Christianisierung

Christianisierung

Christianisierung (v. kirchenlat.: christianizare) bedeutet die Annahme des Christentums durch ganze Regionen oder Kulturkreise. Mit der Vereinigung von Staat und Kirche in Europa begann eine Ausbreitung des christlichen Glaubens, die zum Teil auch gewaltsam durchgesetzt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Zum Sprachgebrauch

Im Unterschied zur individuellen Bekehrung eines Einzelnen beschreibt die Christianisierung den in historischer Dimension verlaufenden Prozess, bei dem ganze Völker oder Kulturkreise mehrheitlich den christlichen Glauben annehmen.

Mission und Christianisierung sind verwandte Begriffe, wobei Mission sich auf den theologischen Aspekt und Christianisierung sich auf den langfristigen kulturellen und historischen Aspekt bezieht. Christianisierung ist Mission ganzer Völker, im historischen Horizont betrachtet.

Christianisierung und Kultur

Svantevitstein in Altenkirchen, Rügen
Fraubillenkreuz

Viele der ersten Kirchen wurden auf oder in ehemaligen heidnischen Kultstätten wie Hainen errichtet, da diese Örtlichkeiten bereits als heilig galten und die zu Missionierenden sich dort versammelten. Andere heidnische Orte, wie viele der Hünengräber in Norddeutschland, wurden zu Zwecken der Abschreckung mit unheimlichen Namen versehen (Teufelssteine, Teufelsbackofen etc.), die sie teilweise bis heute tragen. Diese Entwicklung ist in Skandinavien nur stark abgemildert anzutreffen.

Manchmal wurden Götterbilder, heilige Steine oder ganze Monumente in Kirchen eingebaut, zu Kirchen umgebaut oder zu christlichen Symbolen umgestaltet. Beispiele sind die Christianisierten Megalithmonumente, der in der Kirche von Altenkirchen verbaute Svantevitstein und das aus einem Menhir herausgearbeitete Fraubillenkreuz auf dem Ferschweiler Plateau in der Eifel.

Heidnische religiöse Bräuche erhielten sich nach der Christianisierung oft noch lange als Brauchtum.

Die Christianisierung war nach den ersten Jahrhunderten der Missionierung durch Mönche und Prediger später häufig auch eine Machtfrage, in Schlachten unterlegene Gruppen und Stämme des frühen Mittelalters etwa ließen sich als Zeichen der Unterwerfung taufen, oder wurden zwangsgetauft. Weltliche und göttliche Macht gingen, wie bei Karl dem Großen, Hand in Hand.

In vielen Fällen wurden bei der Christianisierung auch Elemente oder Teile der heidnischen religiösen Kultur übernommen.

Es gibt jedoch auch Beispiele wie das Christentum in den lokalen kulturellen Kontext übertragen und mit den Mitteln dieser Kultur ausgedrückt wurde. Dazu gehören der sächsische Heliand ebenso wie Navidad Nuestra in Südamerika, das Masai-Bekenntnis aus Ostafrika und insbesondere die Afrikanischen Kirchen.

In einigen Fällen entwickelten sich nicht nur neue Formen des Christentums im Kontext der lokalen Kultur, sondern diese Völker wurden durch die Christianisierung zu einer kulturellen Identität befähigt (z. B. die Slawische Christianisierung durch Kyrill und Method). Andererseits wurden intakte Kulturen zerstört (Malaiischer Archipel, Ozeanien). Oftmals gingen christliche Mission und Kolonialisierung Hand in Hand, während anderenorts scharfe Gegensätze zwischen Missionaren und Kolonisatoren aufbrachen.

