Stör (Handwerk)

Stör (Handwerk)

Die Stör ist ein alter Ausdruck für die Wanderschaft reisender Handwerker, die ihre Tätigkeit im Hause des Auftraggebers ausführten. Handwerker, die dies taten, hießen Störgeher oder Störr.

Inhaltsverzeichnis

Wortherkunft

Das Wort wird häufig aus dem Tätigkeitswort stören erklärt. Danach wäre die Stör ein Vorgang, der den Alltagsablauf stört. Diese Deutung ist wohl nicht richtig.

Die Stör (im süddeutschen Raum seit dem 16. Jahrhundert bezeugt) ist eher nur eine Nominalableitung vom Ausübenden dieser Tätigkeit, dem Störr (Plural Större), wie er noch unter anderem im Lateinwörterbuch von 1741 als "Handwercks-Störr" und lateinisch als Operarius extradomesticus erklärt wird. Das Wort gehört danach zu der großen Wortgruppe starren, ‚steif sein‘, aber auch ‚steif werden‘, griechisch stereós von *sterewos. Der Storch hat mit Ablaut dieselbe Wortwurzel (von germanisch *sturka-). Der Vogel ist nach seinem stelzenden Gang benannt und die Större stolzierten zuweilen wohl auch wie die Störche einher. Störr wäre also ein Spott- oder Schimpfwort (vergleiche auch Landstörzer).

Der wandernde Handwerker

Auf solche Wanderschaften begaben sich Schneider, Schuster, Zimmerer, Weißnäherinnen, Tischler, Fleischer, Kesselflicker, Messerschleifer, Brunngraber und Handwerker ähnlicher ambulant betriebener Gewerbe und minder angesehener Tätigkeiten, die ihr Handwerkszeug mit sich führen konnten.

Unangenehme Begleiterscheinung für die Handwerker war, dass sie oftmals nicht auf sofortige Bezahlung ihrer Dienste hoffen konnten, sondern nach der Erntezeit nochmals die Bauernhöfe aufsuchen mussten, um ihren ausstehenden Handwerkerlohn einzufordern: Erst dann hatten die Bauern Geld für die Handwerker-Leistungen. Allgemeiner Tag der Abrechnungen, auch mit dem Gesinde, war Mariä Lichtmess, der 2. Februar.

Wenn vereinzelt Handwerker dieses System der Stör durchbrachen, um sich mit einem Ladengeschäft selbständig zu machen, führte dies manchmal zu Konflikten mit den reichen und mächtigen Bauern. Denen passte es teils nicht, für Handwerkerdienste in einen Laden gehen zu müssen und die Dienste auch gleich zu bezahlen.

Die Störgeher, einst im süddt. Raum Större genannt, sind heutzutage nahezu ausgestorben. Bis in die 1950er Jahre arbeiteten Stör-Schneiderinnen und -Schuster in den Häusern von Bürgern und Bauern. Heute versuchen sich in diesem Gewerbe gelegentlich noch wandernde Scherenschleifer, die seit jeher beim Volk eine schlechte Akzeptanz hatten: so existiert bis heute im schwäbischen Dialekt das Schimpfwort "Schereschleifer" für einen Taugenichts.

Vereinzelt erlebt die Stör in der Schweiz eine Art „Renaissance“; nebst den seit längerer Zeit tätigen Stör-Metzgern kennen wir mittlerweile – zum Teil als Modeerscheinung – auch die Störköche. Aus Zürich ist das Beispiel von Stör-Erziehern (Sozialpädagogen) bekannt, welche bei Konflikten oder familiären Engpässen Einsätze "auf Stör" leisten.

Siehe auch

Literatur

zur Etymologie:

  • Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 22. Auflage unter Mithilfe von Max Bürgisser und Bernd Gregor völlig neu bearbeitet von Elmar Seebold. de Gruyter, Berlin u. New York 1989. [Stör darin noch unerklärbar].
  • Adam Friedrich Kirsch: Abvndantissimvm CORNVCOPIAE Lingvae Latinae et Germanicae selectvm ... Ratisbonae MDCCXLI [Regensburg 1741]
  • Petri Kettenfeier Rossegger: Werke in vielen Ausg.

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