Binnenmarkt

Binnenmarkt

Als Binnenmarkt wird in der Volkswirtschaftslehre ein abgegrenztes Wirtschaftsgebiet bezeichnet, das durch den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitnehmern sowie eine angeglichene Rechtsordnung gekennzeichnet ist. Da sich dieses Wirtschaftsgebiet häufig mit den Grenzen eines Staates deckt, wird der Begriff Binnenmarkt oft als Bezeichnung für den nationalen Markt verwendet, im Gegensatz zum Welt- oder Exportmarkt.

Für einen Binnenmarkt, der durch die wirtschaftliche Integration verschiedener Staaten entstanden ist, ist auch die Bezeichnung Gemeinsamer Markt üblich. Das bekannteste Beispiel hierfür ist der Europäische Binnenmarkt, der durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft geschaffen wurde und eine der Grundlagen der Europäischen Union bildet. Diese ist zugleich der weltweit größte Binnenmarkt, gefolgt von den USA, China, Indien und Japan.

Inhaltsverzeichnis

Binnenmarkt als Wirtschafts- und Rechtsbegriff

Binnenmarkt ist nicht nur eine Wirtschaftsform, sondern auch ein Rechtsbegriff. Denn ein Binnenmarkt entsteht nicht automatisch von alleine. Er ist ein hoch entwickeltes und komplexes wirtschaftliches und rechtliches Wettbewerbs- und Leistungssystem, dessen Herstellung und Funktionieren oft gegen vielfältige Widerstände von Staaten, Unternehmen und Arbeitnehmern oder Verbrauchern durchgesetzt werden müssen.[1]

Ein vollkommener Binnenmarkt setzt voraus, dass jegliche Transporthemmnisse eliminiert werden. Zum einen bezieht sich dies auf Märkte für Endgüter, deren Handel durch den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse (z. B. unterschiedliche Qualitätsnormen oder Produktionsstandards) gegenüber der Zollunion noch weiter erleichtert werden muss. Zum andern ist das wichtigste zusätzliche Element eines gemeinsamen Marktes gegenüber der Zollunion die Abschaffung jeglicher Mobilitätshemmnisse bei Arbeitskräften und Kapital. Man spricht daher von einer freien Bewegung der Produktionsfaktoren.

Was ist ein Binnenmarkt?

Ein Binnenmarkt ist ein Gebiet ohne Grenzen für alles, was sich im wirtschaftlichen Geschehen von einem Ort zu einem anderen bewegen soll, seien es verkaufte Waren, arbeitsuchende Menschen, angebotene Dienstleistungen oder das notwendige Kapital.

Das wirtschaftliche Geschehen in einem Binnenmarkt wird durch viele Gesetze, Verordnungen und Normen geregelt, z. B. über Arten und Höhe von Steuern, über die Zulassung von Lebensmitteln, über staatliche Sozialleistungen und tausenderlei mehr. Sie sind zum großen Teil verschieden von Regulierungen anderer Binnenmärkte, zum Teil sogar absichtlich entgegengerichtet, um die heimische Wirtschaft vor Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen.

Ein gemeinsamer Binnenmarkt entsteht also noch nicht, wenn zwei oder mehrere Staaten untereinander nur sämtliche Zölle aufheben und eine Freihandelszone oder eine Zollunion bilden. Auch dann bleiben ihre Grenzen unter staatlicher Kontrolle, können Güter, Dienstleistungen, Kapital und Personen nicht frei von einem Staat in den anderen gelangen, gibt es keine oder nur eingeschränkte Freizügigkeit für Arbeitnehmer, keine Niederlassungsfreiheit für Handwerker und Unternehmen. All diese Beschränkungen müssen in einem gemeinsamen Binnenmarkt aufgehoben sein.[2]

Die vier Freiheiten

Für einen Binnenmarkt müssen folgende vier Freiheiten verwirklicht sein:[3]

