Sprayer von Zürich

Sprayer von Zürich
Harald Naegeli
Fischfrau, Düsseldorf (ca. 1996)
Undine, Zürich (1978)

Harald Oskar Naegeli (* 4. Dezember 1939 in Zürich) wurde als Sprayer von Zürich Ende der siebziger Jahre weltweit bekannt.

Leben und Werk

Inspiriert durch Sprayer wie Gérard Zlotykamien, dessen Arbeiten er in Paris gesehen hatte, war er selbst illegal künstlerisch tätig geworden. Unvermittelt und stets überraschend tauchten seine Strichfiguren im Stadtraum auf. Sie waren präzise an Hauswänden und Betonmauern platziert und wirkten damals – trotz unverkennbarer künstlerischer Qualität – auf viele Menschen überaus provokant. Naegelis Identität blieb lange unentdeckt, denn er agierte im Verborgenen, oft über Nacht. Schliesslich wurde er aber doch gefasst; er hatte beim Sprühen seine Brille verloren und war zurückgegangen, um sie zu suchen.

Naegeli stand 1981 vor dem Zürcher Gericht und wurde wegen wiederholter Sachbeschädigung mit einer hohen Geldstrafe und neun Monaten Haft hart bestraft – von einem Richter, der ein Exempel statuieren wollte, wie der WDR-Journalist Hubert Maessen im deutschen Radio vom Prozess berichtete. Der Vollstreckung des Urteils entzog Naegeli sich durch eine Flucht aus der Schweiz. Es erging ein internationaler Haftbefehl.

Unterschlupf fand Naegeli zuerst in Köln bei der WDR-Redakteurin Marianne Lienau, die zusammen mit ihrem Kollegen Hubert Maessen 1980/81 in Zürich den (schwierigen) persönlich-journalistischen Kontakt mit dem bis dahin anonymen Naegeli gefunden hatte; daraus war u.a. die erste grössere deutsche Veröffentlichung über den Sprayer von Zürich entstanden, nämlich in der Kunst-Zeitschrift Art – Das Kunstmagazin (1981) von Lienau/Maessen. In Köln sprayte Naegeli den fulminanten Kölner Totentanz, den Maessen fotografisch dokumentierte und sowohl als Ausstellung in Köln als auch in Buchform 1982 publizierte. Nach dem Aufenthalt in Köln zog Naegeli ins «Asyl» bei Hubert Maessen in Düsseldorf, der ihn auch mit Joseph Beuys bekanntmachte.

Beim Grenzübertritt nach einer Reise in die skandinavische Heimat seiner Mutter wurde Naegeli schliesslich an der Grenze zu Dänemark gefasst. Trotz umfassender Proteste – u.a. setzten sich Willy Brandt und Joseph Beuys für ihn ein – musste er seine Strafe antreten und stellte sich mit angemessener Happening-Action den Schweizer Behörden; 1984 sass er seine Strafe ab. Im Gefängnis entstanden einige Keramiken mit den bekannten Naegeli-Figuren; Naegeli hatte sich nicht an die Gestaltungsvorgaben der Haftanstalt gehalten.

Nach seiner Entlassung zog Naegeli wieder nach Düsseldorf, u.a. wohl wegen der damit verbundenen Nähe zu Beuys. Er sprühte weiter – bis heute. Darüber hinaus erarbeitete er ein zeichnerisches Werk auf Papier, die sog. «Partikelzeichnungen». Dabei stehen die Bewegung und die Reduktion des Konkreten im Vordergrund. Neben klassischeren Arbeiten, bei denen die Natur oft eine grosse Rolle spielt, entstanden grosse gegenstandslose «Urwolken», an denen der Künstler oft Monate lang arbeitet.

In Zusammenarbeit mit dem Wiener Komponisten Karlheinz Essl entwickelte Harald Naegeli zwischen 1991 und 1993 das Performance-Projekt «Partikel-Bewegungen», bei dem er in Galerien und Museen sehr reduzierte Sprayaktionen auf Acrylglasplatten durchführte, die von Musik begleitet wurden.

Eines seiner letzten erhaltenen Strichmännchen aus seiner Zürcher Zeit, den weiblichen Wassergeist Undine an der Fassade des Deutschen Seminars in der Schönbergstrasse, liess der Kanton Zürich 2004 restaurieren und konservieren. Das illegal entstandene Graffito sprühte Naegeli 1978 an die damalige Betonwand des Physikinstituts. Nach einem Umbau 1995 stufte die kantonale Baudirektion diese Sprayerei als erhaltenswert ein und schützte sie mit einer Holzabdeckung. Nun, mit der Konservierung von Undine, rehabilitiert die Stadt Zürich Harald Naegeli und bezeichnet seine «Schmiererei» als Kunst und Naegeli als Künstler.

Literatur

  • Hubert Maessen, Der Sprayer von Zürich: Kölner Totentanz, Köln 1982 (Text und Fotografie; Buchdesign: Betty Grünberg) im Verlag der Buchhandlung Walther König
  • Bernhard van Treeck, Das große Graffiti-Lexikon, Berlin (Lexikon-Imprint-Verlag) 2001, ISBN 3-89602-292-X
  • ders., Street Art Berlin, Berlin (Schwarzkopf & Schwarzkopf) 1999, ISBN 3-89602-191-5
  • ders., Wandzeichnungen, Moers (Edition aragon) 1995, ISBN 3-89535-424-4
  • ders., Graffiti Art #9 Wände, Berlin (Schwarzkopf & Schwarzkopf) 1998, ISBN 3-89602-161-3
  • ders., Street Art Köln, Moers (Edition aragon) 1996, ISBN 3-89535-434-1
  • vom Zürcher Sprayer «Mein Revoltieren, meine Spraybomben, mein Aufstand mit Poesie» Benteli Verlag

Weblinks


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