- Somalia
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Flagge Wappen Staatsoberhaupt kein Staatoberhaupt
Die internationale Gemeinschaft betrachtet Sharif Sheikh Ahmed, Präsident der Übergangsregierung, als Staatsoberhaupt
Regierungschef kein Regierungschef
Die internationale Gemeinschaft betrachtet Abdiweli Mohamed Ali, Premierminister der Übergangsregierung, als Regierungschef
Fläche 637.657 km² Einwohnerzahl 7,5 bis 12,9 Millionen (2009)(*) Bevölkerungsdichte 13,90 Einwohner pro km² Währung Somalia-Schilling Unabhängigkeit 26. Juni 1960 (Britisch-Somaliland vom Vereinigten Königreiche)
1. Juli 1960 (Italienisch-Somaliland von Italien; Vereinigung mit Britisch-Somaliland zu Somalia)Zeitzone UTC+3 Kfz-Kennzeichen SO Internet-TLD .so Telefonvorwahl +252 Somalia (Somali: Soomaaliya; arabisch الصومال, DMG aṣ-Ṣūmāl), ist ein zerfallener Staat im äußersten Osten Afrikas, am Horn von Afrika. Es grenzt an den Indischen Ozean im Osten, dessen Golf von Aden im Norden, Dschibuti und Äthiopien im Westen und Kenia im Süden. Der Landesname ist vom Volk der Somali abgeleitet, das die große Bevölkerungsmehrheit stellt und auch in den Nachbarländern ansässig ist.
Somalia entstand aus dem Zusammenschluss der Kolonialgebiete Britisch- und Italienisch-Somaliland, die 1960 gemeinsam unabhängig wurden. Seit dem Sturz der autoritären Regierung unter Siad Barre 1991 befindet sich das Land im Bürgerkrieg. Die international anerkannte Übergangsregierung kontrolliert nur einen kleinen Teil des Staatsgebiets. Der Nordteil des Landes strebt seit 1991 als Somaliland nach Unabhängigkeit, Puntland, Galmudug und Jubaland beanspruchen Autonomie als Teilstaaten Somalias. Abgesehen von diesen De-facto-Regimes befindet sich das Land in der Hand lokaler Clans, Kriegsherren, radikal-islamischer Gruppen und Piraten.
Inhaltsverzeichnis
Geographie
Somalia liegt im Osten des afrikanischen Kontinents, am Horn von Afrika auf der Somali-Halbinsel. Der nördliche Teil des Landes ist zumeist bergig und im Somali-Hochland durchschnittlich 900 bis 2.100 m über dem Meeresspiegel; der höchste Berg ist der Shimbiris (2450 m). Nach Süden hin erstreckt sich ein Flachland mit einer durchschnittlichen Höhe von 180 m. Die Flüsse Jubba und Shabeelle entspringen in Äthiopien und fließen durch den Süden Somalias und damit durch die Somali-Wüste in den Indischen Ozean. Die Küstenlinie ist 2720 km lang.
Somalia wird beeinflusst durch Monsunwinde, ein ganzjähriges heißes Klima, unregelmäßige Regenfälle und stetig wiederkehrende Trockenperioden. Außer in den Berg- und Küstenregionen liegt die durchschnittliche Maximaltemperatur am Tag zwischen 30 und 40 °C. Der südwestliche Monsun sorgt in der Gegend um Mogadischu für ein relativ mildes Klima in den Monaten von Mai bis Oktober. Zwischen Dezember und Februar bringt der nordöstliche Monsun ein ähnliches mildes Klima. In der so genannten Tangambili-Periode zwischen den beiden Monsunen (Oktober bis November und März bis Mai) ist es heiß und feucht.
Umwelt
Erosion und die Ausbreitung der Wüste stellen Umweltprobleme Somalias dar. Ursachen sind Überweidung und Abholzungen der verbleibenden Wälder, da Holz die Hauptenergiequelle des Landes ist und seit Ausbruch des Bürgerkrieges in größerem Umfang Holzkohle in die Staaten der arabischen Halbinsel exportiert wird.
Die Mangrovengebiete zwischen Kismaayo und der kenianischen Grenze im Süden des Landes und die Korallenriffe am Golf von Aden und nahe Kenia sind ebenfalls von Degradierung und Schädigung betroffen.
