Teilmantelgeschoss

Teilmantelgeschoss
1: Bleikern
2: Runder oder spitzer Geschosskopf
3: Tombakplattierter Stahlmantel
Jagdpatrone

Ein Teilmantelgeschoss ist ein Projektil, bei dem das Geschossmaterial nicht vollständig von einem Mantelmaterial umhüllt ist, sondern im Bereich der Geschossspitze freiliegt, was nach dem Eindringen in ein Ziel zu einer gewünschten Deformierung des Projektils führt.

Inhaltsverzeichnis

Wirkungsweise und Verwendung

Die Geschosse moderner Waffen bestehen in der Regel aus relativ weichem Blei, das von einem Mantel aus einem relativ harten Material wie Kupfer oder einer Kupferlegierung wie Tombak umhüllt ist. Durch das Blei erhält das Geschoss die für seine ballistische Leistung wichtige hohe Dichte, und durch den harten Mantel kann es den Beanspruchungen beim Abfeuern mittels moderner rauchschwacher Pulver widerstehen. Der Geschossmantel bewahrt den Gewehrlauf dabei vor Verbleiung und erlaubt höhere Geschossgeschwindigkeiten, da das Geschoss durch die härtere Außenschicht auch bei hoher Geschwindigkeit noch den Zügen und Feldern des Gewehrlaufs folgen kann, durch die es seinen Drall erhält.

Teilmantelgeschosse von Federal Cartridge
Abbildung eines aufgepilzten Geschosses

Bei Teilmantelgeschossen ist der Bleikern an der Spitze nicht von Mantelmaterial umschlossen, so dass das weiche Blei freiliegt. Beim Auftreffen auf ein weiches Ziel wird die dadurch weniger stabile Spitze des Geschosses durch den hohen Druck beim Aufschlag und beim Durchdringen des Ziels verformt. Je nach Geschwindigkeit und Konstruktion des Geschosses wird die Geschossspitze dabei pilzförmig deformiert (Aufpilzen) oder das Geschoss zerlegt sich teilweise oder vollständig in kleinere Fragmente. Das Geschoss kann dadurch seine Energie wesentlich effektiver an das Zielmedium abgeben als ein Vollmantelgeschoss, hat aber eine geringere Durchschlagsleistung. Man unterscheidet je nach Ausformung der Geschossspitze verschiedene Projektile: „Soft Point“ für konvexe Spitzen, „Flat Point“ für abgeflachte Spitzen, „Hollow Point“ für konkave Spitzen.

Bei der Jagd werden größtenteils Teilmantelgeschosse verwendet, da diese bei waidgerechtem Schuss durch die effektive Energieabgabe im Wildkörper zuverlässiger zum sofortigen Tod des beschossenen Wildes führen als Vollmantelgeschosse. Für die Jagd auf Großwild (Elefanten, Büffel) werden wegen der höheren benötigten Durchschlagskraft aber auch teilweise Vollmantelgeschosse bzw. massive Kupfer- oder Messinggeschosse verwendet. Für die Jagd auf pelzliefernde Tiere werden ebenfalls Vollmantelgeschosse bevorzugt, da Teilmantelgeschosse bei einem Durchschuss wegen der großen Austrittsöffnung zu viel Pelz zerstören würden.

Die Verwendung von Deformationsgeschossen in Kriegen ist durch die Haager Landkriegsordnung verboten. Sie fallen unter das Verbot von „Waffen, Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind, unnötige Leiden zu verursachen“ in Art. 23 lit. e der Anlage zur Haager Landkriegsordnung, weil sie unter Kriegsbedingungen wegen ihrer Deformations- und Zerlegewirkung nur sehr schlecht zu behandelnde Verletzungen verursachen und damit übermäßiges Leid hervorrufen.

Ziviler Einsatz bei Behörden

Außerhalb von Kriegen, zum Beispiel zur Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung, werden spezielle Deformationsgeschosse aus Kupfer oder Messing von Sicherheitsbehörden vieler Staaten eingesetzt. Diese Geschosse besitzen oft Sollbruchstellen oder Hohlräume, um trotz der harten Materialien ein Aufpilzen im Ziel zu erreichen, ohne dass das Geschoss zerlegt wird. Die Gründe für die Verwendung solcher Geschosse liegen in der größeren Mannstoppwirkung und dem verminderten Risiko von Durchschüssen und Querschlägern, die Unbeteiligte verletzen oder Bordwände von Flugzeugen durchschlagen könnten. Viele dieser Geschosstypen enthalten aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes kein Blei.

In Deutschland wurde 1999 durch die Innenministerkonferenz der Länder die Entwicklung eines Deformationgeschosses für den polizeilichen Einsatz beauftragt. Vorangegangen war eine seit den frühen 1970er Jahren andauernde Kontroverse um Deformationsgeschosse, wobei auch auf die Landkriegsordnung verwiesen wurde, deren Geltung für Bundesgrenzschutz und Bereitschaftspolizei strittig war. Erst schwere Zwischenfälle als Folge des untauglichen zielballistischen Verhaltens der 9-mm-Vollmantelgeschosse führten zu einer Neubewertung des zivilen Einsatzes von Deformationsgeschossen.[1] [2]

In Deutschland benutzen einige Bundesländer seitdem neben der herkömmlichen Munition eine Polizei-Einsatz-Patrone. Es sind in Deutschland mehrere Produkte zugelassen. Diese Geschosse sind auf größtmögliche Stoppwirkung ausgelegt. Nach dem Aufprall deformieren sie bis zu dem 1,3-fachen ihres ursprünglichen 9-mm-Kalibers.[3] Ihre wundballistische Wirkung ist auf Grund der viel geringeren Mündungsenergie, des mit moderner Technik entwickelten kontrollierten Verhaltens in Weichteilen und der garantierten kompakten Masse nicht mit der Wirkung von Dum-Dum-Geschossen oder jagdlicher Munition zu vergleichen.

