Swissair 111

Swissair 111
Swissair-Flug 111

Gedenkstätte für den Swissair-Flug 111 bei Peggys Cove
Zusammenfassung
Datum 2. September 1998
Typ Kabelbrand, Instrumentenausfall, Orientierungsverlust nachts
Ort Atlantischer Ozean vor Peggys Cove
Getötete 229
Verletzte 0
Flugzeug
Flugzeugtyp MD-11
Fluggesellschaft Swissair (SR)
Kennzeichen HB-IWF
Passagiere 215
Besatzung 14
Überlebende 0

Am 2. September 1998 (3. September nach UTC) stürzt eine McDonnell Douglas MD-11 der Swissair auf ihrem Flug von New York (John F. Kennedy International Airport) nach Genf (Flughafen Genf) vor Peggys Cove, Nova Scotia (Kanada) ins Meer. Alle 215 Passagiere und 14 Besatzungsmitglieder kamen beim Absturz ums Leben. Es war das schwerste Flugunglück in der Geschichte der Swissair und der verlustreichste Absturz einer MD-11.

Inhaltsverzeichnis

Flugverlauf

Alle Zeiten nach UTC

00:18 (20:18 Ortszeit) Swissair Flug SR 111 startet planmäßig vom Flughafen John F. Kennedy (JFK) in New York, USA nach Genf. Neben den beiden Piloten sind 215 Passagiere und 12 Flugbegleiter an Bord.

00:58 SR 111 erreicht ohne Zwischenfälle ihre Reiseflughöhe von 33'000 Fuß.

01:10:38 Die Piloten bemerken einen ungewöhnlichen Geruch im Cockpit und machen sich auf die Suche nach der Ursache. Nach kurzem Gespräch führen sie ihn auf die Klimaanlage zurück („Air conditioning, is it?“ „Yes“)

01:13:14 Rauch im Cockpit

01:13:33 Die Piloten besprechen mögliche Ausweichflughäfen

01:13:53 Kommentar des Kapitäns: „Das sieht nicht gut aus hier oben“ („That's not doing well at all up there.“)

01:14:15 SR 111 sendet Pan-pan (ein Funkruf mit hoher Priorität) an das zuständige Luftfahrt-Kontrollzentrum in Moncton, Kanada. Die MD-11 befindet sich zu dem Zeitpunkt 66 Seemeilen südwestlich des Halifax International Airport von Halifax, Kanada. Der Pilot meldet Rauch im Cockpit und erbittet die Freigabe zur Landung auf dem nächstmöglichen Flughafen. Er schlägt Boston, Massachusetts vor, das zu diesem Zeitpunkt 300 Seemeilen entfernt liegt. SR 111 erhält aus Moncton die Freigabe nach Boston und bekommt eine Flughöhe von 31'000 Fuß zugewiesen.

01:15:06 Die Flugverkehrskontrolle schlägt den Piloten vor, Halifax anzufliegen. Halifax befindet sich 56 Seemeilen nordöstlich. Die Crew akzeptiert und erhält die Freigabe. Beide Piloten ziehen ihre Sauerstoffmasken an.

01:16:34 Die Flugverkehrskontrolle gibt die Freigabe für den Sinkflug auf 10'000 Fuß, und erkundigt sich nach der Anzahl der Passagiere und dem noch vorhandenen Treibstoff an Bord, um die Daten nach Halifax weiterzugeben.

01:17:19 Die MD-11 sinkt mit 4000 Fuß pro Minute und voll ausgefahrenen Luftbremsen

01:18:17 SR 111 wird gebeten, Kontakt zur Bodenkontrolle in Moncton aufzunehmen. SR 111 wechselt unverzüglich die Funkfrequenz und meldet sich an. Die Flughöhe beträgt jetzt 25'400 Fuß, Kurs 050 Richtung Halifax. Die Bodenkontrolle in Moncton erteilt die Freigabe zum Sinkflug auf 3000 Fuß. Die Crew bittet um 8000 Fuß, bis die Kabinenbesatzung bereit zur Landung ist. Das wird bestätigt.

01:19:28 Die Flugverkehrskontrolle gibt die Anweisung an SR 111, auf Kurs 030 für einen Anflug auf Landebahn 06 zu drehen. SR 111 befindet sich jetzt 30 Seemeilen vor der Landebahn in Halifax. Das Flugzeug sinkt durch 21'000 Fuß, und die Crew teilt mit, dass die verbleibenden 30 Seemeilen für den Sinkflug nicht ausreichen. Die Flugsicherung weist sie deshalb an, auf Kurs 360 zu drehen, um in einer Schleife Höhe verlieren zu können.