In Abwesenheit einer wirksamen Küstenwache wird vor der Küste des Landes illegale Atommüll- und Giftmüllentsorgung betrieben, und internationale Fangflotten überfischen unkontrolliert die Meere.[1]
Bevölkerung
Die Einwohner Somalias heißen Somalier. Gelegentlich wird auch unpräzise die Bezeichnung Somali verwendet, die sich jedoch auf die ethnischen Somali beschränkt und die Nicht-Somali-Minderheiten im Land nicht umfasst.
Zur Einwohnerzahl Somalias gibt es sehr unterschiedliche Angaben, abhängig davon, welche statistischen Grundannahmen zu Bevölkerungswachstum, Migration usw. seit der letzten Volkszählung in den 1980er Jahren gemacht werden. Die Angaben von Berechnungen für die Jahre 2009 bzw. 2010 reichen von 9.832.017[2] bis 13.183.884[3] Einwohnern. Die Vereinten Nationen gehen hingegen von nur 7,5 Mio. Einwohnern aus.[4]
In der heutigen Zeit leben 60 Prozent aller Somalier teilweise oder vollständig als Nomaden. 25 Prozent der Menschen leben als Bauern, die sich in der fruchtbarsten Region des Landes zwischen den Flüssen Shabeelle und Jubba niedergelassen haben. Der verbliebene Teil der Bevölkerung (15 bis 20 Prozent) lebt in städtischen Gebieten. Ende 2007 sind über eine Million Somalier intern vertrieben.[5]
Ethnien
Somalia galt lange als eines der ethnisch homogensten Länder und als „einziger Nationalstaat“ Afrikas, da die große Mehrheit der Bevölkerung zum Volk der Somali gehört. Dieses Bild hat sich gewandelt, seit im Bürgerkrieg die Differenzen zwischen den verschiedenen Clans der Somali sowie zwischen Somali und ethnischen Minderheiten vor allem in Südsomalia deutlicher wurden.[6]
Somali-Clans
Die anteilmäßig bei weitem bedeutendste Ethnie sind die Somali, deren Siedlungsgebiet sich auch auf Ost-Äthiopien (Somali-Region), Dschibuti und Nordost-Kenia erstreckt und die nach heutiger Kenntnis von kuschitisch-afrikanischer und teilweise arabisch-persischer Abstammung sind.
Von großer Bedeutung für Gesellschaft und Politik Somalias ist das Clansystem der Somali, das wahrscheinlich von der Stammesgesellschaft der Araber beeinflusst wurde. Jeder Somali gehört über seine väterliche Abstammungslinie einem Stamm oder Clan an. Die fünf großen Clanfamilien (qaabiil) sind:
Dabei gelten die traditionell nomadisch lebenden Dir, Darod, Isaaq und Hawiye als „echte Somali“ oder Samaal, während die sesshaft-bäuerlichen Rahanweyn als „unechte Somali“ oder als Sab bezeichnet werden. Sie gelten, ebenso wie diverse ethnische Minderheiten, aus Sicht eines Teils der Samaal als nicht gleichberechtigt und unterliegen traditionell einer gesellschaftlichen Benachteiligung.
Jede dieser Clanfamilien zerfällt in eine große Zahl Subclans und „Geschlechter“ (Somali: reer, was „Leute aus“, „Nachkommen von“ bedeutet). Diese umfassen jeweils einige Hundert bis Tausend Männer, die das für Verbrechen fällige Blutgeld (diya, mag) gemeinsam bezahlen bzw. erhalten. Dieses System verschafft dem einzelnen Somali traditionell Schutz für Leben und Eigentum, führt jedoch auch zu Blutfehden, die sich nicht nur auf einzelne Verbrechen beziehen, sondern auch Auseinandersetzungen um Wasser- und Weiderechte und um die politische Macht umfassen.
