Totenlaterne

Totenlaterne
Fenioux, Totenlaterne neben Gruft

Die Totenlaterne (franz. Lanterne des morts) ist ein im westlichen Frankreich verbreitetes Friedhofsmonument. Die heute erhaltenen Laternen sind in der Regel aus Stein aufgeführte romanische Bauwerke, meist in Form eines hohlen, zylindrischen oder quadratischen Schaftes einer Stele, in deren Kopf mehrere Öffnungen eingelassen sind und die von einem spitzen Helm bekrönt wird. Die größeren Totenlaternen sind an ihrer Basis mit einer kleinen Tür ausgestattet, die zu einer Spindeltreppe führt, über die man das Leuchtfeuer zu seiner Versorgung erreichen kann. In kleineren Totenlaternen gibt es im unteren Bereich des Schaftes, manchmal nur über eine Leiter erreichbar, eine Öffnung, in die man das Laternenlicht einbringen und dann im Innern mit einem rollengeführten Seil hochziehen kann. Man findet Totenlaternen überwiegend auf aktuellen oder ehemaligen Begräbnisstätten und großen Nekropolen, die seit alters her sakrale Orte gewesen sind. Kenntnisse über die einstige Bedeutung der Totenlaternen und deren Herkunft sind weitgehend verloren gegangen.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Fenioux, Totenlaterne, Kopf

In den Provinzen Zentral- und Westfrankreichs ist eine so große Anzahl dieser mittelalterlichen Bauwerke erhalten, und man kann annehmen , dass sie dort einst allgemein gebräuchlich waren. Alte keltische Tradition werden vermutet, da einem in diesen Gegenden besonders konzentriert auch die aufgerichteten Menhire begegnen, häufig Beispiele für die Errichtung der Totenlaternen.

Stark verbreitet sind Totenlaternen in Frankreich in den Départements Allier (03), Charente (16), Charente-Maritime (17), Corrèze (19), Creuse (23), Dordogne (24), Indre (36), Indre-et-Loire (37), Loir-et-Cher (41), Lot (46), Puy-de-Dôme (63), Loire-Atlantique (44), Deux-Sèvres (79), Vendée (85), der von Vienne (86) und Haute-Vienne (87). Diese Départements entsprechen in etwa dem Gebiet des ehemaligen Herzogtums Aquitanien im 10. Jahrhundert. (In Klammern stehen die offiziellen Département-Kennziffern).

Auch außerhalb Frankreichs sind Totenlaternen bekannt, so in Irland und England (Beispiele: Bisley, Gloucestershire) und in diversen Ländern in Mittel- und Osteuropa, Letztere aber erheblich jünger als die französischen.

Als „moderne“ französische Nachfolger der Totenlaternen könnten die Türme auf den Kriegsgräberfeldern nach dem Ersten Weltkrieg genannt werden, und zwar in Douaumont und Dormans.

Etymologisches

Antigny, Totenlaterne

Die Wörter lanteme, fanal, phare, pharus ignea deuten etymologisch auf eine sakralen Ort, ein Bauwerk, ein Licht. Later, laterin, bedeuten im Lateinischen Ziegel, Barren, Block, Ziegelhaufen:. Φανός , im griechischen leuchtend, Fackel (großes Licht); φανής , Gott des Lichts; fanum heiliger Ort, par im Keltischen heiliger Stein; fanare das Rezitieren von Segensformeln.

Überlieferungen und vermutliche Ursprünge

Die Steinsetzungen der Megalithkulturen wurden in der Jungsteinzeit ab 4500 v. Chr. gebaut und bis 2300 v. Chr. genutzt. Gewöhnlich datiert man den Bau von Steinreihen in das Spätneolithikum,

Noch in unseren Tagen erinnert man sich bei den aufrecht stehenden Menhiren aus dieser frühen Zeit an die ihnen ehedem zugeschriebene heilende Wirkung. Beliebt ist der Vorabend der Johannisnacht, an dem sich Anhänger dieser Heilkräfte am Fuß eines Menhirs zum Schlafen legen. So soll auch der "Pierre des Érables" (Touraine) unter anderem „nächtliche Schrecken“ verhindern.

Man sollte der Tatsache Beachtung schenken, dass dieser Menhir am oberen Ende gänzlich durchbohrt worden ist, wie es auch bei anderen solchen Steinsetzungen bekannt ist. Vielleicht waren diese Durchbrüche einmal dazu bestimmt, eine Leuchte aufzunehmen; sie könnten somit als Vorläufer der späteren Totenlaternen gedeutet werden. Haben schon die neolithischen Errichter der Steine sie durchbohrt, oder entstanden die Löcher erst später?

