zum Vorsitzenden und verabschiedete nach schwierigen Diskussionen ein Programm. Gegen Ende des Jahres 1981 bildeten sich in der Solidarność immer deutlicher zwei gegensätzliche Flügel heraus. Der pragmatische Flügel unter Führung von Lech Wałęsa wurde von verschiedenen Intellektuellen unterstützt und war an einer gemäßigten Konfrontation mit den kommunistischen Machthabern interessiert. Dagegen wollte der radikalere national-konservative Flügel um Jan Rulewski und Andrzej Gwiazda eine offenere Konfrontation mit den Kommunisten.

Kriegszustand

Mit der Ausrufung des Kriegszustands in Polen in der Nacht zum 13. Dezember 1981 wurden die führenden Köpfe der Gewerkschaft interniert und die Arbeit der Gewerkschaft selbst verboten. Somit konnte sie nur noch im Untergrund weiter existieren. Am 8. Oktober 1982 wurde die Solidarność durch ein neues Gewerkschaftsgesetz endgültig verboten. Im Ausland bildeten sich derweil aber Exilgruppen der Solidarność, die durch die Gründung von Büros gewerkschaftlich-politisch aktiv waren. Die beiden bedeutendsten Büros waren das Brüsseler Büro und das Bremer Koordinationsbüro der polnischen Gewerkschaft NSZZ Solidarność. Letzteres führte eine Koordinierungsfunktion in Deutschland aus.

Solidarność während der Wende

Ab August 1988 kam es zu Gesprächen zwischen der kommunistischen Führung und der noch verbotenen Untergrunds-Solidarność, die dann in die Gespräche am Runden Tisch führten, die vom 6. Februar bis zum 5. April 1989 in Magdalenka bei Warschau stattfanden. Erst am 5. April 1989 wurde die Solidarność wieder staatlich anerkannt. Als Ergebnis des Runden Tisches kam es am 4. Juni 1989 zu halbfreien Wahlen, die von Solidarność überwältigend gewonnen wurden. Dennoch war die Sitzverteilung im Sejm schon am Runden Tisch ausgehandelt worden (65% der Sitze für die PZPR sowie weitere kommunistische Blockparteien und Organisationen und 35% für freie, also oppositionelle Kandidaten). Unter dem Slogan „Euer Präsident, unser Premier“ („Wasz prezydent, nasz premier“) forderte das oppositionelle Bürgerkomitee, die politische Vertretung der Solidarność, nun eine Beteiligung an der Regierung. Mit Tadeusz Mazowiecki stellte Solidarność den ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg, Schlüsselministerien (Inneres und Verteidigung) blieben jedoch in den Händen der PVAP. Im Dezember 1990 wurde Lech Wałęsa zum Staatspräsidenten gewählt. Durch das Aufkommen dieser Arbeiterbewegung, sowie Glasnost und Perestroika, kam es zur Wende in Polen und der politischen Lösung aus dem von der Sowjetunion dominierten Ostblock.

Die Frühphase der sogenannten III. Republik ist von der Politik der gruba kreska („Schlussstrich“, wörtl. „dicke Linie“) geprägt, die eine Amnestie für Verbrechen der kommunistischen Staatsführung vorsah. Dies führt bis zum heutigen Tag immer wieder zu Diskussionen in der polnischen Politik.

Solidarność nach der Wende

In den folgenden Jahren verlor Solidarność an politischem Einfluss, da sie für die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Wende verantwortlich gemacht wurde. Durch die Parlamentswahlen 1993 verlor sie die Beteiligung an der Regierung. 1996 formierte sich das Wahlbündnis AWS (Akcja Wyborcza „Solidarność”), das noch einmal von 1997 bis 2000 an einer Koalitionsregierung beteiligt war. Nach der erneuten Wahlniederlage im Jahr 2001 zerfiel AWS.

Solidarność spielt heute keine parteipolitische Rolle mehr. Dennoch besteht sie als starke und unabhängige Gewerkschaft weiter.

Am 30. August 2005 trafen sich Oppositionelle aus zahlreichen Ländern aus Anlass des 25. Jahrestages der Gründung von Solidarność in Danzig.

Der einstige Mitbegründer Lech Wałęsa hat zum 31. August 2005 seinen Austritt aus der Gewerkschaft erklärt.

Bedeutungsverlust von Solidarność in den 1990ern

Wenn der relative Bedeutungsverlust von Solidarność konstatiert wird, dann liegt der Bezugspunkt im Jahr 1980, als sich auf der Danziger Werft die erste unabhängige Gewerkschaft innerhalb des einstigen Ostblocks gründete. Heute sind in Polen nur noch rund 15% der Arbeitnehmer einer Gewerkschaft angeschlossen, das ist einer der geringsten Werte in gesamt Mittel- und Osteuropa. In der Tschechischen Republik sind doppelt so viele, in Rumänien dreimal so viele Arbeitnehmer betrieblich organisiert. Gründe für den gewerkschaftlichen Bedeutungsverlust in Polen liegen in der negativen Bewertung der Regierungsbeteiligung von Solidarność Anfang der 1990er Jahre, in der Zersplitterung der Gewerkschaftsbewegung, in der Privatisierung der Staatsunternehmen und dem Entstehen neuer Lebensstilkonzepte, die eine andere Freizeitgestaltung implizieren.

Vorsitzende der Solidarność

  • Lech Wałęsa – bis 12. Dezember 1990
  • Marian Krzaklewski – vom 23./24. Februar 1991 bis zum 27. September 2002
  • Janusz Śniadek – seit 27. September 2002, Wiederwahl für weitere 4 Jahre am 29. September 2006

Wahlergebnisse in Wahlen zum Sejm

1991 5,1 % als NSZZ „S“ 27 Sitze
1993: 4,9 % als NSZZ „S“  
1997: 33,83 %    als Teil von AWS 202 Sitze
2001: 5,6 % als Teil von AWSP     

Mitgliedsbeitrag

Mitglieder der Solidarnosc müssen 0,82 % von ihrem Bruttolohn Mitgliedsbeitrag zahlen. Bei 3500 PLN Durchschnittslohn sind das etwa 29 PLN bzw. 8 Euro Monatsbeitrag. Von dem Beitrag gehen 60 % an die Betriebskommission und 40 % an die Regional-Ebene. Die Regionen reichen von diesem Teil 12,5 % an die Landeskommission weiter. Bleiben also für die Regionalverwaltung 27,5 %. Von den 12,5 und 27,5 % der Landeskommission und der Regionalverwaltung gehen jeweils 2,5 % an den Streikfonds.

Literatur

  • Rainer Deppe, Melanie Tatur: Rekonstitution und Marginalisierung. Transformationsprozesse und Gewerkschaften in Polen und Ungarn, Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2002, S. 94–253, ISBN 3-593-37009-3
  • Jerzy Holzer: Solidarität. Die Geschichte einer freien Gewerkschaft in Polen, München 1985. ISBN 3-406-30603-9
  • Hartmut Kühn: Das Jahrzehnt der Solidarność. Die politische Geschichte Polens 1980–1990, Berlin 1999. ISBN 3-86163-087-7
  • A. Kemp-Welch: The birth of Solidarity: the Gdańsk negotiations 1980, London 1983.

Weblinks


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