Freier Warenverkehr

Der freie Warenverkehr ist eine der tragenden Grundlagen des Gemeinsamen Marktes ohne Binnengrenzen. Dieser wird geschaffen durch die Zollunion und behandelt die mengenmäßigen (personenspezifischen) Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten. Hierbei handelt es sich um das Verbot der Gewährung von staatlichen Beihilfen und um das Verbot einer steuerlichen Schlechterstellung für Importwaren und das Verbot einer steuerlichen Ausfuhrbegünstigung.[4]

Freier Personenverkehr

Die Freiheit des Personenverkehrs umfasst die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, das Niederlassungsrecht der selbständigen Gewerbetreibenden, der Freiberufler und der Gesellschaften sowie die Freizügigkeit der nicht berufstätigen Personen wie Touristen, Studenten und Rentner.

Die Freiheit des Personenverkehrs wird immer noch eingeschränkt durch materielle, technische und steuerliche Schranken.

Unter materiellen Schranken versteht man dabei die Kontrollen an den Binnengrenzen, denen Personen bei der Grenzüberschreitung unterliegen.

Die technischen Schranken sind alle in den Mitgliedstaaten bestehenden Vorschriften und Regelungen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Personenverkehr, insbesondere die Niederlassungsfreiheit, einzuschränken oder zu behindern.

Mit den steuerlichen Schranken sind nicht nur die indirekten Steuern gemeint, mit denen Güter und Dienstleistungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zum Teil sehr unterschiedlich belastet werden, sondern auch die direkten Steuern, insbesondere die Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer.[5]

Freier Dienstleistungsverkehr

Der Dienstleistungsverkehr betrifft Leistungen gegen Entgelt, die nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegt, wobei es sich insbesondere um gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten handelt.

Dabei ist zwischen zwei Fällen zu unterscheiden:

Zum einen die aktive Dienstleistungsfreiheit und zum anderen die passive Dienstleistungsfreiheit. Bei der aktiven Dienstleistungsfreiheit begibt sich der Leistungserbringer vorübergehend in den Staat des Dienstleistungsempfängers. Bei der passiven Dienstleistungsfreiheit begibt sich der Dienstleistungsempfänger in das Land des Dienstleistungserbringers.[6]

Freier Kapitalverkehr

Der freie Kapitalverkehr bildet eine unerlässliche Ergänzung zur Realisierung der anderen Binnenmarkt-Maßnahmen. Der Raum ohne Binnengrenzen ist nicht denkbar ohne freien Verkehr von Kapital. Der Begriff Kapital umfasst sowohl das Sachkapital (z. B. Immobilien, Unternehmensbeteiligungen) als auch das Geldkapital (Wertpapiere, Kredite). Unter Kapitalverkehr kann man die einseitige Übertragung von Sach- und Geldkapital aus einem Mitgliedstaat in den anderen verstehen. Im Regelfall handelt es sich dabei um eine Vermögensanlage.[7]

Methoden

Grundsätzlich stehen drei Methoden zur Schaffung eines Binnenmarktes zur Verfügung.[8]

Zunächst sollen zur Errichtung des Binnenmarktes die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten angeglichen werden. Angleichung bedeutet Harmonisierung von nationalen Vorschriften. Die Angleichung bzw. Harmonisierung stellt keine Vereinheitlichung des nationalen Rechts dar. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Nur im Ausnahmefall ist es denkbar, dass eine Totalharmonisierung erforderlich ist. Dies könnten Richtlinien, Verordnungen oder Entscheidungen sein. Am geeignetsten dürften Richtlinien sein, welche das Ziel verbindlich vorgeben, die Ausgestaltung aber den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen.

Weiterhin kann im Einzelfall auch die Methode der Rechtsvereinheitlichung durch einheitliches Recht in den Mitgliedstaaten in Betracht kommen. Die hierfür am besten geeignete Maßnahme ist die Verordnung. Eine Rechtsvereinheitlichung durch eine Verordnung ist immer dann geboten, wenn die bloße Annäherung nationaler Rechtsvorschriften nicht ausreicht, um binnenmarktähnliche Verhältnisse zu schaffen.

