- The Great Transformation
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Als Great Transformation bezeichnet man den Wandel der Gesellschaftsordnung im Zuge der Industrialisierung, die im 19. und 20. Jahrhundert zu tief greifenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen führt. Der Begriff leitet sich aus dem 1944 veröffentlichten Werk The Great Transformation des Ökonomen Karl Polanyi ab. Die beiden herausstechenden Veränderungen in der Phase der Great Transformation waren nach Polanyi die Herausbildung von Marktwirtschaften und von Nationalstaaten. Er beobachtete zwischen beiden Phänomenen starke Wechselwirkungen.
Verselbständigung der Ökonomie
Polanyi bezeichnete die zunehmende Marktorientierung, zu der es im Zuge der Industrialisierung kam, als eine Verselbständigung der Wirtschaft. Das traditionelle feudale und ständische System musste sich demnach in kürzester Zeit an die Folgen der Industrialisierung anpassen. Darin erkannte Polanyi den Wandel von der Agrargesellschaft mit dem Motiv des Lebensunterhaltes und den ständischen Kollektiven hin zu einer Marktgesellschaft, in der das individuelle Streben nach Gewinn und einer Maximierung des Eigennutzens dominierten. Gesamtgesellschaftliche Umbrüche erklärte Polanyi vor allem durch die Einführungen freier Märkte für Arbeit, Grund und Boden und Geld.
Den Ausgangspunkt der Great Transformation sah Polanyi im Jahre 1834, als die englische Regierung das Speenhamland-Gesetz abschaffte. Nachdem man bereits parallel zur Einführung des Gesetzes 1794 die Freizügigkeit der Einwohner gewährte, war dem freien Arbeitsmarkt für die aufstrebende Industrie der Weg geebnet; Arbeiter konnten sich innerhalb des Landes frei bewegen, und der Lohnmechanismus war nicht mehr durch die Zahlung von Unterstützungsgeldern verzerrt. Der allgegenwärtige Hunger und Mangel führten zu ausreichenden Anreizen für die ehemaligen Kleinbauern und Landarbeiter, in die Fabriken zu wechseln. Polanyi bewertete dies als die Einführung eines funktionierenden Arbeitsmarkts.
Daneben beobachtete Polanyi auch die Entstehung eines Marktes für Grund und Boden, der mit einer zunehmenden Einfriedung von Grundstücken einherging.
Als auch der Goldstandard als fester Umrechnungsmaßstab der internationalen Währungen Anfang der 1930er Jahre schrittweise aufgegeben wurde, vollendete sich für Polanyi die Transformation mit der Einrichtung eines freien Geldmarktes.
Mit der „Warenfiktion“ dieser drei Produktionsfaktoren der Volkswirtschaft entstand die zerstörerische Wirkung der Great Transformation, als „… Transformation der natürlichen und menschlichen Substanz der Gesellschaft in Waren“.
Ein derartiger immer ausufernder Materialismus in einer Marktgesellschaft läuft nach Polanyi dem Wesen der Gesellschaft entgegen, und bildet somit eine existenzielle Bedrohung. Die zerstörerische Macht dieser Entwicklung zeige sich dabei nicht primär im materiellen Mangel oder in den elenden Arbeitsbedingungen dieser Zeit.
Herausbildung von Nationalstaaten
Wirtschaftliche Interessen förderten nach Polanyi die Herausbildung von Nationalstaaten als homogener Binnenmärkte und veränderten die politische Ordnung, wie Polanyi am Beispiel Großbritanniens aufführt.
Er begründete dies mit dem Bedarf der Volkswirtschaften an einem starken, modernen Staat, da nur dieser die notwendigen Reformen in den Sozialstrukturen umsetzen könne, um die gravierenden sozialen Auswirkungen des Kapitalismus abzuschwächen.
Literatur
Karl Polanyi: The Great Transformation, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-518-27860-6
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