Minderheiten
Nicht-Somali-Minderheiten machen etwa 15 % der Bevölkerung aus. Zu diesen gehören verschiedene schwarzafrikanische Volksgruppen in Südsomalia, die von den Somali zusammenfassend als Jarir („harthaarig“ oder „kraushaarig“) bezeichnet werden. Ein Teil von diesen stammt von Sklaven ab, die im 19. Jahrhundert durch den ostafrikanischen Sklavenhandel aus Tansania, Malawi, Mosambik und Kenia nach Somalia gebracht wurden und sich nach ihrer Flucht oder Freilassung größtenteils im Tal des Jubba niederließen. Sie sind seit den 1990er Jahren als Somalische Bantu bekannt. Für andere Jarir-Gruppen wie etwa die Shidle gilt die Herkunft bis heute als ungeklärt, möglicherweise stammen sie von einer Bevölkerung vor den Somali ab.
Weitere Minderheiten sind Angehörige der Swahili-Gesellschaft und Gruppen von gemischter Herkunft an der Küste (z. B. Bajuni, Brawanesen, Benadiri/Reer Hamar), im ganzen Land verbreitete Gruppen wie die Yibir und Midgan, die auf bestimmte Berufe beschränkt sind, sowie einige Tausend Araber und einige Hundert Inder und Pakistaner.
Sprachen
Hauptsprache Somalias ist das Somali (Eigenbezeichnung Af-ka Soomaali-ga) – eine ostkuschitische Sprache aus dem Sprachzweig der kuschitischen Sprachen und damit Teil der afroasiatischen Sprachfamilie –, das heute von etwa 12 Millionen Menschen in Somalia und angrenzenden Gebieten gesprochen wird. Die Sprache des Somali-Volkes wird in Somalia auch von allen Minderheiten verwendet.
Als Handels- und Bildungssprachen werden auch Arabisch und – als Erbe der Kolonialzeit – Italienisch und Englisch genutzt. Ein kleiner Teil der somalischen Bantu hat die Bantusprache Zigula beibehalten. An der Küste sprechen kleine Minderheiten (die Bajuni in und um Kismaayo und die Brawanesen in Baraawe) Dialekte des Swahili.
Als einziger afrikanischer Staat neben Tansania entwickelte sich Somalia nach seiner Unabhängigkeit weg vom Gebrauch der europäischen Kolonialsprachen. Somalische Nationalisten strebten nach einer Standardisierung und Verschriftung des Somali. Diese wurde 1972 unter Siad Barre verwirklicht und zur Amtssprache gemacht. Somali setzte sich daraufhin rasch in Verwaltung, Bildungswesen und Medien durch, während Italienisch, Englisch und Arabisch entsprechend an Bedeutung verloren.[7] Als Basis für das Standard-Somali diente die vor allem im Norden gesprochene Variante Maha Tiri (Maxaa Tiri); die andere Hauptvariante ist das im Süden verbreitete Maay, daneben gibt es weitere Dialekte.
Die somalische Übergangsverfassung von 2004 legt als offizielle Sprachen Somali (Maay und Maha Tiri) und Arabisch fest. Italienisch und Englisch haben einen Status als Sekundärsprachen.[8]
Religion
Die Bevölkerung Somalias gehört zu fast 100 % dem sunnitischen Zweig des Islam an. Davon sind etwa 80 % Schafiiten und 20 % Hanafiten. Die einzigen Nicht-Muslime in Somalia sind einige hundert Christen, die fast sämtlich ausländischer Herkunft sind. Die wenigen christlichen Somalier gehören der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche an. Einzelne Missionierungsversuche und der Bau einer Kathedrale mit angeschlossenem katholischen Kloster in Mogadischu in der Kolonialzeit blieben ohne größere Wirkung. Beide wurden während des Bürgerkriegs zerstört. Damit löste sich auch das römisch-katholische Bistum Mogadischu faktisch auf. Der letzte Bischof war bereits 1989 in der Kathedrale erschossen worden.
Die traditionelle islamische Praxis in Somalia ist in den Dörfern und unter Nomaden eher gemäßigt und vermischt mit dem Gewohnheitsrecht der Clans. Dort sind die durch missionierende Scheichs verschiedener Sufi-Orden im 19. Jahrhundert verbreiteten Glaubenschulen im Alltag präsent. Die älteste und größte dieser Bruderschaften ist die Qadiriyya, gefolgt von der Salihiyya im Norden. Kleinere Gruppen sind die Dandarawiyya, der Ende des 19. Jahrhunderts von Muhammad ibn Ahmad al-Dandarawi gegründete, am weitesten verbreitete Zweig der Idrisiyya, und die Rifaiyya, ein Ableger der Qadiriyya, der unter arabischen Einwanderern in Mogadischu populär ist. Seit den 1970er Jahren gibt es vor allem in den Städten radikale wahabitische Strömungen, die während des Bürgerkriegs ebenso wie die Religion insgesamt an Bedeutung gewonnen haben.
