Tiefe Operation

Tiefe Operation

Die Theorie der tiefen Operation (russisch Теория глубокой операции Teorija glubokoj operacii) war eine sowjetische Militärdoktrin, die Mitte der 1920er Jahre von Generalstabsoffizieren der Roten Armee konzipiert wurde.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Die Rote Armee verfügte während der 1920er Jahre über kein einheitliches Konzept zur operativen Kriegsführung bzw. zur Operationsplanung. Daher entstand schon kurze Zeit nach der Gründung der sowjetischen Streitkräfte eine diesbezügliche Kontroverse, die im Wesentlichen zwei Grundpositionen beinhaltete: Die Ermattungsstrategie (russisch strategija izmora) und die Vernichtungs- bzw. Niederwerfungsstrategie (russisch strategija sokrusenija). Der Hauptvertreter der ersten Richtung war der Lehrstuhlinhaber für Kriegsgeschichte an der Militärakademie „M.W. Frunse“ in Moskau, Aleksandr Svencin. Die Ermattungsstrategie sollte den Gegner nicht durch schnelle Entscheidungsschlachten besiegen, sondern ihn durch eine Kette begrenzter militärischer Aktionen über einen langen Zeitraum schwächen und zu einer Einstellung der Kampfhandlung bewegen.

Dem widersprachen die Vertreter der Vernichtungsstrategie unter Wortführung des Chefs des Generalstabes der Roten Armee, Michail Nikolajewitsch Tuchatschewski. Sie verwiesen auf die damals modernen Möglichkeiten der Operationsführung mit Panzern, Flugzeugen, Giftgas, und Langstreckenartillerie als Option einer beweglichen Gefechtsführung mit dem Ziel der Vernichtung der gegnerischen Streitkräfte.

Die dazu im Jahre 1929 verfasste Doktrin des stellvertretenden Generalstabschefs, Wladimir Kiriakowitsch Triandafillow: "Charakter der Operationen moderner Armeen" (russisch Характер операций современных армий) beinhaltete die Idee der tiefen Operation. Ausgangspunkt waren die Erfahrungen der Endphase des Ersten Weltkrieges, in dem starre Fronten keinerlei operative Handlungsspielräume mehr boten. Die Lösung wurde in einem entsprechenden Durchbruch der Verteidigungslinien des Gegners mit anschließender Wiedererlangung der Operationsfreiheit in der Tiefe des gegnerischen Raumes gesehen.

1935 wurde die Doktrin der tiefen Operation von der Roten Armee übernommen.

Inhalt

Der Ansatz Triandafillows sah einen je nach Breite und Tiefe der feindlichen Verteidigung berechneten, exakt bestimmten Angriffsablauf vor, der es erlauben sollte, den Gegner in der ganzen Tiefe seiner Stellungszone gleichzeitig zu bekämpfen. Dabei sollten verschiedene Truppenverbände gleichzeitig in unterschiedlichen, aber im Zusammenhang stehenden Angriffsoperationen geführt werden. Der erhoffte Durchbruch sollte dann durch mobile, mechanisierte Korps mit Panzern und Flugzeugen erfolgen, die im feindlichen Hinterland den Gegner an einer Neuformierung seiner Kräfte hintern sollte. Hierbei sollte vor allem die im Ersten Weltkrieg von der deutschen Armee eingeführte Stoßtrupptaktik zur Anwendung kommen.

Die Rolle des Großen Terrors

Im Zuge des Großen Terrors in der Sowjetunion der 1930er Jahre kam es zur Liquidierung bedeutender Vertreter der tiefen Operation, darunter auch Tuchatschewski. Daher wurde diese Militärdoktrin zwischen 1936 und 1939, auch im Hinblick auf die Erfahrungen der Roten Armee im Spanischen Bürgerkrieg und im finnisch-sowjetischen Winterkrieg vernachlässigt. Die Wehrmacht stellte dann während ihres Westfeldzuges im Mai/Juni 1940 die erfolgreiche Durchführbarkeit der Tiefen Operation unter Beweis.

Quellen

  • Garthoff, Raymond L.: Soviet Military Doctrine, Santa Monica 1953.
  • Habeck, Mary R.: Storm of Steel. The Development of Armor Doctrine in Germany and the Soviet Union 1919-1939, Cornell University Press, New York 2003, ISBN 978-0-8014-4074-8.
  • Harrison, Richard W.: The Russian Way of War. Operational Art 1904–1940. Univ. Pr. of Kansas, Lawrence, Kansas 2001, ISBN 978-0-7006-1074-7.
  • Simpkin, Richard E.: Deep Battle. The Brainchild of Marshal Tuchachevskii, Brassey's Defence, London 1987, ISBN 0-08-031193-8.
  • United States War Department: Handbook on U.S.S.R. Military Forces, War Department Technical Manual TM30-430, o.O. 1945.
  • Zeidler, Manfred: Reichswehr und Rote Armee 1920-1933. Wege und Stationen einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit, München 1933.

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