- Transitional National Government
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Das Transitional Federal Government (abgekürzt TFG, zu Deutsch Föderale Übergangsregierung) ist die offizielle, international anerkannte Übergangsregierung Somalias. Sie stellt den Versuch dar, im seit 1991 regierungslosen, zwischen verschiedenen Kriegsparteien umkämpften Somalia wieder funktionierende Regierungsstrukturen zu schaffen und letztlich den somalischen Bürgerkrieg zu beenden.
Faktisch beschränkt sich die Macht der Übergangsregierung auf die Stadt Baidoa und deren Umgebung in Südwestsomalia und (teilweise) Mogadischu sowie das verbündete Puntland im Nordosten. Ende 2007 kontrollierte sie nach eigenen Angaben 20 % des somalischen Staatsgebiets.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Im Jahr 2000 fand in Arta, Dschibuti eine Friedenskonferenz verschiedener somalischer Clanführer und Kriegsherren statt. Es handelte sich um die dreizehnte derartige Konferenz, die den Bürgerkrieg in Somalia beenden sollte. Als Ergebnis wurde die Übergangsregierung Transitional National Government (TNG, Nationale Übergangsregierung) geschaffen. Ihr erster Präsident war 2000–2004 Abdikassim Salat Hassan. Da sie aber nicht alle kriegsführenden Parteien einen konnte, wurde die Übergangsregierung von manchen Kriegsherren und Clanführern abgelehnt und bekämpft. So bildeten Hussein Mohammed Farah, die Rahanweyn Resistance Army und andere in Baidoa den Somalia Reconciliation and Restoration Council (SRRC) als „Gegenregierung“. In dieser Zeit war das Transitional National Government in Nairobi, Kenia stationiert und kontrollierte in Somalia kaum mehr als Teile der Landeshauptstadt Mogadischu, in die es aus Sicherheitsgründen nicht einziehen konnte.
Nach erneuten Friedensverhandlungen in Kenia 2004 schlossen sich weitere Kriegsparteien der neuen Übergangsregierung Transitional Federal Government (TFG, Föderale Übergangsregierung) an. Im Transitional Federal Parliament (Föderales Übergangsparlament) mit 275 Mitgliedern wurden die Parlamentssitze nach Clans verteilt: Die großen Clans der Hawiye, Darod, Rahanweyn und Dir erhielten je 61 Sitze, 31 gingen an Minderheiten. Dieses Parlament wählte Abdullahi Yusuf Ahmed, den ehemaligen Präsidenten der einseitig für autonom erklärten Region Puntland, zum neuen Präsidenten. Premierminister wurde Ali Mohammed Ghedi aus dem mächtigen Hawiye-Clan, der als gemäßigter Technokrat und Vertreter der Zivilgesellschaft gilt. Die Städte Baidoa und Jawhar wurden zur provisorischen Hauptstadt erklärt.
2006 stieg die Union islamischer Gerichte zur bedeutenden politischen Kraft auf und erlangte die Kontrolle über Mogadischu und große Landesteile im Süden und Zentrum Somalias. Ihr Vormarsch zwang das TFG, sich im Februar desselben Jahres aus Jawhar zurückzuziehen. Es kam zu Kämpfen zwischen Truppen der Union und der Übergangsregierung, die zusehends zurückgedrängt wurde. Das TFG war – vor dem Hintergrund der historisch schwierigen äthiopisch-somalischen Beziehungen – zerstritten darüber, inwiefern es die vom Nachbarland Äthiopien angebotene militärische Unterstützung gegen die Union islamischer Gerichte annehmen sollte. Mehrere Minister traten ob dieser Frage zurück. Verfassungsminister Abdallah Isaaq Deerow wurde am 28. Juli 2006 ermordet. Am 24. Dezember 2006 erklärte Äthiopien der Union islamischer Gerichte den Krieg und marschierte in Somalia ein.
Aktuelle Situation
Der Norden Somalias ist seit 1991 als Somaliland faktisch unabhängig. Der Nordosten als Puntland ist ebenfalls faktisch autonom, aber mit dem TFG verbündet. In weiten anderen Landesteilen herrschen lokale Clans, Kriegsherren, die Union islamischer Gerichte oder umkämpfte/unklare Verhältnisse. Machtbasis des TFG ist Südwestsomalia mit dem provisorischen Regierungssitz Baidoa.
