Todeself

Todeself

Als Todeself wird eine ukrainische Fußball-Auswahl bezeichnet, die am 9. August 1942 im Zenit-Stadion von Kiew gegen eine Flakelf der deutschen Wehrmacht antrat. Das Spiel wurde von der sowjetischen Kriegspropaganda auch als Todesspiel (ukrainisch Матч смерті/ Mattsch smerti) bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Seit dem September 1941, dem Einmarsch des Deutschen Reichs in die Sowjetunion, war Kiew von der Wehrmacht besetzt. Deportationen und Lebensmittelknappheit bestimmten das Leben in der Stadt. Das Kriegstagebuch der Wehrmacht vermerkt am 26. September 1941 den Eintrag: „Truppe und Führung haben in unbeugsamem Siegeswillen und in unerhörter Zähigkeit gegen einen sich bis zuletzt verzweifelt wehrenden Feind gefochten und außergewöhnliche körperliche und seelische Härte erneut bewiesen“.[1] Nach der Besetzung Kiews war es schon am 29. und 30. September 1941 in der Senke „Babyn Jar“ am Rande der Stadt zu einer Massenerschießung gekommen. Vorbereitet worden war die Aktion am 27. September bei einer Besprechung mit dem Stadtkommandanten von Kiew, Generalmajor Eberhard, an der Wehrmachtsoffiziere, Angehörige des SD, der Polizei und der Geheimen Feldpolizei teilgenommen hatten. Obwohl von „Evakuierung der Juden“ gesprochen wurde, wussten die Anwesenden, worum es ging: in der „Ereignismeldung UdSSR Nr. 106“ der SS vom 7. Oktober 1941 heißt es: „In Zusammenarbeit mit dem Gruppenstab und zwei Kommandos des Polizeiregiments Süd hat das Sonderkommando 4a am 29. und 30.9. 33.771 Juden exekutiert… Die Aktion selbst ist reibungslos verlaufen.“

In einer Brotfabrik in Kiew gab es die Betriebsmannschaft FC Start, in der acht Spieler von Dynamo Kiew und des FC Lokomotive untergekommen waren – offiziell durften die Vereine während des Krieges nicht mehr spielen. Zur Anhebung der Arbeitsmoral erlaubten die Besatzer im Sommer 1942 eine kleine Meisterschaft, in der der FC Start bereits erfolgreich gegen verschiedene deutsche Soldatenmannschaften gespielt und gegen eine Luftwaffenauswahl 5:1 gewonnen hatte.

Im Gegenzug setzten die Deutschen für den 9. August ein „Revanchespiel“ einer Flakelf der Luftwaffe gegen den FC Start an. Nach Angaben der sowjetischen Kriegspropaganda sollte so die Überlegenheit der Besatzer bewiesen werden.

Das Spiel

Nach sowjetischen Angaben war der Schiedsrichter ein SS-Mann, welcher der ukrainischen Mannschaft vor dem Spiel klar gemacht haben soll, dass man von ihnen erwartete, das Spiel zu verlieren. Trotz eines angeblich brutalen Spiels stand es zur Halbzeit 3:1 für den FC Start, und er gewann schließlich mit 5:3.

Nachspiel

Eine Woche nach der Niederlage der deutschen Mannschaft sollen in diesem Zusammenhang acht der ukrainische Spieler verhaftet worden sein. In einem Kiewer Gefängnis soll einer von ihnen, ein sowjetischer Geheimdienstmitarbeiter, ums Leben gekommen sein. Die anderen sollen ins KZ Syrez interniert worden sein, wo drei von ihnen ein halbes Jahr später angeblich erschossen wurden. Diese Vorfälle sowie ein möglicher Bezug zum Spiel sind ungeklärt.

Rezeption

Die tatsächlichen oder vermeintlichen Ereignisse rund um das „Todesspiel“ sind in der Ukraine bis in die Gegenwart präsent. Drei Skulpturen vor dem Stadion von Dynamo Kiew und in der Stadt erinnern an die vier Fußballer, die den Sieg mit dem Leben bezahlt haben sollen.

1962, während des Kalten Krieges, bereitete der sowjetische Regisseur Jewgeni Karelow die Geschichte in dem Spielfilm Treti taim (Russisch: Третий тайм) propagandistisch auf. Der Film wird gelegentlich noch im ukrainischen Fernsehen gesendet, etwa zum 60-jährigen Jubiläum des Kriegsendes im Mai 2005.

Auch in Hollywood wurde das Motiv der „Todeself“ in ihren Grundzügen verwendet. Der 1981 entstandene Film Flucht oder Sieg unter der Regie von John Huston verlegte die Geschichte allerdings aus der UdSSR nach Frankreich, wo eine internationale Auswahl alliierter Kriegsgefangener (gespielt u. a. von Sylvester Stallone und Pelé) gegen die deutsche Nationalmannschaft antreten sollte.

2005 produzierte Claus Bredenbrock für die ARD eine Dokumentation über das Spiel.

Staatsanwaltschaftliches Nachspiel

Auf die Veröffentlichung der Sachverhalte zum Todesspiel in der Stuttgarter Zeitung im Jahre 1973, leitete die Staatsanwaltschaft beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg Ermittlungen wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen ein. Die Stuttgarter Zeitung hatte nach den damaligen Angaben berichtet, dass vier der ukrainischen Spieler nach dem Spiel exekutiert worden seien. Die unter dem Aktenzeichen JPr 161/85 geführten Ermittlungen ergaben jedoch keine weiteren Anhaltspunkte, woraufhin das Verfahren eingestellt wurde. Laut einer Mitteilung vom 30. September 1985,

Die von der Staatsanwaltschaft in dieser Sache geführten Ermittlungen führten zu keiner Klärung des Vorfalls. Auch nach Maßgabe der von den sowjetischen Behörden erbetenen und von diesen auch geleisteten Rechtshilfe konnte weder ein Vorgang der behaupteten Art selbst noch ein – wie von der Stuttgarter Zeitung beschrieben – Sonderlager für sowjetische Kriegsgefangene noch eine Luftwaffeneinheit, die für die behauptete Ausschreibung in Betracht kommen könnte, festgestellt werden. Die sowjetischen Behörden haben keinen Zeugen für die Tat benannt. Da weitere Beweismittel nicht zur Verfügung standen, mußte das Verfahren im März 1976 eingestellt werden. Oberstaatsanwalt Beck“.

Denkmal in Kiew

In Kiew gibt es ein Denkmal, welches an den tragischen Sieg der sowjetischen Mannschaft erinnern soll.

Literatur

  • Claus Bredenbrock: Die Todeself. Kiew 1942: Fußball in einer besetzten Stadt in: Lorenz Peiffer/Dietrich Schulze-Marmeling (Hrsg.): Hakenkreuz und rundes Leder - Fußball im Nationalsozialismus, (S.504-516), Göttingen 2008
  • Andy Dougan: Dynamo: Defending the Honour of Kiev. London: Fourth Estate 2001. ISBN 1-84115-318-4

Weblinks

Quellen

  1. Kriegstagebuch des OKW, 1940 -1941 Teilband 2, S. 661

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