Seit Ausbruch des Bürgerkrieges gehören islamische Einrichtungen zu den wenigen Institutionen, die Bildung und medizinische Versorgung oder auch Rechtsprechung anbieten. Auf die Lage der Frauen wirkt sich der wachsende Einfluss des Islam unterschiedlich aus: Das islamische Recht bringt ihnen gegenüber dem Gewohnheitsrecht gewisse erbrechtliche Verbesserungen, und einige Geistliche sprechen sich heute auch gegen die weit verbreitete Mädchenbeschneidung aus; andererseits werden Frauen zunehmend gedrängt, sich stärker zu verhüllen oder ganz aus dem öffentlichen Raum zurückzuziehen.[9] al-Shabaab setzt in Süd- und Zentralsomalia eine strenge Auslegung der Schari'a durch. Sie hat auch Verbindungen zu al-Qaida und hat Dschihadisten aus dem Ausland in ihren Reihen.
Die Verfassung der Übergangsregierung bestimmt den Islam als offizielle Religion der Republik Somalia und legt fest, dass die Gesetzgebung auf der Schari'a basieren soll.[8] Auch die Verfassung des einseitig für unabhängig erklärten Somaliland erklärt den Islam zur Religion der Nation und verbietet das „Propagieren“ – darunter fällt bereits die öffentliche Ausübung – anderer Religionen in Somaliland.[10]
Soziale Lage
Bildung
Schätzungsweise 13 % der Jungen und 7 % der Mädchen besuchen eine Schule. Unterricht findet heute in Abwesenheit eines offiziellen Bildungssystems hauptsächlich in Koranschulen und privaten Einrichtungen statt. Im faktisch autonomen Somaliland wurde das Bildungswesen seit der Unabhängigkeitserklärung ausgebaut.
Gesundheit
Mangelernährung und Infektionskrankheiten sind verbreitet. 70 % der Bevölkerung haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Die Kinderzahl pro Frau liegt bei durchschnittlich 6,1.[11] Die Müttersterblichkeit liegt bei 1200 auf 100.000 Geburten. Die Kindersterblichkeit ist hoch: Vor dem 1. Geburtstag sterben 108 und vor dem 5. Geburtstag 180 von 1000 lebend geborenen Kindern. [12] Die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt wird mit 50,7 bis 51,2 Jahren angegeben. [13][14]
Die Verstümmelung weiblicher Genitalien wird in Somalia an etwa 95 %[15] der Mädchen vorgenommen, meist in der besonders invasiven Form der Infibulation. Diese Tradition war unter der Regierung Siad Barres gesetzlich verboten worden, blieb jedoch weit verbreitet. Im faktisch autonomen Puntland beschloss das Regionalparlament 1999 ein Verbot.[16] Am 8. März 2004 begann eine landesweite Kampagne, in deren Rahmen der damalige Präsident der Übergangsregierung, Abdikassim Salat Hassan, von einem Verbrechen gegen die Religion und gegen die Menschlichkeit sprach. Am 26. Oktober 2005 veröffentlichten islamische Geistliche in Mogadischu eine Fatwa, die sich gegen die Mädchenbeschneidung richtet. Darin wird diese in Afrika weit verbreitete traditionelle Praxis als „unislamisch“ verurteilt.[17]
Der Anteil von HIV-Infizierten wird auf 0,5 %[11] geschätzt und ist damit im afrikanischen Vergleich sehr niedrig. Begründet wird dies mit der islamischen Religion und damit, dass seit Kriegsausbruch verhältnismäßig wenige Menschen von außen in das Land kamen. Das Wissen um Übertragungswege und Prävention von HIV/Aids ist kaum verbreitet.
