Solov'ev

Solov'ev
Wladimir Sergejewitsch Solowjow

Wladimir Sergejewitsch Solowjow (auch Solowjew, Solov'ev, Ssolovjeff, Solovioff, Solovjew, Ssolowjew, Soloviev, Solowjoff russisch Владимир Сергеевич Соловьёв, wiss. Transliteration Vladimir Sergeevič Solov'ёv; * 16. Januarjul./ 28. Januar 1853greg. in Moskau; † 31. Julijul./ 13. August 1900greg. in Uskoje bei Moskau) war ein russischer Religionsphilosoph und Dichter.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Solowjow, ein Sohn des Historikers Sergei Solowjow, vertrat eine vom europäischen Denken und vom orthodoxen Glauben beeinflusste Philosophie der All-Einheit. Seine Geschichtsphilosophie ist bestimmt vom Gedanken eines theokratischen Staates unter einer wiedervereinigten christlichen Kirche.

Wladimir Solowjows Vater war Professor für russische Geschichte an der Moskauer Universität, sein Großvater orthodoxer Priester. Er wuchs in der Tradition der orthodoxen Frömmigkeit auf, wandelte sich aber in der Zeit am Gymnasium zum Materialisten und Atheisten. Dann beschäftigte er sich mit Philosophie und ganz besonders mit Spinoza, Schopenhauer und Schelling und fand über diesen Weg wieder zum Glauben zurück. Solowjow wurde von da an zum Glaubensverteidiger und wollte den Glauben der Väter rechtfertigen. Er vertrat eine „positive christliche Philosophie“ und entwickelte eine All-Einheit-Philosophie. Die All-Einheit erfasste er im Denken als das Wesen des Alls, auch im individuellen und sozialen Leben. Er gab seinen akademischen Beruf auf und wurde freier Schriftsteller.

Solowjow erkannte im Laufe der Jahre immer mehr, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche durch die enge Bindung an den russischen Staat nicht in der Lage war, ihre prophetische Mission zu erfüllen. Spätestens nach dem Jahr 1881, dem Jahr der Ermordung des Zaren Alexanders II., wandte er sich allmählich der Römisch-Katholischen Kirche zu. In ihr sah Solowjow die moralische Kraft, die die christlichen Prinzipien klarer vertrat als Orthodoxie und Protestantismus. Solowjow ging soweit, dass er den russischen Zaren aufforderte, sich dem Papst zu unterwerfen. Er wollte, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche zu Rom zurückkehrt, allerdings verstand er sich selbst nicht als Konvertit sondern er wollte sich nur „so eng an Rom anschließen, wie sein Gewissen es ihm erlaubte“. Solowjow wollte gleichzeitig Mitglied bei der Russisch-Orthodoxen und bei der Römisch-Katholischen Kirche sein. Einen formellen Übertritt zur Römisch-Katholischen Kirche vollzog er nicht.

In den Folgejahren erkannte er aber, dass dieser Wunsch nicht realisierbar wäre. Seine Ansichten wurden daraufhin immer düsterer. Er sah die Menschheitsgeschichte an einem Scheideweg zwischen Gott und dem Abgrund. Im letzten Jahrzehnt seines Daseins legte er seine konfessionellen Polemiken ab und verzichtete auch auf seine utopischen Ansätze. Er begann mit der Darlegung der theologischen und philosophischen Wahrheit, durch Entfaltung dessen, was das sittlich Gute ist, und durch eine Publizistik, die die Tagesfragen unter das Gericht stellte und die Menschen dazu brachte, sich in Freiheit für Gott und die Wahrheit zu entscheiden.

Solowjow starb im Alter von 47 Jahren. Sein letztes Werk ist gleichzeitig auch das bekannteste: Die Kurze Erzählung vom Antichrist.

Wirkung

In einer 2003 auf dem Kongress „Wladimir Solowjow, Russland und die Universalkirche“ vom ukrainischen Großerzbischof Ljubomyr Husar in Lemberg verlesenen Papstbotschaft bezeichnete Johannes Paul II. Solowjow als einen der größten russischen Philosophen des 19. Jahrhunderts und Pionier und Vorbild für den Dialog der Christen in Ost und West.

Ausgaben

Deutsche Gesamtausgabe

Herausgegeben von Wladimir Szylkarski, Wilhelm Lettenbauer, Ludolf Müller unter Mitwirkung von Nikolai Lossky, Wsewolod Setschkareff, Johannes Strauch und Erwin Wedel. Erich Wewel Verlag, Freiburg und München 1953ff.

