Stammlager IX A

Stammlager IX A

Das STALAG IX A Ziegenhain war ein während des gesamten Zweiten Weltkrieges bestehendes Kriegsgefangenenlager in Hessen, das nach Kriegsende in anderer Funktion weitergenutzt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Einrichtung und Nutzung

Nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 erfolgte reichsweit die Errichtung von Kriegsgefangenenlagern. Das STALAG IX A Ziegenhain war das größte Kriegsgefangenenlager auf dem Gebiet des heutigen Landes Hessen. Bis 1945 wurden hier Kriegsgefangene unterschiedlicher Nationen interniert, zunächst Polen und Franzosen; unter ihnen befand sich der spätere französische Staatspräsident François Mitterrand. Es kamen hinzu Gefangene aus der Sowjetunion, Belgien, Großbritannien, den Niederlanden, Südosteuropa und US-Amerikaner. Gegen Kriegsende wurden auch italienische „Militärinternierte“ hier gefangen gehalten. Mehrere tausend sowjetische Kriegsgefangene, die ab November 1941 im STALAG IX A Ziegenhain eintrafen, hatten, der Nazi-Ideologie entsprechend, in einem separaten Lagerbereich unter besonders unmenschlichen Bedingungen zu leiden. Die Todesrate unter ihnen war außerordentlich hoch.

Die Gesamtzahl der Lagerinsassen schwankte ab September 1943, als sie ihren Höchststand erreichte, zwischen 8.000 und 11.000 Mann. Der größte Teil der Kriegsgefangenen musste außerhalb des Lagers in Arbeitskommandos Zwangsarbeit in der Landwirtschaft und in der Industrie leisten.

Eine große Anzahl der historischen Baracken ist erhalten geblieben.

Friedhöfe

Zum STALAG IX A Ziegenhain gehörten zwei getrennt voneinander angelegte Friedhöfe. Der heutige Gemeindefriedhof des Ortes Trutzhain war der Bestattungsort für die verstorbenen westalliierten und polnischen Kriegsgefangenen. Die sowjetischen und serbischen Toten wurden hingegen auf dem weit abgelegenen Waldfriedhof anonym, mitunter in Massengräbern, verscharrt. Auch die italienischen Militärinternierten lagen dort bis 1958 begraben.

CI-Camp 95 Ziegenhain

Nach der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers am 30. März 1945 diente das STALAG IX A der US-Army zunächst als Civil Internment Camp 95 (CIC 95) zur Internierung von Mitgliedern der Waffen-SS, der NSDAP, SA und SS, Wehrmachtssoldaten sowie Frauen. Das Lager bestand bis zum Sommer 1946.

DP-Lager 95-443 Ziegenhain

Nach Kriegsende lösten antisemitische Übergriffe und das Pogrom von Kielce unter den osteuropäischen Juden im Sommer 1946 eine Massenflucht aus. Bis 1949 emigrierten etwa 200.000 überwiegend polnische Juden in die westlichen Besatzungszonen Deutschlands. Anfang August 1946 richtete die US-Army in den leer stehenden Baracken des STALAG IX A Ziegenhain das DP-Lager 95-443 Ziegenhain ein.

Für die Displaced Persons (DPs) wurde es zur Durchgangsstation für die ersehnte Ausreise nach Palästina, Großbritannien, Kanada, Australien, Südamerika oder in die USA. Durchschnittlich belief sich die Belegzahl des DP-Lagers 95-443 Ziegenhain, das Ende November 1947 aufgelöst wurde, auf 2000 Personen. Dem Lager angeschlossen war ein TBC-Sanatorium in Steinatal.

Flüchtlinge und Heimatvertriebene

Hauptartikel: Trutzhain

Als nach dem Zweiten Weltkrieg Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und dem Sudetenland in die vier deutschen Besatzungszonen strömten, bot sich das geräumte Lager in Ziegenhain als Unterkunft an. Im Januar 1948 pachtete der Kreis Ziegenhain das Gelände des ehemaligen STALAG IX A für fünf Jahre. Im Frühjahr 1948 erfolgten die ersten Einweisungen, und binnen kurzer Zeit entwickelte sich durch eine gezielte Ansiedlungspolitik die „Flüchtlingssiedlung“ in einen florierenden Handwerks-, Gewerbe- und Industriestandort. Als Folge dieser wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung kam es am 1. April 1951 zur Gründung der selbstständigen Gemeinde Trutzhain.

Weblinks

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