- Stabilisation (Raumfahrt)
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Die Stabilisation (bisweilen auch Lageregelung) dient dazu, dass Raumflugkörper (Raumsonden, Satelliten, Raumschiffe) in einer bestimmten Richtung ausgerichtet bleiben, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können.
Es gibt drei Hauptmethoden, die Orientierung eines Raumflugkörpers langfristig zu stabilisieren: mittels Gravitations-Gradient, durch Rotation (Spin) oder durch massive Trägheitsräder. Demgegenüber würde eine kurzzeitige Steuerung durch Kreiselinstrumente - die v.a. beim Raketenstart unerlässlich ist - bei längerer Dauer aus der Ideallage wegdriften.
Inhaltsverzeichnis
Gravitationsstabilisation
Sie ist die einfachste Form der Stabilisation und wirkt durch etwas unterschiedliche Gravitation in einer Umlaufbahn, wenn der Raumflugkörper nicht in allen drei Raumrichtungen gleich lang ist. Denn nur im Massenschwerpunkt des Erdsatelliten herrscht völlige Schwerelosigkeit. Jene Teile des Raumflugkörpers, die weiter von der Erde (bzw. dem umkreisten Himmelskörper) entfernt sind als der Schwerpunkt, umkreisen ihn eigentlich etwas zu schnell und wollen quasi auf eine höhere Umlaufbahn kommen, während die Teile unter dem Schwerpunkt etwas zu langsam kreisen und zu einer niedrigeren Umlaufbahn tendieren. Mit der Zeit bewirkt dies bei Raumflugkörpern, die länger als ihr Durchmesser sind, dass sich ihre Längsachse aufrichtet: eine Seite weist dann zum Planetenmittelpunkt und die gegenüberliegende Seite zum Zenit. Die Gravitationsstabilisation wird nur selten verwendet (u.a. bei älteren Erdbeobachtungssatelliten. Doch nützt sie das Space Shuttle zur treibstoffsparenden Stabilisation, wenn es keine besondere Lage im Raum einnehmen muss.
Spinstabilisation
Die Spinstabilisation nutzt den Effekt aus, dass sich ein um seine Längsachse rotierender Raumflugkörper wie ein Kreisel verhält und deshalb normalerweise nicht aus seiner Lage im Raum gebracht werden kann. Dieses gilt auch, wenn sich der Raumflugkörper in dem Schwerefeld eines Himmelskörpers befindet. Dies verleiht genügend Stabilität um die beiden zur Rotationsachse senkrechten Achsen. Die Stabilisierung um die Rotationsachse erfolgt durch Drehzahländerung und dem damit verbundenen Reaktionsmoment. Die Spinachse kann nur schwer durch Steuerungstriebwerke beliebig im Raum ausgerichtet werden. Ein weiterer Nachteil ist, dass nur jeweils die Hälfte der an der Außenhülle angebrachten Solarzellen von der Sonne beschienen werden.
Das bekannteste Beispiel für einen spinstabilisierten Satelliten ist die Erde mit ihrer täglichen Umdrehung. Ein anderes Beispiel sind spinstabilisierte Nachrichtensatelliten, die ihre Spinachse so ausrichten, dass die Solarzellen auf ihrer Trommeloberfläche während der Rotation um ihre Achse nacheinander von der Sonne beschienen werden, während gleichzeitig ihre Antennen, an einem Ende der Trommel sitzen, von einem Motor entdrallt werden, so dass sie immer auf dasselbe Zielgebiet auf der Erde zeigen können. Man spricht dabei auch von einem dual-spin system. Da in der Schwerelosigkeit die Ausrichtung absolut stabilisiert wird und nicht relativ zur Erde, wird normalerweise eine Spinachse im rechten Winkel zum Orbit verwendet. Eine Spinachse, welche anfangs in den Orbit und damit zum Erdmittelpunkt zeigen würde, würde nach einem Viertel der Umlaufbahn tangential verlaufen und nach der Hälfte der Umlaufbahn würde die andere Seite der Spinachse zum Planeten zeigen.
Drallstabilisation
Bei der Drallstabilisation dreht sich nicht der ganze Raumflugkörper um seine Achse, sondern ein Trägheitsrad im Innern des Raumflugkörpers. Das Trägheitsrad ist ein dauernd schnell drehender massereicher Körper, dessen Achse gegenüber dem Raumflugkörper unbeweglich ist. Die so erzeugte Kreiselkraft stabilisiert den Raumflugkörper. Zur Stabilisierung genügt ein einziges Drallrad, wegen der Ausfallsicherheit haben manche Raumflugkörper jedoch mehrere.
Der Vorteil der Drallstabilisation ist, dass der Raumflugkörper fest ausgerichtet werden kann, um Antennen zur Erde, Solarpanels zur Sonne oder Beobachtungsinstrumente zum Zielobjekt auszurichten. Auch bei dieser Stabilisierungsart kann der Raumflugkörper und damit auch die Achse des Drallrades von Steuertriebwerken beliebig im Raum gedreht werden. Die Steuerdüsen werden auch dazu verwendet, die Drift bei konstant einwirkenden Störmomenten von Zeit zu Zeit zu korrigieren. Im Englischen wird dies als biased momentum system oder momentum-bias system bezeichnet.