01:20:48 Die Piloten beschließen, vor der Landung Treibstoff abzulassen.

01:21:20 Die Flugverkehrskontrolle fragt ein zweites Mal nach Passagierzahl und Treibstoff an Bord. Die Crew meldet, dass sich 230 Tonnen Treibstoff an Bord befinden (was nicht korrekt ist, denn 230 Tonnen ist das Gesamtgewicht des Flugzeugs).

01:22:01 SR 111 dreht nach Südsüdwest auf Kurs 200, um über dem Meer Treibstoff abzulassen. Das Flugzeug ist jetzt 25 Seemeilen von Halifax entfernt.

01:22:01 Der Kopilot reduziert die Sinkrate und fährt die Luftbremsen ein. Das Flugzeug kommt zwischen 10'150 und 10'300 Fuß in den Horizontalflug.

01:23:30 Der Fluglotse in Moncton nennt 180 als neuen Steuerkurs und informiert die Crew, dass die Küste noch 15 Seemeilen entfernt ist. Der Flughafen befindet sich zu diesem Zeitpunkt in 34 Seemeilen Entfernung.

01:24:01 Der Kopilot bittet den Fluglotsen um das Kommando zum Treibstoff ablassen.

01:24:09 Der Autopilot an Bord der MD-11 schaltet sich ab. Ein Warnton ertönt im Cockpit.

01:24:25 Der Kopilot informiert Moncton, dass er jetzt manuell fliegt und bittet um ein Höhenfenster von 9000 bis 11'000 Fuß. Der Fluglotse gestattet SR 111 eine Flughöhe zwischen 5000 und 12'000 Fuß.

01:24:42 Beide Piloten melden gleichzeitig einen Notfall („Emergency Call“, höchste Priorität, das heißt unmittelbare Gefahr für Leib und Leben). Die Flugverkehrskontrolle bestätigt den Empfang.

01:24:46 Die Kabinencrew der MD-11 informiert den Kapitän über einen Stromausfall im Passagierabteil.

01:24:53 SR 111 teilt mit, dass sie mit dem Treibstoffablassen beginnen und danach unverzüglich landen wird („we have to land immediate…“)

01:24:54 Der Flugdatenschreiber protokolliert den Ausfall des Gierdämpfers.

01:25:02 Die Besatzung deklariert erneut einen Notfall, den die Flugsicherung bestätigt.

Zwischen 01:25:06 und 01:25:14 fallen nacheinander alle wichtigen Instrumente im Cockpit aus.

01:25:12 Die Aufzeichnung des Flugdatenschreibers bricht ab.

01:25:16 Die Flugsicherung gibt die Erlaubnis zum Ablassen von Treibstoff. SR 111 antwortet nicht.

01:25:40 Die Flugsicherung wiederholt die Erlaubnis zum Treibstoffablassen. Keine Antwort.

01:25:46 Die Bodenkontrolle in Moncton empfängt unverständliche Gesprächsfetzen (vermutlich auf Schweizerdeutsch), die wahrscheinlich von Flug SR 111 stammen.

ca. 01:30 In der Gegend von St. Margaret's Bay, Nova Scotia wird ein großes Flugzeug im Tiefflug beobachtet. Die Triebwerke sind deutlich zu hören.

01:31:18 Die MD-11 stürzt ins Meer. Augenzeugen berichten von einem lauten Knall. Seismographen zeichnen um diese Uhrzeit eine Erschütterung auf.

ca. 02.30 Die ersten Rettungskräfte treffen ein, sie finden nur Leichen und Trümmer von SR111

Fakten

Beim Unglück kamen alle 215 Passagiere und 14 Besatzungsmitglieder ums Leben. Das Flugzeug wurde durch den Aufprall komplett zerstört; die meisten Trümmer sanken auf den Meeresboden.

Die Piloten

Der verantwortliche Flugzeugführer (Flugkapitän) war 49 Jahre alt und hatte zum Zeitpunkt des Absturzes 10.800 Flugstunden, davon 900 auf der MD-11. Er war seit 1971 bei der Swissair, seit 1983 als Verantwortlicher Flugzeugführer. 1994 wurde er Ausbilder für Airbus- und später für MD-11-Piloten. Im Verlauf seiner Dienstzeit war es noch nie zu Zwischenfällen gekommen. Der erste Offizier (Kopilot) war 36 Jahre alt und hatte von seinen 4.800 Flugstunden 230 auf diesem Typ verbracht. Er war seit 1991 bei der Swissair. Im Mai des Jahres hatte er die Lizenz für die MD-11 erhalten. Auch während seiner Dienstzeit gab es keine Zwischenfälle.