Christianisierung geht oft einher mit Entwicklungshilfe. Es werden christliche Werte vermittelt und Infrastrukturen, wie etwa Schulen, Pflegeheime oder auch Krankenhäuser, errichtet. Zugleich werden Kirchen, Klöster oder Missionsstationen errichtet. Es erwachsen neue kulturelle Macht-Zentren, die in der Folge ganze Regionen dominieren. So stellte man in Lateinamerika die Religion der indigenen Völkern als Aberglauben dar, ihren Lebensstil als primitiv, und glich sie europäischen Normen wie (Sesshaftigkeit, Ackerbau, Kleidung an, was bereits Alexander von Humboldt in seinen Reiseberichten 1800 ff zu kritischen Bemerkungen veranlasste.

Erscheinungsweisen

Christianisierung ist auf viele Arten geschehen, und in den meisten Fällen spielten mehrere Faktoren zusammen.

Faktoren auf religiösem Gebiet:

  • In den ersten Jahrhunderten nach Christus erfolgte Christianisierung fast ausschließlich durch christliche Vorposten (Einsiedeleien, Klöster, Missionsstationen) durch Mission oder Diakonie, wodurch innerhalb der Bevölkerungen für das Christentum geworben wird. Beispiele sind die Mission von einzelnen reisenden Missionaren (Paulus im Römischen Reich, Bonifatius in Deutschland, Patrick in Irland, Kyrill und Method unter den Slawen) oder Missionarinnen (Nino in Georgien), die in der Folge zu Gemeindegründungen führte (natürlich gab es immer wieder Rückschläge in diesem "von unten" wachsenden Prozess).
  • Einen großen Einfluss hatten auch freiwillige oder erzwungene Ortsveränderungen von Christen (Zerstörung von Jerusalem, Sklavenhandel und römische Armee in der Antike, Auswanderer und Siedler) die am neuen Ort ihren Glauben weiter pflegen und Einheimische dafür gewinnen.

Faktoren auf politischem Gebiet:

Die Gewinnung des jeweiligen Herrschers für das Christentum war in manchen Fällen ein wesentlicher Faktor für die Christianisierung, in anderen kam sie erst nach ziemlich vollendeten Tatsachen (z.B. Eroberung durch das römische Reich) oder spielte überhaupt keine Rolle (z.B. Nordamerika). In Kulturen mit ausgeprägtem Gemeinschaftsbewusstsein konnte die Bekehrung des lokalen Oberhaupts auch fast selbstverständlich zur Bekehrung seiner Gefolgsleute führen, da die Gemeinschaft für alle wesentlicher war als die individuelle Entscheidung über die Religionszugehörigkeit.

In manchen Fällen führte die Christianisierung zur Eingliederung in die katholische Kirche, in anderen Fällen bildeten sich eigenständige lokale Kirchen (keltisches Christentum in Irland, bzw. in Russland, Nordamerika, afrikanische Kirchen). An manchen Orten wurde das Christentum zur Staatsreligion erklärt, andere weitestgehend christianisierte Länder lehnen staatlichen Einfluss auf die Religion prinzipiell ab.

Geschichte

Das erste christianisierte Reich war das Königreich Armenien. Um 301 kam es der Legende durch die Bekehrung des Königs Trdat III. zur Proklamation des Christentums als Staatsreligion, tatsächlich dürfte sich dieses Ereignis aber wohl erst 314/315 abgespielt haben, da sich um 301 die diokletianische Christenverfolgung zutrug.

Die Christianisierung des Imperium Romanum zog sich, anders als die Überlieferung suggeriert, über Jahrhunderte hin und war erst am Ende der Spätantike (um 600) weitgehend abgeschlossen, auch wenn alle nichtchristlichen Religionen bereits kurz vor 400 verboten worden waren.