2008 vermeldete die Weltgesundheitsorganisation, dass durch großangelegte Impfkampagnen das Kinderlähmung verursachende Poliovirus in Somalia ausgerottet worden sei. Das Land war bereits 2002 poliofrei geworden, doch wurde das Virus zwischenzeitlich aus Nigeria wieder eingeschleppt.[18]
Geschichte
Die ältesten bekannten Spuren von Menschen im heutigen Somalia wurden in Buur Heybe in Südsomalia gefunden. Es handelt sich um Skelette, die mit der Radiokarbonmethode auf bis zu 6000 v. Chr. datiert wurden. Höhlenmalereien in Laas Geel bei Hargeysa stammen aus der Zeit von 4000 bis 3000 v. Chr.
Die Vorfahren der Somali wanderten um 500 v. Chr. bis 100 n. Chr. aus dem südlichen äthiopischen Hochland ein und vermischten sich – insbesondere in den Handelsstädten an der Küste, wie Zeila, Hobyo und Mogadischu – mit arabischen und persischen Einwanderern, welche ab dem 7. Jahrhundert auch den Islam einführten. Es entstanden muslimische Sultanate und Stadtstaaten. Im 16. Jahrhundert gerieten die Städte an der Nordküste unter türkische bzw. ägyptische Herrschaft, jene an der südlichen Benadirküste kamen im 17. Jahrhundert unter die Oberhoheit Omans bzw. im 19. Jahrhundert Sansibars.
Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr das von Somali bewohnte Gebiet seine bis heute nachwirkende Aufteilung. Der Norden des heutigen Somalia wurde von Großbritannien als Britisch-Somaliland, der Süden und Osten als Italienisch-Somaliland von Italien kolonialisiert. Am 1. Juli 1960 wurden die beiden Kolonien gemeinsam als Somalia unabhängig. Erster Präsident des Landes wurde Aden Abdullah Osman Daar, ihm folgte 1967 Abdirashid Ali Shermarke.
Das Verhältnis zu den Nachbarstaaten war wegen der von Somalia gestellten Gebietsansprüche (siehe Groß-Somalia), insbesondere auf die heute äthiopische Region Ogaden, gespannt. Auch innenpolitische Spannungen zwischen dem Norden und dem Süden und Osten, zwischen Clans und Parteien bestanden weiter. 1969 wurde Präsident Shermarke von einem Leibwächter getötet, woraufhin pro-sowjetische Militärs unter Siad Barre die Macht übernahmen.
Barre lehnte sich zunächst an die Sowjetunion an, versuchte einen „wissenschaftlichen Sozialismus“ einzuführen und den traditionellen Einfluss der Clans einzuschränken. 1977/78 führte er einen Krieg um Ogaden gegen Äthiopien, den Somalia verlor. Weil die Sowjetunion in diesem Krieg das gegnerische, kommunistische Derg-Regime Äthiopiens unterstützte, wandte sich Siad Barre wirtschaftlich und politisch von der Sowjetunion ab und den USA zu. Im Inneren regierte er zusehends diktatorisch, verschiedene Clans waren Repressionen ausgesetzt. Mehrere Rebellengruppen begannen einen bewaffneten Kampf gegen die Barre-Regierung, was 1991 zu deren Sturz führte.
Bürgerkrieg
Die siegreichen Rebellengruppen konnten sich jedoch nicht auf eine Nachfolgeregierung einigen. Der am Sturz Barres führend beteiligte United Somali Congress zerbrach infolge des Machtkampfes seiner Führer Mohammed Farah Aidid und Ali Mahdi Mohammed. Somalia zerfiel in umkämpfte Machtbereiche von Clans und Kriegsherren. Der Norden des Landes erklärte sich als Somaliland einseitig für unabhängig, ohne hierfür internationale Anerkennung zu finden.