Manche Erdbeobachtungssatelliten sind so stabilisiert. Auch der europäische Kommunikationssatellit Symphonie enthielt so ein System. Das Space Shuttle hingegen verwendet normalerweise nur Steuerdüsen. Bei der Mission STS-99 im Jahre 2000 trat jedoch ein Leck in einer Leitung auf. Um die Mission nicht frühzeitig abbrechen zu müssen wurde auf verschiedenste Weise Energie eingespart und zusätzlich verbesserte das übliche Training auf dem Ergometer die Stabilisierung der Raumfähre.[1]
Dreiachsenstabilisation
Sie ist mit der Drallstabilisierung eng verwandt, jedoch um einiges präziser. Bei ihr stellen Sensoren die Lage im Raum gegenüber der Sonne und dem umkreisten Himmelskörper fest. Die so ermittelten Daten werden in Steuerungsbefehle umgewandelt und von Steuerdüsen und Reaktionsschwungrädern dazu verwendet, den Raumflugkörper in die gewünschte Lage zu drehen.
Bei starr gelagerten Reaktionsrädern werden die benötigten Räder beschleunigt oder abgebremst. Durch die Regeln des Drehimpulserhaltungssatzes im Gesamtsystem Satellit bewegt sich das Satellitengehäuse in die entgegengesetzte Richtung. Die bei der Drallstabilisation wichtige Kreiselwirkung ist in diesem Fall unerwünscht. Da die Rotationsgeschwindigkeit und damit der maximal erzeugbare Drehimpuls begrenzt ist, muss nach mehreren Korrekturen in dieselbe Richtung das System von Zeit zu Zeit "entsättigt" werden. Dazu wird mit zusätzlichen Lageregelungstriebwerken wie Steuerdüsen oder (in der Nähe von Planeten mit starken Magnetfeldern) Magnetspulen der Satellit "festhalten" und der Gesamtdrehimpuls der Räder wieder auf Null reduzieren. Da im Ausgangszustand kein Impuls wirkt, nennt man so ein System auch zero-bias system oder zero-momentum bias system. Normalerweise werden mindestens drei orthogonal angeordnete Reaktionsräder verwendet, eines für jede Raumachse. Oft ist zur Ausfallsicherheit ein viertes schräg angeordnet oder häufig werden alle vier Räder wie die Flächen eines Tetraeders angeordnet. Das Hubble-Weltraumteleskop besitzt vier große Reaktionsräder in anderer Anordnung zur Lageregelung. Als Sensoren werden dort verschiedene optische und magnetische Systeme sowie kleine Gyroskope verwendet, von denen aus Redundanzgründen sechs vorhanden sind, aber im Normalfall nur drei aktiv. Steuerdüsen können beim Hubble wegen der durch sie verursachten Verunreinigungen nicht zur Lageregelung eingesetzt werden.
Steuerdüsen erzeugen ebenfalls einen Impuls und mit einem entgegengesetzten Impuls derselben Größe wird das System wieder zum Stillstand gebracht. Sie haben den großen Nachteil, dass bei jeder Korrektur Gas abgeblasen wird und nach einiger Zeit der Satellit mangels Treibstoff nicht mehr steuerbar ist. Somit werden Steuertriebwerke selten verwendet um alleine einen Raumflugkörper zu stabilisieren. Im Notfall können sie aber die Stabilisierung einer oder einiger Achsen übernehmen, wenn Reaktionsräder ausfallen.
Beim Control Moment Gyro (Momentenkreisel) bedient man sich eines ständig drehenden Trägheitsrades in einer kardanischen Aufhängung. Diese ist nicht frei gelagert, sondern per Motor verstellbar und bildet einen „festen“ Untergrund, um den das Raumfahrzeug bewegt werden kann. Zusätzlich kann die Lage durch Drehzahländerung verändert werden. Für eine vollwertige Lageregelung werden wieder 3 Momentkreisel benötigt, deren Drall zwar in der Richtung, aber nicht im Betrag geändert wird. Diese Technik wird beispielsweise bei der Internationalen Raumstation eingesetzt.
Bei Kommunikationssatelliten mit fester Orientierung zur Erde tragen die Hauptachsen die bei Flugzeugen üblichen Bezeichnungen, siehe roll-pitch-yaw. Ein Beispiel sind 3-achsig stabilisierte Nachrichtensatelliten, die auf diese Art so ihre Antennen ständig zur Erde ausrichten, während die aus dem Satellitenkörper ragenden Solarpaddeln der Sonne folgen können.
Sonstige Verfahren
- Satelliten, die im niederen Erd-Orbit fliegen, können das Erdmagnetfeld zur Lageregelung benutzen. Dies kann passiv durch einen Stabmagneten erfolgen, so dass sich die Satelliten wie Kompassnadeln am Magnetfeld der Erde ausrichten können. Anspruchsvoller ist die aktive Regelung mit Magnetspulen, die auch zum Entdrallen von Reaktionsrädern genutzt werden, wenn diese ihre höchste Drehzahl erreicht haben. Dieses Verfahren wird im Hubble-Weltraumteleskop eingesetzt.
- Eine selten eingesetzte Variante zur Lageregelung sind Solarklappen/segel. Diese bewegbaren Flächen können durch Ausnutzung des Sonnendruckes oder der geringen Atmosphäre, die im unteren LEO existiert (< 300 km), ein Drehmoment erzeugen und so die Lage des Satelliten verändern.
Siehe auch
Weblinks
- Klaus Brieß: Satellitentechnik: 6. Die Lageregelung, Institut für Luft- und Raumfahrt
- Basic Concepts of Manned Spacecraft Design: 4.3.1 Space Vehicle Control Systems, Federal Aviation Administration, September 2005
Einzelnachweise
- ↑ AP: Radeln spart Sprit im All, Rhein-Zeitung, 16. Februar 2000
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