Dum-Dum-Geschoss

Der umgangssprachlich oft benutzte Name Dum-Dum-Geschoss leitet sich ursprünglich vom Namen der Munitionsfabrik in Dum Dum im Norden von Kalkutta in Indien ab, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die britischen Kolonialtruppen eine Gewehrpatrone mit Teilmantelgeschoss, bekannt als „Cartrige, S.A., Ball, .303-Inch Mark II C.“, fertigte.
Des Weiteren wurde offiziell “Soft Point”-(SP-)Geschoss als Mark III 1897 im Woolwich-Arsenal entwickelt und zum Einsatz angenommen. Das ,verbesserte‘ Geschoss Mark IV wurde 1897 eingeführt. Schon während des Mahdi-Aufstands 1889 im Sudan wurden die Geschossspitzen der damals verwendeten Patrone „Cartrige, S.A., Ball, .303-Inch Mark II C.“ durch die britischen Soldaten abgefeilt, so dass der Bleikern freigelegt wurde. In den Munitionsfabriken des britischen Mutterlandes wurde hingegen solche Munition nicht gefertigt.

Später wurden behelfsmäßig umgewandelte Vollmantelprojektile, bei denen die Spitze des Geschossmantels abgefeilt wurde, als Dum-Dum-Geschoss bezeichnet. Diese Modifikation führt zu einer starken, unkontrollierten Verformung bis hin zur Zerlegung des Geschoßkörpers, sobald er mit seiner großen Geschwindigkeit in Körpergewebe eintritt, und nach Eintreten in den Körper zu schweren Verletzungen bei bereits einer einzigen Wunde (z. B. unverhältnismäßig großer Blutverlust, große Austrittswunden). Zudem machen die vielen Splitter des Bleikerns eine wirksame Wundversorgung sehr schwierig. Außerdem besteht bei diesen nachträglichen Modifikationen auch für den Schützen das Risiko, dass der Bleikern Teile des Mantels „abstreift“, die dann im Lauf zurückbleiben. Betroffen von diesem Mangel waren Mark-III- und Mark-IV-Geschosse (Hohlspitzgeschoss). Es wurde deshalb das Mark-V-Geschoss entwickelt, das diese Probleme nicht hatte. Die bereits hergestellten Mark-III- und Mark-IV-Geschosse wurden an Sportschützen verkauft, die Zeit hatten, nach jedem Schuss durch den Lauf zu sehen.

Dum-Dum-Geschosse unterscheiden sich von moderneren Deformationsgeschossen – beide gelten für die Verwendung durch Landstreitkräfte international als geächtet – durch die bei ersteren eintretende Zerlegung in mehrere Splitter.
Gewehrschüsse auf kurze Entfernung können fälschlicherweise als durch Dum-Dum-Geschosse verursacht eingeordnet werden, da sie zu ähnlichen Verletzungen führen können.
Eine definitive Beurteilung, ob Dum-Dum-Munition in einem Konflikt eingesetzt wurde, benötigt eine ballistische Abklärung durch Experten. Organisationen wie das IKRK sind in der Lage, solche Untersuchungen vorzunehmen, um Verstöße gegen das Humanitäre Völkerrecht festzustellen.

Verschiedene Typen von Deformationsgeschossen

Siehe auch

Literatur

  • Beat Kneubuehl: Geschosse. Band 1: Ballistik, Treffsicherheit, Wirkungsweise. 2. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-7276-7119-X.
  • Beat Kneubuehl: Geschosse. Band 2: Ballistik, Wirksamkeit, Messtechnik. Motorbuch Verlag u. a., Stuttgart u. a. 2004, ISBN 3-613-30501-1.
  • Beat Kneubuehl (Hrsg.), Robin Coupland, Markus Rothschild, Michael Thali: Wundballistik. Grundlagen und Anwendungen. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg, 2008, ISBN 978-3-540-79008-2.
  • Manfred R. Rosenberger: Waffen und Einsatzmunition der Polizei. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-613-02246-X.
  • David Harding (Hrsg.): Waffen-Enzyklopädie. Vom Faustkeil bis zum Cruise Missile. 2. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3-613-01488-2.

Einzelnachweise

  1. David Th. Schiller, Siegfried Schwarz: Aus traurigem Anlass, Visier, Das internationale Waffenmagazin, Paul Parey Zeitschriftenverlag GmbH, 01/1999 S. 40 ff
  2. Christopher Hocke: Auf eine harte Probe gestellt, Visier, Das internationale Waffenmagazin, Vogt-Schildt Deutschland GmbH, 05/2008 S. 128
  3. Auszug aus „Deutsche Polizei“, 6/2001 - Quelle: www.gdp.de (pdf-Datei)

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