Speckdänen

Speckdänen

Speckdäne ist die polemisch abwertende Bezeichnung für Südschleswiger, die, obwohl eigentlich keine Dänen, sich der dänischen Minderheit anschlossen. Ein Synonym für den Begriff lautet auch Neudänische Bewegung. In seinem Buch "Schlagwörter der Nachkriegszeit 1945 - 1949" (De Gruyter) bringt es Dieter Felbich folgendermaßen auf den Punkt: "Speckdänen sind gewissermaßen Separatisten aus niederen Beweggründen."

Der vor allem in den unmittelbaren Jahren nach 1945 von deutscher Seite geäußerte Vorwurf zielte darauf, dass viele Südschleswiger angeblich aus rein materiellen Gründen die nationale Identität wechselten. Viele dänische Vereine und Schulen erhielten damals Lebensmittelpakete (mit dem in Deutschland als Mangelware geltenden Speck) aus Skandinavien, zudem gab es an den dänischen Schulen oft Schulspeisung. Der Gesinnungswechsel vieler alteingesessener und neu hinzugekommener deutscher Schleswiger, die aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie stammten und denen infolge materieller Not entsprechend stärkere materielle Motive unterstellt werden konnten, lässt sich auch an den Ergebnissen der Landtagswahlen ablesen: Im Jahre 1947 erhielt der SSW 99.500 Stimmen, 1950 noch knapp 72.000, 1954 noch gut 42.000, 1958 noch gut 34.000, 1962 noch knapp 27.000. Bis Ende der 80er Jahre pendelte die Wählerzahl sich zwischen 20.000 und 23.000 Stimmen ein. Seitdem ist sie wieder auf gut 38.000 angewachsen, wobei die Zahlen der letzten Jahre von über 60.000 Wählern (2000) bzw. knapp 52.000 Wählern (2005) sich durch Einführung der Zweitstimme und den neu hinzugekommenen Wählern aus Holstein erklären. Ein weiteres Motiv für die hohen Stimmzahlen war die Abwendung von allem Deutschen nach Kriegsende und die Hoffnung auf eine unbelastete Erneuerung durch Hinwendung zum Dänentum - als in den folgenden Jahren die dänische Regierung und die britische Besatzungsmacht jedoch solche Forderungen einer Grenzrevision ablehnten, „normalisierte“ sich die politische Lage wieder und die dänische Bewegung, nun auf eine kulturelle Minderheitenrolle eingestellt, verlor wieder an Unterstützung.

Heute wird der Begriff oft noch zitiert, um die nationalpolitischen Kontroversen um Südschleswig in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zu verdeutlichen - der Vorwurf materieller Beweggründe für einen Gesinnungswechsel wird jedoch mittlerweile auch gegenüber den neuen „Neu-Dänen“ nicht mehr geltend gemacht, da deren Motive eher in einem generellen Anhängertum für Skandinavien oder einem für Dänemark im besonderen liegen.

Die Polemik im Kontext der Bonn-Kopenhagener Erklärungen

Historisch gesehen war die nationale Zugehörigkeit in Schleswig immer eng mit der persönlichen Wahl verbunden. Da gemäß den Bonn-Kopenhagener Erklärungen Merkmale wie Religion, Name, Abstammung und auch nicht die Sprache ausschlaggebend sein sollen, ist die nationale Orientierung vor allem eine Frage der kulturellen Identität für die im Grenzgebiet ansässigen Menschen. Während der nationalen Gesinnungsbildung sowie in den beiden schleswigschen Kriegen im 19. Jahrhundert kam es durchaus vor, dass Individuen das nationale Lager wechselten.

So gibt es heute noch etliche Familien, die einen deutschen bzw. dänischen Zweig besitzen. Beispiele dafür, dass die nationale Zugehörigkeit nichts Unveränderliches ist, liefern die Spitzenfigur der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig und Chefredakteur des Nordschleswigers Siegfried Matlok sowie die aktuelle SSW-Vorsitzende Anke Spoorendonk, deren beider Familien nach 1945 zur dänischen Minderheit in Südschleswig kamen, wobei Matlok selbst als Kind nur die dänische Schule besuchte, zeitlebens jedoch deutscher Gesinnung innerhalb seiner in Teilen dänischgesinnten Familie war.

Das Phänomen jedoch, dass Personen, die nicht aus dem Grenzland stammen, sich ad hoc einer Minderheit anschlossen und noch anschließen, zu der sie vorher keine Berührungspunkte besaßen, wird nicht nur durch den Volksmund polemisiert, sondern - wie es die Einschätzung des schleswig-holsteinischen Oberverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit seiner Beurteilung, dass „der SSW … heute nicht mehr als Partei der dänischen Minderheit betrachtet werden“ könne, auch belegt - auch von offizieller Seite kritisch gesehen. Dieses Phänomen existiert auch nur südlich der Grenze - die deutsche Minderheit in Dänemark hat im Laufe ihrer Existenz keinen analogen Zulauf verzeichnet.

In den Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 sowie in der schleswig-holsteinischen Landesverfassung ist dementsprechend festgelegt, dass das Bekenntnis zu nationalen Minderheiten frei ist und nicht „von Amts wegen“ geprüft werden darf. Diese Grundregel trug weiter zur Normalisierung der Verhältnisse im Grenzland bei, auch wenn das Verhältnis bis heute nicht frei von Spannungen und Konflikten ist, wie die Verwendung des Schimpfwortes Speckdäne bis heute zeigt.

Identifikation und Sprache

Bei der letzten Volkszählung 1900 im Deutschen Reich, in dem u.a. die Nationalität aller Bewohner festgehalten wurde, bekannten sich im gesamten Schleswig rd. 140.000 Menschen zu ihrer dänischen Volkszugehörigkeit, davon ca. 20.000 im Raum des heutigen deutschen Teils Schleswigs – so Stadt- und Landkreis Flensburg (inkl. heute dänischem Teil nördlich der Grenze) als dänische „Hochburgen“ mit 6,8 % bzw. 6,3 %, die Landkreise Husum, Eiderstedt, Schleswig und Eckernförde mit weniger als 5 %. Bei der Volksabstimmung 1920 stimmten im heutigen deutschen Teil Schleswigs rund 12.800 Menschen pro Dänemark. Angaben über Verlauf der Größe der dänischen Minderheit in den Zeiträumen bis 1945 nennen für die Zeit nach 1920 rd. 10.000 Menschen, für die Zeit bis 1930 ca. 7.000 Menschen, für die Zeit bis 1945 ca. 3.000 – 6.000 Menschen, die sich zum Dänentum bekannten (Quelle: Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte). Offizielle Stellen in Deutschland geben die Zahl der Mitglieder der dänischen Minderheit hingegen heute mit 50.000 an: Diese Zahl beruht auf den eigenen Angaben des „Sydslesvigsk Forening“, der die Mitgliederzahlen in den verschiedenen Organisationen der Minderheit sowie die Nutzerzahlen ihrer Einrichtungen wie Bibliotheken und Sportvereinen addiert und versucht, doppelte Mitgliedschaften herauszurechnen. Die „eigentliche“ Größe der dänischen Minderheit heute lässt nicht jedoch nicht ermitteln, da von offizieller Seite keine Untersuchungen diesbezüglich gestattet sind. Experten gehen von einer Größe von zwischen 8.000 und 10.000 Personen aus, die dänisch im Alltag sprechen, das dänische Kulturinstitut spricht von über 10.000 dänischen Muttersprachlern.

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