Sächsischer Genitiv

Sächsischer Genitiv

Der (angel-)sächsische Genitiv bezeichnet ein grammatikalisches Phänomen in der allgemeinen, bzw. anglistischen Sprachwissenschaft. Er bezeichnet eine Genitivkonstruktion, bei der das regierende Element dem regierten vorangeht (siehe Rektion).

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Der Begriff stammt aus der Anglistik. Im Englischen gibt es hauptsächlich zwei Möglichkeiten, ein Dependenz-Verhältnis zwischen zwei nominalen Phrasen (Genitiv) zu formen, zum einen die Variante mit Genitiv-s und zum anderen die Variante mit of:

Peter's car
car of peter

Während letztere Variante unter dem Einfluss der romanischen Sprachen ins Englische entlehnt wurde, wird angenommen, dass es sich bei der Genitiv-s-Variante um ein angelsächsisches Überbleibsel handelt. Daher hat sich für diese Genitivvariante mit s der Begriff (angel-)sächsischer Genitiv eingebürgert.

In vielen deutschsprachigen nicht-wissenschaftlichen Publikationen wird der Begriff des sächsischen Genitivs auf die fälschliche Schreibung dieser grammatikalischen Konstruktion mit Apostroph beschränkt.[1][2]

linguistische Besonderheiten

Kennzeichnend für den sächsischen Genitiv ist, dass das regierte Element stets definit ist: im Satz Peters Auto/Peter's car ist ein ganz bestimmtes Auto (nämlich das von Peter), die Lesart *Peters (irgendein) Auto ist nicht möglich. Bei anderen Genitivvarianten (z.B. das/ein Auto Peters, the/a car of peter) hingegen wären beide Lesarten möglich. Zur Unterscheidung ist hier, anders als im sächsischen Genitiv, ein Artikel im regierten Element nötig.

In der englischen Sprache wird der sächsische Gentitiv morphophonologisch durch ein Klitikum markiert, welches sich rechts an die gesamte Regensphrase anhängt[3] (Phrasengrenzen im Beispiel werden durch eckige Klammern gekennzeichnet):

[[Peter]'s car] (Peters Auto)
[[The Prime Minister of the United Kingdom]'s office] (Das Büro des Premierministers des Vereinigten Königreichs)
[[The police man who hit the demonstrator]'s car] (Das Auto des Polizisten, der den Demonstranten geschlagen hat)

Im letzten Beispiel ist die Bedeutung nicht eindeutig, wenn die Phrasengrenzen nicht bekannt sind: Der Polizist, der das Auto des Demonstranten geschlagen hat wäre dann ebenfalls möglich.

Orthographie

In der englischen Sprache wird der sächsische Genitiv durch apostrophiertes s am Ende der regierenden Phrase geschrieben:

Peter's car.

Im Deutschen war die Schreibung mit Apostroph im 19. Jahrhundert noch die vorherrschende Form. Der Duden missbilligte sie zunächst nur: Bei Genitiven sei es „nicht erforderlich“, einen Apostroph zu setzen. Dies wurde jedoch in der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1901 abgeschafft – die Schreibung des angelsächsischen Genitivs mit Apostroph war damit generell als falsch zu werten. Dies wurde jedoch nicht vollständig in die (schriftliche) Alltagssprache übernommen; noch in den 1920ern war die apostrophierte Schreibweise die gängige Wahl vieler Unternehmen (Meier’s Weltreisen, Hütter’s neue Wohnwelt etc., vgl. auch Beck’s, Brehm’s), welche im Nachhinein umfirmierten. Diese Verwendung des Apostrophs wird teils pejorativ, teils scherzhaft als Apostrophitis bezeichnet. Seit der Rechtschreibreform von 1996 ist sie dann wieder zulässig, wenn sie dazu dient, die Genitivendung deutlich von Eigennamen abzugrenzen, von denen es eine Version ohne und eine mit -s gibt (Andrea B. betreibt Andrea's Blumenecke, Andreas C. betreibt "Andreas' Werkzeugkiste").

Literatur

Einzelnachweise

  1. z.B. in: Jochen Bölsche: Überall Fliegendreck. In: Der Spiegel. 26, (2000). (online), Stand: 17. Januar 2011
  2. Christoph Seidler: Anti-Apostrophismus: Was soll da's? In: Spiegel online. 26. Juli 2001. (online)
  3. Alan Scott, David Denison und Kersti Börjars: Is the English possessive ’s truly a right edge phenomenon? Handout der ICLCE2, Toulouse am 2. Juli 2007 (pdf, englisch)

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