Am 27. Dezember 2006 verließ die Union islamischer Gerichte unter dem Druck von Truppen Äthiopiens und des TFG Mogadischu[1]. Am 28. Dezember konnte Premierminister Ali Mohammed Ghedi erstmals in Mogadischu einziehen. Die Übergangsregierung versucht nun, sich in der Hauptstadt und dem Rest des Landes zu etablieren[2]; Mohammed Omar Habeb Dhere wurde zum Bürgermeister von Mogadischu ernannt. Die afrikanische Friedenstruppe AMISOM soll die Übergangsregierung unterstützen, erreichte jedoch bislang nie ihre vorgesehene Truppenstärke.
Die äthiopische Militärpräsenz sorgt jedoch für Unmut in Teilen der somalischen Bevölkerung und schmälert auch das Ansehen der Übergangsregierung. Islamisten, Hawiye-Kämpfer und weitere Regierungsgegner lieferten sich 2007 und 2008 vor allem in Mogadischu heftige Kämpfe mit regierungstreuen Truppen, weswegen Hunderttausende aus der Stadt flohen.
Am 29. Oktober 2007 erklärte Premierminister Ghedi wegen Differenzen mit Präsident Yusuf seinen Rücktritt. Neuer Premierminister wurde der als politisch neutral geltende Nur Hassan Hussein. Dieser löste im Dezember das 73 Minister und deren Stellvertreter umfassende Kabinett auf und setzte es neu zusammen[3]. 2008 kam es zu Differenzen zwischen Präsident und Premierminister, als Nur Hassan Hussein den Bürgermeister von Mogadischu Mohammed Omar Habeb Dhere entlassen wollte.
Für 2009 sind gemäß den Ergebnissen der Nationalen Versöhnungskonferenz 2007 Wahlen vorgesehen.
Kritik und Gegner der Übergangsregierung
Kritiker halten der Übergangsregierung vor, dass sie nie durch demokratische Wahlen legitimiert wurde und den Zweck ihres Bestehens – die Schaffung von Frieden in Somalia – bislang verfehlt hat. Manche Regierungsmitglieder, darunter (ehemalige) Kriegsherren, hätten zudem nur bedingt ein Interesse daran, dieses Ziel zu erreichen. Die Regierung oder zumindest manche ihrer Soldaten versuchten, kritische Berichterstattung von Medien und Menschenrechtsorganisationen zu unterbinden[4] (siehe auch: Shabelle Media Network). Kontrovers wird innerhalb Somalias auch die Zusammenarbeit der Regierung mit Äthiopien und ihr Umgang mit der Union islamischer Gerichte beurteilt.
Manche Angehörige des mächtigen, in Mogadischu dominierenden Hawiye-Clans lehnen die Übergangsregierung ab, da ihr Clan ihrer Ansicht nach unterrepräsentiert ist und Präsident Abdullahi Yusuf Ahmed dem „feindlichen“ Clan der Darod angehört. Yusuf soll auch unerlaubterweise Lizenzen für vermutete Erdölvorkommen in seiner Heimatregion Puntland vergeben haben, zudem gilt er als wesentlich verantwortlich für die unpopuläre äthiopische Truppenpräsenz[5].
Manche Somalier lehnen schließlich jeden Versuch einer Regierungsbildung ab, da sie vom de facto regierungslosen Zustand profitieren, und bekämpfen die Übergangsregierung deshalb.[6]
Einzelnachweise
- ↑ BBC News: Somali troops 'enter Mogadishu'
- ↑ BBC News: Mogadishu crowds greet Somali PM
- ↑ IRIN News: Somalia: Prime minister to name new, leaner cabinet
- ↑ Human Rights Watch World Report 2008, p. 158: Somalia/Attacks on Human Rights Defenders and Civil Society
- ↑ Frankfurter Rundschau: Somalias Premier gibt auf, 29. Oktober 2007
- ↑ Reuters AlertNet: Somalia: Profiting from misery
Weblinks
- Webpräsenz des Transitional Federal Government (englisch/Somali)
- Stimmen von Somaliern zur Übergangsregierung bei BBC News (engl.)
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