Pogrom von Kielce

Pogrom von Kielce

Mit dem Ausdruck Pogrom von Kielce werden die am 4. Juli 1946 in der polnischen Stadt Kielce erfolgten Ausschreitungen bezeichnet, in deren Folge 41 polnische Juden ermordet und weitere achtzig - darunter auch Überlebende des Holocaust - verletzt wurden. Unter den Opfern befanden sich auch zwei nichtjüdische Polen, die den Angegriffenen zur Hilfe geeilt waren.

Der Pogrom von Kielce gilt als der bekannteste Übergriff von Zivilisten auf jüdische Personen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und hatte eine massive jüdische Emigrationswelle aus Polen zur Folge. Die Rolle der staatlichen Stellen bei diesem Pogrom ist bis zum heutigen Tage nicht geklärt.

Inhaltsverzeichnis

Der Pogrom

Haus Planty Nr. 7, 2006

Am Ende des Zweiten Weltkriegs lebten in Kielce keine Juden mehr. Die jüdischen Einwohner der Stadt waren entweder von den Deutschen in Konzentrationslager verschleppt worden oder geflohen. Nach dem Einmarsch der Roten Armee kehrten nach und nach etwa zweihundert jüdische Einwohner nach Kielce zurück. Die meisten von ihnen lebten nach ihrer Rückkehr in einem einzigen Gebäude.

Am 4. Juli 1946 kam es zu anti-jüdischen Protesten vor dem Haus. Auslöser dafür waren Gerüchte über einen angeblich von Juden begangenen Ritualmord, die auf jahrhundertelang propagierte Ritualmordlegenden des christlichen Antijudaismus im Mittelalter Bezug nahmen. Angehörige der Miliz betraten unter Waffengewalt das Gebäude. Als die Bewohner auf die Straße flüchteten, wurden sie vom polnischen Mob angegriffen. Den Ressentiments lag unter anderem die gefühlte finanzielle Besserstellung der jüdischen Displaced Persons in der Folge des Harrison-Reports zu Grunde. Die Mehrheit der etwa 300.000 polnischen Juden, die die deutsche Besatzungszeit überlebt hatten,[1], verstand den Pogrom als unmissverständliches Zeichen, dass es für sie in Polen keine sichere Zukunft gab.

Nachgeschichte

Gedenktafel

In den nachfolgenden Monaten verließen im Rahmen der Fluchthilfe-Bewegung Beriha mehrere zehntausend Juden das Land. Die Überlebenden des Pogroms flohen zum Teil nach Westdeutschland in die Amerikanische Besatzungszone, wo sie als so genannte Displaced Persons (DPs) vorübergehend Aufnahme in DP-Lagern fanden. Die Zahl jüdischer Displaced Persons stieg in der Amerikanischen Besatzungszone von 36.000 im Januar 1946 auf 141.000 im Oktober 1946; im Sommer 1947 lebten mehr als 180.000 Juden (darunter etwa 80% aus Polen) in rund 70 Lagern.[2]

Bei der deutschen Bevölkerung, die unter Nahrungsmangel und Kälte litt, rief die bevorzugte Versorgung und Unterbringung der „ostjüdischen Gruppen“ Missgunst und Vorurteile hervor. Die Ergebnisse einer Umfrage, die das Landeskirchenamt Kassel im Oktober 1946 in 25 Kirchenkreisen machte, zeugt von fehlender Wahrnehmung ostjüdischer Verfolgung und deutscher Verantwortlichkeit, von Stilisierung der eigenen Opferrolle und vielfach von ungebrochenen antisemitischen Vorurteilen.[3]

Aufarbeitung

Neun Personen wurden für ihre Teilnahme am Pogrom zum Tode verurteilt und exekutiert, drei zu Gefängnisstrafen verurteilt.[4]

Die Ereignisse wurden im Film Von Hölle zu Hölle thematisiert.[5]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jürgen Matthäus: Keine Opfer, keine Täter - Deutsche Reaktionen auf die Zuwanderung von polnischen Juden nach dem Kielce-Pogrom... in: Alfred Gottwaldt u. a. (Hrsg.): NS-Gewaltherrschaft. Berlin 2005, ISBN 3-89468-278-7, S. 359.
  2. Jürgen Matthäus: Keine Opfer, keine Täter... in: ISBN 3-89468-278-7, S. 360.
  3. Jürgen Matthäus: Keine Opfer, keine Täter... in: ISBN 3-89468-278-7, S. 367.
  4. The Kielce Pogrom 1946... by Anita J. Prazmowska (eng)
  5. kinofenster: Daten und Inhaltsangabe

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