Für die Bevölkerung hatten die Kämpfe und Plünderungen eine Verschlechterung der Versorgungs- und Sicherheitslage bis hin zu einer Hungersnot im Süden Somalias zur Folge. Ab 1992 sollte deshalb die UN-Mission UNOSOM unter US-amerikanischer Führung die Lieferung von Nahrungsmittelhilfe sichern und den Frieden wiederherstellen. Nach den Ereignissen der „Schlacht von Mogadischu“ im Oktober 1993 zogen die USA jedoch ihre Truppen wieder aus dem Land zurück. 1995 musste sich auch die UNOSOM II ohne Erfolg zurückziehen. Die Kampfhandlungen gingen weiter, wenn auch weniger intensiv. Im praktisch autonomen Somaliland blieb es seit 1996 weitgehend friedlich. Nach diesem Vorbild gründete der Harti-Darod-Clan in Nordostsomalia die autonome Region Puntland. Die Rahanweyn versuchten in Südwestsomalia ebenfalls, eine Regionalregierung zu etablieren, scheiterten jedoch, weil Südwestsomalia wie auch Jubaland umkämpft blieb. In der Hauptstadt Mogadischu bekämpften sich verschiedene Kriegsherren und Milizen der Hawiye.[19]
2000 wurde nach Friedensverhandlungen in Djibuti eine nationale Übergangeregierung Übergangsregierung für Somalia unter Präsident Abdiqasim Salad Hassan gebildet. Sie war den moderaten Islamisten in Somalia gegenüber freundlich gesinnt, wurde aber von den mächtigen Warlords im Land abgelehnt. Die nationale Übergangsregierung konnte keine Macht in Somalia gewinnen und zerfiel 2003. Auf einer Friedenskonferenz in Kenia wurde 2004 eine neue föderale Übergangsregierung unter Präsident Abdullahi Yusuf Ahmed etabliert. Sie hatte nicht die Unterstützung der Islamisten und der meisten Hawiye, die Mogadischu kontrollierten. Die neue Übergangeregierung ließ sich daraufhin in Baidoa nordwestlich von Mogadischu nieder. Mitte 2006 eroberte die Union islamischer Gerichte Mogadischu und weite Landesteile von den bis dahin dort herrschenden Kriegsherren, setzte ein gewisses Maß an – unterschiedlich streng gehandhabter – Ordnung nach der Schari'a durch und kämpfte an den Grenzen der beiden Machtbereiche gegen die Übergangsregierung.
Das benachbarte Äthiopien fühlte sich von der Union bedroht, da es eine islamistische Vereinnahmung seiner eigenen muslimischen Bevölkerung fürchtete und Teile der Union zum Dschihad zur Eroberung des heute äthiopischen, mehrheitlich von Somali bewohnten Gebietes Ogaden aufgerufen hatten. Am 24. Dezember 2006 erklärte Äthiopien der Union offiziell den Krieg, marschierte in Somalia ein und konnte in wenigen Tagen die Union verdrängen. Die Übergangsregierung versuchte sich mit militärischer Unterstützung Äthiopiens in Mogadischu und im übrigen Land zu etablieren,[20] stieß jedoch auf erheblichen Widerstand von Islamisten, verschiedenen Clans und weiten Teilen der Bevölkerung, die die äthiopische Militärpräsenz ablehnten.[21]
2007 und 2008 lieferten sich regierungstreue Truppen und deren diverse Gegner vor allem in Mogadischu heftige Kämpfe, die Hunderttausende in die Flucht trieben.[22] Tausende Zivilisten wurden getötet und über eine Million mussten zeitweise aus ihren Häusern vor allem in Mogadischu fliehen. Anfang 2009 zogen die äthiopischen Truppen wieder aus Somalia ab. Die militanten Islamisten waren nicht besiegt worden, sondern waren im Gegenteil deutlich stärker geworden. Im Kampf gegen die brutale äthiopische Besatzung hatten sie an Legitimität in den Augen vieler Somalis (auch in der Diaspora) gewonnen. ,[23] Der gemäßigte Islamist Sheikh Sharif Sheikh Ahmed wurde neuer Präsident der Übergangsregierung, die jedoch weiterhin von der radikaleren al-Shabaab bekämpft wird. 2009 verloren die Regierungstruppen fast überall im Land an Einfluss. Vor allem in Südsomalia übernahmen die islamistischen Gruppierungen al-Shabaab und Hizbul Islam die Macht und bekämpften sich auch gegenseitig.[24]
Die USA unterstützen die somalische Übergangsregierung politisch, durch finanzielle Hilfen und mit Waffen. Sie stufen die radikalislamische Miliz al-Shabaab als Terrororganisation ein, die mit al-Qaida zusammenarbeitet. Die USA haben auch mehrmals gezielte Luftangriffe auf Einrichtungen der Islamisten durchgeführt. Die Europäische Union unterstützt finanziell die Übergangsregierung und die Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AMISOM) zu ihrem Schutz.