Beide Piloten waren zum Zeitpunkt des Unfalls in guter gesundheitlicher Verfassung. Vor dem Flug hatten sie 27 Stunden Ruhezeit.

Die Fluglotsen

Der für den oberen Luftraum zuständige Fluglotse in Moncton (Kanada) war 32 Jahre alt und hatte 9 Jahre Berufserfahrung. Er war zum Zeitpunkt des Funkverkehrs mit SR111 seit 5 Stunden im Dienst, davor hatte er 72 Stunden frei. Um 01:18:11 Uhr UTC übergab er den Flug an die Bodenkontrolle, die den Anflug auf Halifax begleiten sollte. Der dortige Fluglotse war 51 Jahre alt und seit 26 Jahren in Moncton tätig. Zum Zeitpunkt des Ereignisses war er seit 8 Stunden im Dienst, davor hatte er 16 Stunden Freizeit.

Beide Lotsen besaßen alle erforderlichen Qualifikationen. Das Luftverkehrsaufkommen war zur Zeit des Absturzes gering.

Das Flugzeug

  • Hersteller: McDonnell Douglas Corporation
  • Typ: MD-11
  • Antrieb: 3x Pratt & Whitney 4462
  • Baujahr: 1991
  • Seriennummer: 48448
  • Registrierung: HB-IWF
  • Flugstunden: 36'041
  • Bestuhlung: 180/49/12

Flugunfalluntersuchung

Die Untersuchung des Unglücks dauerte über vier Jahre und kostete 39 Millionen Dollar. Zeitweise waren mehr als 4000 Menschen mit der Bergung beschäftigt. Beteiligt waren neben der federführenden kanadischen Transportsicherheitsbehörde TSB (Transportation Safety Board of Canada) Vertreter der amerikanischen und Schweizer Flugsicherung und der Swissair sowie die Firmen Boeing (als Rechtsnachfolger von McDonnell Douglas) und der Triebwerkhersteller Pratt & Whitney, außerdem Pilotenvereinigungen und Versicherungen.

Die MD-11 wurde beim Aufprall auf die Wasseroberfläche in zig-tausend Teile zerrissen. Die meisten sanken auf den Meeresgrund in etwa 55 Meter Tiefe. Das unterseeische Trümmerfeld war 125 Meter lang und 95 Meter breit. 126,5 Tonnen Trümmer wurden geborgen, das entspricht 98 % der Flugzeugmasse. Die Bergung der Wrackteile dauerte 15 Monate. Im Dezember 1999 wurden mit Hilfe eines holländischen Saugbaggers die letzten Kleinteile vom Meeresboden geholt.

Am 27. März 2003 legte die TSB in Halifax den abschließenden Unfallbericht vor. Dieser sagte aus, dass wahrscheinlich ein Kurzschluss – ausgelöst durch die gebrochene Isolierung eines Kupferkabels hinter der oberen Cockpitverkleidung – die benachbarte Thermoschallisolation entzündet hatte. Das betreffende Kabel versorgte das bordeigene Unterhaltungssystem IFEN (In-Flight Entertainment Network) mit Strom. Über das IFEN konnten die Gäste der Ersten Klasse an ihren Plätzen Videos schauen oder Computerspiele spielen.

Der Untersuchungsbericht stellte fest, dass die MPET-Beschichtung des im Flugzeug verbauten Dämmmaterials und andere Teile nicht genügend feuerfest waren. Deshalb konnte sich der Brand zunächst unbemerkt ausbreiten. Dann zerstörte er die Zuleitungen wichtiger Cockpitinstrumente, so dass die Piloten in der Dunkelheit über dem Meer die Orientierung verloren. 6 Minuten vor dem Absturz zerschmorte auch die Datenleitung zum Flugdatenschreiber im Heck, was die Rekonstruktion des Unglücks zusätzlich erschwerte.

Als Resultat aus dem Unglück sprach die TSB 23 Sicherheitsempfehlungen aus. Sie empfahl neue Standards für Materialtests auf Feuerfestigkeit, außerdem den Einsatz von Feuermeldern in Flugzeugcockpits und die Installation von Videokameras in Hohlräumen. Außerdem sollte Flugpersonal besser für die Brandbekämpfung trainiert werden.

Am 25. Dezember 2003 hat das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig als Konsequenz aus der Katastrophe den Austausch aller MPET-beschichteten Isolationen für Flugzeuge in Deutschland angeordnet.

Siehe auch

Weblinks


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