Château Larcher, Totenlaterne

Was auch immer diese einzeln stehende Menhire gewesen waren, etwa Steine die dem Licht der Sonne geweiht waren, oder ob sie zum Schutz errichtet worden sind, um Krankheiten abzuwenden, böse Geister zu vertreiben oder vielleicht nur Eck- oder Grenzmarkierungen waren, sie waren stets mit uralten Traditionen verknüpft, über die es allerdings keine dokumentierten Nachweise gibt.

Immerhin scheinen sie, besonders in den keltischen Provinzen, heilige Monumente von gewisser Bedeutung gewesen zu sein. Sie finden sich vorwiegend an den Toren von Abteien, auf Friedhöfen und besonders am Rand von Fernstraßen und nahe von Krankenasylen.

Man kann daher einräumen, dass die auf ehemals keltischem Boden errichteten Totenlaternen die sehr alte Tradition der Menhire haben fortleben lassen, die durch das Christentum modifiziert worden ist.

Die ersten Apostel Galliens, der Bretagne, Germaniens und der skandinavischen Gegenden haben sich vor unüberwindlichen Schwierigkeiten gesehen, als sie versuchten, die Bevölkerung von gewissen „abergläubischen“ Praktiken abzubringen. Oft sahen sie sich gezwungen, diesen Praktiken, die sie nicht auslöschen konnten, einen anderen Sinn zu geben, und sie zum Nutzen der neuen Religion „umzudeuten“, anstatt das Risiko einzugehen, dass ihre Sendung durch eine absolute Verdammung dieser tief verwurzelten Traditionen scheiterte.

Saint-Uzec, christianisierter Menhir mit den Arma Christi

Typische Beispiele dafür sind die „Christianisierungen“ von Menhiren, die von der Bevölkerung seit Urzeiten verehrt worden sind. Der sehr massive Menhir von Saint-Uzec (Bretagne) wurde in seinem oberen Bereich in der Barockzeit umgestaltet. So entstand an seiner Spitze ein vollplastisches lateinisches Kreuz und direkt darunter ein flaches Relief mit christlichen Symbolen. Man kennt in Frankreich viele solche Umwidmungen. Der „christianisierte“ Menhir konnte so unbedenklich von denselben Leuten weiterverehrt werden. Auch in Deutschland gibt es eine solche Umwidmung eines „Hinkelsteins“, nämlich das „Fraubillenkreuz“ auf dem Ferschweiler Plateau in der Südeifel. Es soll vom Missionar Willibrord (658–739) aus dem fast 5000 Jahre alten Stein eigenhändig herausgemeißelt worden sein. Interessant ist die Nische inmitten der Kreuzarme, in der man sich ein „ewiges Licht“ vorstellen kann.

M. de Caumont ist der Meinung, dass im Mittelalter die Totenlaternen besonders für den Dienst an den Toten bestimmt waren, die man von weit her herbei trug, die aber nicht in die Kirche gebracht werden (eintreten) durften. Diese Meinung wird von Abbé Cousseau geteilt: „Allein die Mutterkirchen (ecciesiae matrices) besaßen uneingeschränkt alle Rechte, die den Totenkult betrafen. Das kam daher, dass derjenige, der einer Kirche als kirchlicher Körperschaft eine Stiftung zukommen ließ, seine Freigiebigkeit dadurch einschränkte, dass die Rechte des Zehnten, der Totenbestattung etc. nicht in diese Stiftung eingeschlossen waren“.

Dass die Totenlaternen für die Begräbnisbräuche auf den Friedhöfen benutzt worden sind, scheint plausibel zu sein. Aber es ist zu bezweifeln, dass man viele Meter hohe Säulen errichtet hat, um bei vollem Tageslicht angezündete Leuchten oben an ihre Spitzen angebracht hat, ohne dass jemand ihren Glanz wahrnehmen konnte, und das allein um das Kerzenlicht zu ersetzen.

Wenn diese Totenlaternen nur dazu bestimmt gewesen sein sollten, während der Bestattung das Kerzenlicht zu ersetzen, wäre es doch natürlicher gewesen, sie niedriger zu erbauen, damit das Licht von den Anwesenden leichter wahrgenommen werden konnte.

Ganz im Gegenteil, alles in den Totenlaternen scheint so eingerichtet zu sein, dass die Lampe im Kopf der Laterne von weitem und von allen Richtungen zu sehen ist.

