Stw 573

Stw 573

Little Foot („kleiner Fuß“) bezeichnet das vermutlich vollständigste bisher entdeckte Skelett eines frühen Vertreters der Hominini.[1] Es wurde in einer Kalkstein-Formation in Sterkfontein (Südafrika) entdeckt und wird in den Fachveröffentlichungen zur Gattung Australopithecus gestellt. Der Spitzname „kleiner Fuß“ entstand, da von diesem Fossil (Archivnummer Stw 573) zunächst nur vier zusammengehörige Fußgelenkknochen bekannt geworden waren. Aus der Beschaffenheit der Fußknochen wurde abgeleitet, dass ihr Besitzer zum aufrechten Gang befähigt war. Jedoch sei die große Zehe noch opponierbar gewesen.

Inhaltsverzeichnis

Fundgeschichte

Die vier Fußgelenkknochen waren bereits 1980 – unerkannt zwischen zahlreichen anderen Säugetierknochen – in einer Kalkstein-Höhle aufgesammelt, aber bis 1994 nur oberflächlich ausgewertet worden. Erst nachdem 1992 in dieser Höhle ein großer Gesteinsbrocken abgebrochen war, der eine ungewöhnliche Anhäufung von Fossilien enthielt, wurden die bis dahin aus der Höhle geborgenen Fossilien von Ronald J. Clarke gründlich in Augenschein genommen. Am 6. September 1994 öffnete er einen mit Silberberg Grotto D 20 beschrifteten Karton, der u. a. eine Plastiktüte mit der Beschriftung carnivore foot bones (Fußknochen von Raubtieren) enthielt.[2] Einen dieser Fußknochen identifizierte Clarke sofort als hominin, und beim weiteren Durchstöbern der Sammlung stieß er auf drei weitere hominine Fußknochen, die im folgenden Jahr wissenschaftlich beschrieben wurden.[3] Da ein linkes Sprungbein, ein linkes Kahnbein, ein linkes Keilbein sowie ein linker Mittelfußknochen sogar als zusammengehörig erkannt worden waren, wurden zunächst weitere unausgewertete Bestände gesichtet und in diesen bis Juni 1997 acht weitere Fuß- und Handknochen entdeckt, die dem gleichen Fossil zugeschrieben werden konnten. Einer dieser Knochen – das Fragment einer rechten Tibia – wies eine relativ frische Bruchstelle auf, die frühestens 1980 bei der Bergung entstanden sein konnte. Daraufhin wurde Anfang Juli 1997 der ursprüngliche Fundort der Fossilien, 25 Meter unter der Oberfläche der Silberberg Grotto, erneut abgesucht; Clarkes Assistenten Stephen Motsum und Nkwane Molefe entdeckten in dieser Höhle mit den Ausmaßen einer mittelgroßen Kirche tatsächlich das Gegenstück zum bereits bekannten Fragment.[4] Bei einer daraufhin veranlassten, noch gründlicheren Untersuchung des Fundortes wurden im folgenden Jahr weitere Knochen des gleichen Individuums teilweise freigelegt, darunter der Schädel sowie ein Arm und die dazugehörige Hand.[5]

Die Bergung dieser und weiterer vermutlich noch existierender Knochen erwies sich jedoch als äußerst schwierig und langwierig, da sie vollständig in betonartig harte Brekzie aus Dolomit und Radiolarit eingebettet sind. Die Bergung ist noch immer nicht abgeschlossen.[6]

Bis heute ist der Fund keiner bestimmten Art der Gattung Australopithecus zugeordnet worden. In der ersten Fundbeschreibung vom Juli 1995 hieß es: „Die Knochen gehören vermutlich zu einem frühen Angehörigen von Australopithecus africanus oder zu einer anderen frühen Art der Hominiden“.

Datierung

Als schwierig erwies sich die Altersbestimmung des Fundes, da es im Bereich der Fundstelle keine vulkanischen Schichten gibt, anhand derer eine sichere absolute Datierung möglich war. Daher wurde im Juli 1995 – auf Grundlage einer relativen Datierung anhand von fossilen Meerkatzenverwandten und einiger Carnivoren – ein geschätztes Alter von 3,0 bis 3,5 Millionen Jahre ausgewiesen, weswegen das Fossil als der bis dahin älteste Fund eines Vertreters der Hominini in Südafrika bezeichnet wurde; diese Alterszuschreibung passte exakt zu den seit 1978 bekannten und als sicher datiert geltenden homininen Fußspuren von Laetoli. In einer zweiten Analyse von Begleitfunden wurde diese Datierung jedoch bereits im März 1996 als zu alt kritisiert und stattdessen rund 2,5 Mio. Jahre als das wahrscheinlichere Alter benannt.[7] 2003 wurde dann aber auf Basis der Aluminium-Beryllium-Methode sogar ein Alter von mehr als 4 Millionen Jahren publiziert.[8] Ende 2006 ergab eine neuerliche Studie mit Hilfe der Uran-Blei-Datierung jedoch ein Alter von 2,17 ± 0,17 Mio. Jahren.[9]

