Symbiose (Psychologie)

Symbiose (Psychologie)

Symbiose (griech. syn/sym, zusammen; bios, Leben) in der Psychologie beschreibt bestimmte Formen von Abhängigkeit beim Menschen.

Inhaltsverzeichnis

Mutter-Kind-Beziehung in der Psychoanalyse

Die Psychoanalyse betrachtete die Symbiose zwischen Mutter und Kind als eine normale Entwicklungsphase.

Im Jahr 1945 beschreibt der österreichisch-amerikanische Psychoanalytiker und Säuglingsforscher René Arpad Spitz[1] die Symbiose in der Mutter-Kind-Beziehung, ähnlich später auch z. B. Margaret Mahler. Sie definiert den Beginn der symbiotischen Phase etwa im zweiten Lebensmonat, innerhalb der oralen Phase. In dieser Zeit ist das Kind körperlich und seelisch von der Mutter abhängig. Es erlebt sich noch als mit der Welt verbunden. Es kann noch nicht zwischen Innen und Außen unterscheiden, zwischen sich und Gegenständen, zwischen sich und der Mutter. Es erlebt die Mutter noch als Teil seiner Person, sich als untrennbare, symbiotische Einheit mit ihr.

Die Mutter muss sich in die Bedürfnisse des Kindes einfühlen, um für deren Befriedigung sorgen zu können, da sie dem Kind selbst noch nicht bewusst sind. Steht die Mutter dem Kind in der symbiotischen Phase angemessen zur Verfügung, kann es das grundlegende Sicherheitsgefühl und Urvertrauen entwickeln. Diese Beziehung zwischen Mutter und Kind bildet die Grundlage für spätere Beziehungen.

Die symbiotische Phase löst sich bei gelungener Entwicklung im 5. bis 6. Monat. Das Kind tritt in die anschließende Phase der Loslösung und Individuation/Selbstwerdung ein, um zu einem eigenen, von der Mutter abgetrennten Individuum zu werden.

In der neueren Literatur wird eine Symbiose eher als Abweichung von einer normalen Entwicklung einer Mutter-Kind-Beziehung betrachtet. Die Ergebnisse der Säuglingsforschung, insbesondere von Daniel N. Stern zeigen, dass sich Säuglinge schon ab sehr früh als selbstständige und von der Mutter getrennte Wesen erleben können.[2]

Symbiotische Beziehungen bei Erwachsenen

Eine Symbiose in Partner-Beziehungen zwischen Erwachsenen besteht bei krankhafter Abhängigkeit eines oder beider Partner. Hier ist die frühkindliche Abhängigkeit von der Mutter nicht in einem gesunden Entwicklungsprozess aufgelöst worden, sondern besteht weiterhin oder wird auf den Partner oder andere wichtige Bezugspersonen übertragen. Als Sucht kann sich dies in Form von Beziehungssucht, Co-Abhängigkeit bis hin zur Hörigkeit äußern.[3]

Einzelnachweise

  1. René A. Spitz, W. Godfrey Cobliner: Vom Säugling zum Kleinkind. Naturgeschichte der Mutter-Kind-Beziehungen im ersten Lebensjahr. Auflage: unveränd. N.-A., Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger; Stuttgart 2005, ISBN 360891823X (englische Erstausgabe: The First Year of Life, 1965). Orignalstudie veröffentlicht unter Hospitalism: An Inquiry into the Genesis of Psychiatric Conditions in Early Childhood, in The Psychoanalytic Study of the Child, Bd. 1 (1945), und Hospitalism: A Follow-Up Report, in The Psychoanalytic Study of the Child, Bd. 2 (1946)
  2. Martin Dornes: Der kompetente Säugling. Die präverbale Entwicklung des Menschen. Fischer, Frankfurt a. M. 1993, ISBN 978-3-5961-1263-0
  3. Ambros Wehrli: Verhängnisvolle Abhängigkeiten in Beziehungen. 1. Auflage. Books on Demand GmbH, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8334-8658-6

siehe auch

Symbiose in der Biologie

Literatur

  • Margaret S. Mahler, Fred Pine, Anni Bergman: Die psychische Geburt des Menschen. Symbiose und Individuation. Fischer, Frankfurt 1999, ISBN 978-3596267316
  • Margaret S. Mahler, Hildegard Weller (Übersetzer): Symbiose und Individuation: Psychosen im frühen Kindesalter. 7. Auflage. Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart 1998, ISBN 3608919619
  • Johanna J. Danis: Symbiose. Ed. Psychosymbolik, München 1995, ISBN 978-3-925350-65-8

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