Neben den bisher genannten Methoden kann eine weitere Methode zur Beseitigung von Schranken innerhalb der Mitgliedstaaten angewandt werden. Es handelt sich hierbei um das Anerkennungsprinzip. Dabei werden die mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die noch nicht angeglichen wurden, als den Vorschriften der anderen Mitgliedslandes gleichwertig anerkannt werden. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung beruht auf der Idee der grundsätzlichen Gleichwertigkeit von Bestimmungen zum Schutze bestimmter Rechtsgüter. Beispielsweise wurde im Europäischen Binnenmarkt durch das Cassis-de-Dijon-Urteil des Europäischen Gerichtshof das Anerkennungsprinzip allgemein etabliert, ehe mit der Einheitlichen Europäischen Akte auch die Rechtsvereinheitlichung eingeleitet wurde.

Entwicklung der Wirtschaftsräume

USA

Der Außenhandel und die globalen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Vereinigten Staaten haben sich in den 200 Jahren seit Bestehen des Landes dramatisch verändert. In der Gründerzeit konzentrierten sich Staat und Wirtschaft hauptsächlich auf die Entwicklung der Binnenwirtschaft, unabhängig davon, was im Ausland geschah. Seit der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts und dem Zweiten Weltkrieg setzte sich das Land für den Abbau von Handelsschranken und die Koordinierung des Weltwirtschaftssystems ein. Die Amerikaner sind überzeugt, dass Handel das Wirtschaftswachstum, die soziale Stabilität und die Demokratie in einzelnen Ländern sowie Wohlstand, Rechtsstaatlichkeit und Frieden in den internationalen Beziehungen fördert. Die Vereinigten Staaten haben die Handelsliberalisierung unterstützt. Sie waren maßgeblich am Abschluss des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), einem internationalen Kodex für Zoll- und Handelsregeln, beteiligt.[9]

Japan

Japan bleibt bis auf weiteres die führende Wirtschafts- und Technologiemacht Asiens und nach den USA die zweitstärkste Wirtschaftsnation der Welt. Japan erwirtschaftete 2007 gut 9% des Welteinkommens, mehr als die aufstrebenden Volkswirtschaften Chinas und Indiens zusammen. Mit einer Bevölkerung von 127,2 Mio. erwirtschaftet Japan ein Bruttosozialprodukt von 4,4 Bio. USD (2007, im Vergleich Deutschland 3,3 Bio. USD). Aufgrund der geographischen Nähe profitiert die japanische Industrie in besonderem Maße vom wirtschaftlichen Aufstieg Asiens. Japans Industrie nutzt die Märkte in China oder Südostasien nicht nur als Produktionsplattform, sondern hat dort inzwischen effiziente und zunehmend durch bilaterale Freihandelsabkommen abgesicherte Wertschöpfungsnetzwerke aufgebaut und so ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit gestärkt.[10]

China

Der schrittweise Übergang zu einer immer stärkeren marktwirtschaftlichen Orientierung hat große Wachstumskräfte in China freigesetzt. Die konsequente Wachstumspolitik hat eine Aufbruchstimmung und damit Eigendynamik geschaffen, die angesichts der Größe Chinas und seines Aufholpotentials noch lange anhalten dürften. Seit den 1980er und frühen 1990er Jahren waren die Zuwachsraten zwar etwas zurückgegangen, doch meldet die Volksrepublik in den vergangenen Jahren Wirtschaftsdaten, um die sie von den Nachbarstaaten und Konkurrenten beneidet wird: China ist inzwischen die viertgrößte Volkswirtschaft und drittgrößte Handelsnation der Welt. Trotz eines durchschnittlichen Pro-Kopf-Inlandsprodukts von über 2.500 Dollar bleibt es jedoch das größte Schwellenland wirtschaftlicher Entwicklung. China hat mittlerweile Deutschland als Exportweltmeister abgelöst.[11]