Laut einem Bericht der südafrikanischen Zeitung The Witness vom März 2009 werde Ron Clarke in Kürze im South African Journal of Science auf der Basis von bereits 1999 publizierten paläomagnetischen Untersuchungen[10] erneut ein Alter von 3,3 Mio. Jahren ausweisen und den Fund weder zu Australopithecus afarensis noch zu Australopithecus africanus stellen, sondern zu einer neuen Australopithecus-Art. [11]

Einzelnachweise

  1. Reiner Protsch von Zieten, Ronald J. Clarke: The oldest complete skeleton of an Australopithecus in Africa (StW 573). Anthropologischer Anzeiger, Band 61, 2003, S. 7–17
  2. Die Darstellung der Fundgeschichte folgt hier einer Beschreibung von Donald Johanson im Editorial zum Newsletter des Institute of Human Origins der Arizona State University vom Mai 2005, [1]
  3. Ronald J. Clarke, Phillip Tobias: Sterkfontein member 2 foot bones of the oldest South African hominid. Science, Band 269, 1995, S. 521 – 524; doi:10.1126/science.7624772
  4. talkorigins.org: Fossil Hominids: Stw 573 (Little Foot)
  5. Ronald J. Clarke: First ever discovery of a well-preserved skull and associated skeleton of Australopithecus. South African Journal of Science, Band 94, 1998, S. 460–463
    Ronald J. Clarke: Discovery of the complete arm and hand of the 3.3 million-year-old Australopithecus skeleton from Sterkfontein. South African Journal of Science, Band 95, 1999, S. 477–480.
  6. Im bereits zitierten Editorial schrieb Donald Johanson 2005: „Still today the uncovering of Stw 573, deep in the bowels of the Sterkfontein cave complex continues with ribs, portions of the pelvis and other bones slowly appearing after millions of years.“
  7. So Jeffrey K. McKee von der südafrikanischen Witwatersrand-Universität in einem Technischen Kommentar in Science, Band 271 vom 1. März 1996, S. 1301
  8. T. C. Partridge et. al.: Lower Pliocene Hominid Remains from Sterkfontein. Science, Band 300, 2003, S. 607– 612; doi:10.1126/science.1081651
  9. Joanne Walker, Robert A. Cliff, Alfred G. Latham: U-Pb Isotopic Age of the StW 573 Hominid from Sterkfontein, South Africa. Science, Band 314, 2006, S. 1592 – 1594; doi:10.1126/science.1132916
  10. Timothy C. Partridge et. al.: The new hominid skeleton from Sterkfontein, South Africa: age and preliminary assessment. Journal of Quarternary Science, Band 14, 1999, S. 293–298; Volltext
  11. http://www.witness.co.za/index.php?showcontent&global[_id]=20908 vom 20. März 2009: Who was Little Foot? Wörtlich hieß es in dem Bericht über Clarks geplante Veröffentlichung: „He says Little Foot does not belong to the species Australopithecus afarensis or Australopithecus africanus, but to a unique Australopithecus species previously found at Makapansgat and Sterkfontein Member Four. He also announced Little Foot’s age in the journal after paleomagnetism established that it was 3,3 million years old. (…) In particular, the teeth, cheekbones, facial shape and profile and the jaws are different.“

Weblinks

  • scinexx.de (2006) Vormensch "Little Foot" aus dem Rennen? Neue Datierung macht Australopithecus-Skelett mehr als eine Million Jahre jünger.
  • spiegel.de (1998): "Am Anfang eine Leiche." Paläoanthropologe Phillip Tobias über den Fund des ältesten Vormenschskeletts in Südafrika.

Literatur

  • Ron J. Clarke: Latest information on Sterkfontein’s Australopithecus skeleton and a new look at Australopithecus. South African Journal of Science, Band 104, 2008, S. 443–449

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