Fraubillenkreuz, christianisierter Menhir

M. Lecointre (Archäologe in Poitiers) merkt an, „dass die hohlen Säulen, oder Leuchttürme, besonders auf Friedhöfen errichtet worden sind, die an stark frequentierten Verkehrswegen liegen oder in stark frequentierten Orten.“ Er vermutet, „dass diese Laternen dazu bestimmt waren, den Lebenden die Furcht vor den verstorbenen Seelen (revenants) und den Geistern der Finsternis zu nehmen und sie vor dem timore noctumo und dem negotio perambulante in tenebris, von denen der Psalmist spricht, zu bewahren und die Lebenden zu Gebeten für die Verstorbenen zu veranlassen." Mit den Vorstellungen, die man im 12. Jahrhundert möglicherweise an diese Monumente knüpfte, scheint M. Lecointre recht zu haben. Es ist jedoch nicht überzeugend, dass diese Säulen, aus Tradition, zu uralten abergläubischen Bräuchen genutzt wurden.

Es ist bedauerlich, dass uns keine Totenlaternen aus der Zeit vor dem 12. Jahrhundert erhalten geblieben sind; Es gibt keine Zweifel, dass sie existiert haben, da sie gelegentlich erwähnt werden, unter anderem im Zusammenhang mit der Schlacht bei Vouillé (oder Voulon) zwischen den Franken unter Chlodwig I. gegen die Westgoten unter Alarich II.. Wir wissen aber nicht, wie diese frühchristlichen Monumente ausgesehen haben.

Heutige Deutungen

Thorsten Droste schreibt dazu: : „Die Symbolsprache der Totenlaterne hieße demnach, der Mensch löst sich vom irdischen Bereich, um durch das Erlösungswerk Christi gerettet, hinauf zum ewigen Licht zu gelangen“.

Carlux(Périgord), Totenlaterne auf dem Dach, zum Schornstein umfunktioniert

Beispiele erhaltener Totenlaternen

Eine der am besten erhalten Totenlaternen, die ins 12. Jh. datiert wird, ist die in Celfrouin (Charente). Die kleine Tür, die dazu diente, die Lampe hineinzubringen und nach oben zu ziehen, befindet sich 3 Meter oberhalb der kreisförmigen Plattform, auf der sich die Ädikula befindet. Das lässt vermuten, dass man eine Leiter brauchte, um die Lampe anzuzünden und oben über dem „Schlot“ zu installieren. Die Totenlaterne in Celfrouin, besitzt allerdings keine einzige Öffnung in ihrem Kopf (!), durch die man das Licht der Lampe hätte von außen sehen könnte. Das kleine Tischchen unter der unteren Öffnung ist keineswegs ein Altar, sondern nur eine Abstellmöglichkeit, die dazu diente, die Leiter zu stützen und die Lampe abzustellen, um sie vor ihrem Transport nach oben herzurichten.

In dem Dorf Ciron (Indre) befindet sich eine Laterne, die vollständiger ist als die vorhergehende; datiert wird sie ins Ende des 12. Jahrhunderts. Errichtet auf einer breiten Plattform, sieben Stufen über dem Boden, hat sie einen Altartisch und, auf der rechten Seite des Tisches, eine Öffnung, die für die Einführung der Lampe benötigt wird. Sie war mit einem hölzernen Türflugel verschlossen. Der Kopf der Laterne ist durchlässig, so dass man das Licht von allen Seiten sehen kann.

Fenioux, Totenlaterne, Schnitt nach Paul Abadie

Im Dorf Antigny (Vienne) stammt die Totenlaterne aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Das Monument steht, wie üblich, auf einer dreistufigen Plattform. Es hat einen quadratischen Grundriss, einen kleinen Altar mit einer Stufe, eine Seitentür zum Einführen der Lampe und vier Öffnungen an der Spitze, um das Licht durchzulassen. Die Obere Spitze war wahrscheinlich mit einem Kreuz bekrönt, wie die beiden vorhergehenden

Moussac bei Montmorillon, Totenlaterne

Die Totenlaternen von Fenioux (Charente- Maritime) erhebt sich neben einer Gruft auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs. Sie ist die größte dieses Typus im Poitou. Der zylindrische Schaft der hohlen Säule besteht aus elf lückenlos aneinander gereihten Rundsäulen der eine Spindeltreppe mit 33 Stufen enthält. Der Laternenkopf besteht aus 11 schlankeren Säulchen, mit schmalen Zwischenräumen, durch die das Licht der Laterne nach außen fiel, das den Toten am Tage der Auferstehung den Weg weisen sollte. Der steinernen Turmhelm in Form eines steilen Pyramidendachs ist mit einer geschuppte Struktur verziert, die dreikantige Schindeln imitiert. Die Helmspitze wird gekrönt von einem steinernen lateinischen Kreuz. Am Rand des Helms stehen vier kurze Pfeiler die auf ihren Spitzen steinerne Kugeln tragen.