Eine herausragende Rolle in der frühzeitlichen Missionierung von Mitteleuropa um das 6. Jahrhundert spielten iro-schottische Mönche, sowie die Einflüsse Roms. Sie wurde unter anderem vorangetrieben durch die Missionare Gallus, Columban, Bonifatius und Kilian, wobei diese Tätigkeit keinesfalls als ungefährlich zu gelten hatte. Karl der Große besiegte um 800 die Sachsen in Norddeutschland, und erließ in der Capitulatio de partibus Saxoniae Vorschriften wie z.B.:

  • 8. Sterben soll, wer Heide bleiben will und unter den Sachsen sich verbirgt, um nicht getauft zu werden oder es verschmäht, zur Taufe zu gehen.
  • 21. Wer Gelübde nach heidnischem Brauch an Quellen, Bäumen oder Hainen darbringt oder nach heidnischem Brauch opfert und ein Gemeinschaftsmahl zu Ehren der Götzen veranstaltet, zahlt als Edeling 60, als Friling 30, als Late 15 sol. Und wenn er das Geld nicht hat, soll er es im Dienste der Kirche abarbeiten.

Wann die Christianisierung einer Region oder einer Gruppe abgeschlossen war und ab wann die vorchristlichen Kulte nur noch in Brauchtum und Aberglaube fortbestanden, lässt sich in der Regel kaum exakt bestimmen.

Literatur

  • Lutz E. von Padberg: Die Christianisierung Europas im Mittelalter. Reclam Philipp Jun., Ditzingen 1998, ISBN 3-15-017015-X
  • Ramsay MacMullen: Christianizing the Roman Empire. New Haven 1984

Siehe auch

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Christianisierung Schwedens — Christlicher Runenstein Die Christianisierung Schwedens beginnt im 9. Jahrhundert und erstreckt sich bis in das 13. Jahrhundert. Die wichtigsten schriftlichen Quellen für die ersten Missionierungsversuche sind Rimberts Lebensschilderung seines… …   Deutsch Wikipedia

  • Christianisierung Polens — Die Christianisierung Polens 965 in der Vorstellung des polnischen Historienmalers Jan Matejko. Ölgemälde aus dem Jahr 1889 Der Beginn der Christianisierung Polens (polnisch Chrzest Polski) kann mit dem 14. April 966, der Taufe von Herzog Mieszko …   Deutsch Wikipedia

  • Christianisierung von Polen — Die Christianisierung Polens, Gemälde von Jan Matejko Die Christianisierung Polens (polnisch Chrzest Polski) begann im Jahr 966, durch die Taufe von Herzog Mieszko I. von Polen. Der darauffolgende Schritt in der Annahme des Christentums war die… …   Deutsch Wikipedia

  • Christianisierung der Färöer — Die Christianisierung der Färöer geschah ab 998 durch Sigmundur Brestisson, erlebte aber erheblichen Widerstand durch den Wikingerhäuptling Tróndur í Gøtu (der sich 999 widerwillig taufen ließ) und galt daher erst nach dessen Tod 1035 als… …   Deutsch Wikipedia

  • Christianisierung — Chris|ti|a|ni|sie|rung, die; , en: das Christianisieren, Christianisiertwerden. * * * Chris|ti|a|ni|sie|rung, die; , en: das Christianisieren, Christianisiertwerden …   Universal-Lexikon

  • Christianisierung — Chris·ti·a·ni·sie·rung [krɪst ] die; ; nur Sg; der Prozess, bei dem ein Volk, eine Gruppe o.Ä. zum Christentum bekehrt wird || hierzu chris·ti·a·ni·sie·ren (hat) Vt …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Christianisierung — Chris|ti|a|ni|sie|rung die; , en <zu ↑...isierung> Bekehrung zum Christentum …   Das große Fremdwörterbuch

  • Christianisierung — Chris|ti|a|ni|sie|rung …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Zwangs-Christianisierung — Inhaltsverzeichnis 1 Definition und Abgrenzung des Begriffes 2 Historischer Verlauf 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Einzelbelege // …   Deutsch Wikipedia

  • Ungarn: Christianisierung und Gründung —   Die Schlacht auf dem Lechfeld bedeutete einen Wendepunkt in der ungarischen Geschichte. Das Nomadenvolk wurde an der Theiß und an der mittleren Donau endgültig sesshaft, und die Beutezüge nach Westen wurden eingestellt. Waren früher auch von… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”