  • 1. Band: I. Kritik der abstrakten Prinzipien; II. Vorlesungen über das Gottmenschentum. Hg. von Wilhelm Lettenbauer. München 1978
  • 2. Band: Una Sancta. Schriften zur Vereinigung der Kirchen und zur Grundlegung der universalen Theokratie. Erster Band. Freiburg i. Br. 1957
  • 3. Band: Una Sancta. Schriften zur Vereinigung der Kirchen und zur Grundlegung der universalen Theokratie. Zweiter Band. Freiburg i. Br. 1954
  • 4. Band: Die nationale Frage in Russland Teil I und II; Eine Bemerkung über E. P. Blavackaja; Der Talmud und die neueste polemische Literatur über ihn in Österreich und Deutschland; Das Judentum und die christliche Frage. Hg. von Wilhelm Lettenbauer. München und Freiburg i. Br. 1972
  • 5. Band: Die Rechtfertigung des Guten. Eine Moralphilosophie. Hg. von Ludolf Müller. München 1976
  • 6. Band: Philosophie – Theologie – Mystik. Grundprobleme und Hauptgestalten. Hg. von Wladimir Szylkarski und Ludolf Müller. Freiburg i. Br. 1966
  • 7. Band: Erkenntnislehre; Ästhetik; Philosophie der Liebe. Freiburg i. Br. 1953
  • 8. Band: Sonntags- und Osterbriefe; Drei Gespräche über Krieg, Fortschritt und das Ende der Weltgeschichte mit Einschluss einer kurzen Erzählung vom Antichrist; Kleine Schriften der letzten Jahre. Hg. von Ludolf Müller. München 1980
  • Ergänzungsband: Solowjews Leben in Briefen und Gedichten. Hg. von Ludolf Müller und Irmgard Wille. München 1977

Einzelausgaben in Auswahl

  • Kurze Erzählung vom Antichrist. Übersetzt und erläutert von Ludolf Müller. Rinn, München 1947; Wewel, München 1968 (9. Auflage 2002), ISBN 3-87904-282-9
  • Drei Gespräche. Deutsch von Erich Müller-Kamp. Ellermann, Hamburg-München 1961
  • Recht und Sittlichkeit. Übersetzt von Hans H. Gäntzel. Klostermann, Frankfurt am Main 1971, ISBN 3-465-00819-7
  • Der Sinn der Liebe. Übersetzt von Elke Kirsten in Zusammenarbeit mit Ludolf Müller. Meiner (Philosophische Bibliothek 373), Hamburg 1985, ISBN 3-7873-0623-4
  • Schriften zur Philosophie, Theologie und Politik. Mit einer biographischen Einleitung und Erläuterungen von Ludolf Müller. Wewel, München 1991, ISBN 3-87904-175-X
  • Reden über Dostojewskij. Mit Erläuterungen und einem Nachwort von Ludolf Müller. Wewel, München 1992, ISBN 3-87904-110-5

Literatur

  • Wladimir Szylkarski: Solowjews Philosophie der All-Einheit, 1935
  • Hans H. Gäntzel: Wladimir Solowjows Rechtsphilosophie auf der Grundlage der Sittlichkeit. Klostermann, Frankfurt am Main 1968, ISBN 3-465-00490-6
  • Helmut Dahm: Vladimir Solov’ev und Max Scheler. Ein Beitrag zur Geschichte der Phänomenologie im Versuch einer vergleichenden Interpretation. Pustet, München 1971
  • Ludwig Wenzler: Die Freiheit und das Böse nach Vladimir Solov’ev. Alber (Symposium 59), Freiburg-München 1978 (mit einer ca. 860 Titel umfassenden „Neuen Solov’ev-Bibliographie“)
  • Ludolf Müller: Materialien zu einem russisch-deutschen Wörterbuch der philosophischen Terminologie Vladimir Solov’evs. Slavisches Seminar (Skripten 27), Tübingen 1987
  • Martin George: Mystische und religiöse Erfahrung im Denken Vladimir Solov’evs. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1988, ISBN 3-525-56261-6
  • Peter Normann Waage: Der unsichtbare Kontinent. Wladimir Solowjow – der Denker Europas. Freies Geistesleben, Stuttgart 1988, ISBN 3-7725-0797-2
  • Leonid & Tatjana Sytenko: Wladimir Solowjow in der Kontinuität philosophischen Denkens. Novalis, Schaffhausen 1996, ISBN 3-907160-38-X
  • Dmitrij Belkin: Die Rezeption V. S. Solov’evs in Deutschland. Diss. Tübingen 2000
  • Dmitrij Belkin: „Gäste, die bleiben“. Vladimir Solov’ev, die Juden und die Deutschen. Philo, Hamburg 2007, ISBN 3-86572-624-0
  • Eugenia Gourvitch. Wladimir Solowjow - Der Mensch. Hrsg. J. W. Ernst. Muttenz/Schweiz 1984. ISBN 3-922694-97-7

Weblinks


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