Im Zentrum des heutigen Friedhofs des Dorfs Château-Larcher ragt eine zylindrische Stele auf, die auf einer quadratischen Basis steht, ein romanisches Baudenkmal aus den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts.

Die massive Basis wird dreiseitig von einem weit ausladenden halbkreisförmigen Podest umgeben, auf das allseitig drei Stufen hinaufführen. Unmittelbar vor der Basis ist auf dem Podest noch eine quadratische Steinplatte aufgelegt, auf die der Pfarrer stieg, um an einer von der Basis auskragenden kleinen Altarplatte den Totengottesdienst zu zelebrieren.

Genau zentrisch auf der Basis steht der kreisrunde steinerne Hohlzylinder. Er wird von einem ebenfalls steinernen spitzen Kegeldach von knapp bekrönt, dessen unterer Rand mit einem doppelten Rundprofil markiert wird. Die Oberflächen des Kegels sind in Art eines Flechtwerkes plastisch strukturiert worden. Obenauf sitzt ein steinernes Tatzenkreuz, dass im Jahr 1840 dort angebracht wurde. Kurz unter dem Dachrand sind kleine in alle Himmelsrichtungen weisende rundbogige Fensteröffnungen eingelassen, deren Leibungen allseitig nach außen schräg aufgeweitet ist. Durch sie fällt das Licht der Seitenlaterne, und soll den Auferstandenen den rechten Weg in der Dunkelheit weisen. Am unteren Ende des Hohlzylinders gibt es links von Altar eine fünfte, aber rechteckige Öffnung, über die ein brennendes Öllicht in den Schacht eingebracht, und mit einem Seil, oben über eine Rolle umgelenkt, hochgezogen werden kann. Im Mittelalter wurden die Totenlaternen in jeder Nacht oder an besonders festgelegten Tagen zu Ehren aller Verstorbenen der Umgebung angezündet. Bei manchen Messfeiern auf dem Friedhof wurde in der Säule das „Hosiannakreuz“ vom Palmsonntag hochgezogen

Das Ende der Tradition der Totenlaternen

Während des 14. Jahrhunderts verloren die Totenlaternen ihren Charakter als "pierres leves" (Menhire) und wurden ersetzt durch kleine, belichtete Totenkapellen, in die man eine angezündete Lampe stellte. Auf diese Weise veränderten die alten keltischen Bräuche, die sich im Christentum bis Ende des 13. Jahrhunderts erhalten hatten, allmählich ihre Bedeutung, bis schließlich ihre Ursprünge vergessen wurden.

Sarlat (Périgord),Lanterne des Morts

Das heute als Lanterne des Morts (Totenlaterne) bezeichnete Gebäude auf dem ehemaligen Friedhof oberhalb der Kathedrale von Sarlat (Périgord) stammt zwar aus dem 12. Jahrhundert, dürfte aber eigentlich nicht mehr diesen Namen tragen. Der Turm, mit wesentlich größerem Durchmesser, dessen steinernes Dach nach oben spitz zuläuft, wie bei einer Patronenkugel, hat nichts zu tun mit den üblicherweise schlanken Säulen oder Pfeilern, die am oberen Ende von einem meist offener Tabernakel für das Totenlicht bekrönt werden. Es handelt sich vielmehr bei diesem Gebäude um eine der ersten „Ablösungen“ der Totenlaternen durch eine Totenkapelle, in der verstorbene Domkleriker vor ihrer Beisetzung aufgebahrt wurden.

Sonstiges

Zwei sich in äußerer Gestalt und innerem Aufbau (Wendeltreppe) an die Totenlaterne von Fenioux stark anlehnende Bauteile gehören zur Wiener Karlskirche.

Der in Deutschland weit verbreitete Brauch der Grablichter kann wohl kaum seine Wurzeln auf die Tradition der großen Stelen der Totenlaternen zurückführen.

Quellen

  • Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XIe au XVIe siècle - Tome 6, Lanterne des morts
  • Julia Droste-Hennings. Thorsten Droste: DuMont Kunst-Reiseführer, Frankreich, Der Südwesten, Die Landschaften zwischen Zentralmassiv, Atlantik und Pyrenäen, 1. Auflage 2007, ISBN 978-3-7701-6618-3
  • Thorsten Droste: DuMont Kunst Reiseführer, Poitou, Westfrankreich zwischen Poitiers und Angoulême – die Atlantikküste von der Loire bis zur Gironde, DuMont Buchverlag, Köln, 1. Auflage 1999, ISBN 3-7701-4456-2

Weblinks

 Commons: Totenlaterne – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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