Indien

Mit 9 % Wachstum im abgelaufenen Haushaltsjahr 2007/8 (durchschnittlich 8,8 % in den letzten 5 Jahren) ist Indien die nach China weltweit am stärksten expandierende Volkswirtschaft. Bei derzeit 1,1 Mrd. Einwohnern wird es bis zur Mitte des Jahrhundert voraussichtlich nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Erde sein, sondern auch mit seinem Bruttoinlandsprodukt nach China und USA an dritter Stelle liegen.[12]

Europa

Nach Angaben der Europäischen Kommission hat der Binnenmarkt seit seiner Gründung 1993 mehrere Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen und für einen zusätzlichen Wohlstand im Wert von über 800 Milliarden Euro gesorgt. Dank der Binnenmarktvorschriften kosten Telefonate innerhalb Europas heute nur noch einen Bruchteil dessen, was sie vor zehn Jahren gekostet haben; viele Flugpreise in Europa sind deutlich gefallen, und viele neue Flugverbindungen wurden geschaffen; Haushalte und Unternehmen in ganz Europa können heute ihre Strom- und Gasversorger frei wählen.[13]

Siehe auch

Internationaler Handel

Literatur

  • Gerold Schmidt: Das Agrarrecht und die Entstehung des heutigen Verfassungsbegriffs „Binnenmarkt“. In: Agrarrecht, Zeitschrift für das gesamte Recht der Landwirtschaft, der Agrarmärkte und des ländlichen Raumes. Hiltrup b. Münster, 27. Jahrg. 1997, S. 269–277.
  • Gerold Schmidt: Die neue Subsidiaritätsprinzipregelung des Art. 72 GG in der deutschen und europäischen Wirtschaftsverfassung. In: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV), Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft. 48. Jahrg. 1995, S. 657–668.
  • Harald Zschiedrich: Binnenmarkt Europa- Einführung in die Grundlagen. Gabler Verlag, Wiesbaden 1993, ISBN 3-409-13535-9.
  • Mario Monti: Der Binnenmarkt und das Europa von morgen. Bundesanzeiger Verlag, Köln 1997, ISBN 3-88784-750-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gerold Schmidt: Das Agrarrecht und die Entstehung des heutigen Verfassungsbegriffs „Binnenmarkt“. In: Agrarrecht, Zeitschrift für das gesamte Recht der Landwirtschaft, der Agrarmärkte und des ländlichen Raumes. Hiltrup b. Münster, 27. Jahrg. 1997, S. 269–277.
  2. Was ist ein Binnenmarkt?
  3. Josef Weindl: Europäische Gemeinschaft. Oldenbourg Verlag, München 1993, S. 90.
  4. Josef Weindl: Europäische Gemeinschaft. Oldenbourg Verlag, München 1993, S. 97.
  5. Josef Weindl: Europäische Gemeinschaft. Oldenbourg Verlag, München 1993, S. 148.
  6. Josef Weindl: Europäische Gemeinschaft. Oldenbourg Verlag, München 1993, S. 185.
  7. Josef Weindl: Europäische Gemeinschaft. Oldenbourg Verlag, München 1993, S. 227.
  8. Josef Weindl: Europäische Gemeinschaft. Oldenbourg Verlag, München 1993, S. 95.
  9. US-Wirtschaft > Außenhandel.
  10. Auswärtiges Amt: Wirtschaft in Japan. Auswärtiges Amt, 1. September 2010, abgerufen am 21. März 2011.
  11. Auswärtiges Amt: Wirtschaft in China. Auswärtiges Amt, 1. Oktober 2010, abgerufen am 21. März 2011.
  12. Auswärtiges Amt: Wirtschaft in Indien. Auswärtiges Amt, 1. September 2010, abgerufen am 21. März 2011.
  13. Binnenmarkt.

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