Die Kampfhandlungen waren auch 2009 und 2010 vornehmlich auf Mogadischu konzentriert. Hier starben weiter tausende Menschen oder wurden zu Flüchtlingen. Die militanten Islamisten, besonders Al Shabaab, kontrollierten bis Ende 2010 den Großteil Süd- und Zentralsomalias. Die Übergangsregierung unter Sheikh Sharif Sheikh Ahmed musste sich in Teilen Mogadischus verschanzen und wurde täglich von mehreren tausend AMISOM-Soldaten beschützt. Al Shabaab unterwarf die Bevölkerung strikten Regeln, denen eine extreme Interpretation des Islam zu Grunde lag. Jede Zuwiderhandlung sowie der bloße Verdacht, mit dem Feind zusammenzuarbeiten, wurde hart bestraft. Es gab aber durchaus auch Somalis, die Al Shabaab zugute hielten, dass sie Ruhe und Ordnung herstellten und die Kriminalität wirksam bekämpften.
Mitte August 2010, zu Beginn des Fastenmonats Ramadan, starteten Al Shabaab und Hizbul Islam eine gemeinsame, großangelegte Militäroffensive um TFG und AMISOM endgültig zu besiegen. Zusammen hatten die Islamisten ungefähr 8000 Kämpfer. AMISOM hatte inzwischen fast die Sollstärke von 8000 Mann erreicht. Auch das TFG hatte 2010 ungefähr 3000 eigene Soldaten zur Verfügung, dank Militärhilfe der USA und Training (auch durch private Sicherheitsdienste), das vornehmlich mit Geldern von EU-Ländern bezahlt wurde. Die Offensive geriet rasch ins Stocken. Die Gründe waren die militärische Stärke des Gegners und Spannungen innerhalb des islamistischen Lagers. Hizbul Islam zerfiel zusehends. Viele ihrer Truppen desertierten, einige liefen zum TFG über. Im Dezember 2010 wurden die Reste von Hizbul Islam offiziell in Al Shabaab integriert. Dies sorgte innerhalb von Al Shabaab für Unruhe.
Der UNO-Sicherheitsrat gewährte im Dezember 2010 die Erhöhung der maximalen Truppenstärke von AMISOM um 4000 auf 12000 Soldaten. Ab Februar 2011 gingen das TFG und AMISOM, unterstützt von ASWJ-Einheiten und Teilen der äthiopischen und kenianischen Armee gegen Al Shabaab vor. Die Hauptkampfplätze waren Mogadischu, die Region Gedo in Westsomalia und Teile Zentralsomalias. Al Shabaab war angeschlagen und verlor zunehmend an Rückhalt in der Bevölkerung. Ein Grund dafür war die unbefriedigende Reaktion der Al Shabaab-Führung um Emir Ahmed Abdi Godane auf die sich seit Monaten zuspitzende Dürre in Somalia. Als der Hunger begann, weigerte sich Al Shabaab, internationale Hilfe zuzulassen. Die Hungersnot wurde vom Sprecher der Gruppe im Juli 2011 als westliche Propaganda dargestellt. Im August 2011 mussten sich Al Shabaab aus Mogadischu zurückziehen. Auch in anderen Teilen Süd- und Zentralsomalia geriet Al Shabaab in Bedrängnis. Es gelang dem TFG und seinen Unterstützern bis Mitte 2011 jedoch nicht, Al Shabaab entscheidend zu schlagen.
Kenianische Armeeeinheiten marschierten am 16. Oktober 2011 in Somalia ein, um Al Shabaab zu bekämpfen. Die kenianischen Truppen rücken auf Afmadow und die für Al Shabaab wirtschaftlich und finanziell wichtige Hafenstadt Kismayu im Süden Somalias zu. Auslöser für die Militäraktion waren Entführungen von Ausländern in Kenia.[25][26]
Politik
Somalia hat seit 1991 keine im gesamten Land anerkannte nationale Regierung. Im Norden streben Teile des Landes ganz offen nach Unabhängigkeit (Somaliland) oder haben sich zu autonomen Teilstaaten Somalias erklärt (Puntland und Galmudug). In weiten Teilen im Süden und Zentrum von Somalia herrschten zumindest bis vor kurzem lokale Clans, Kriegsherren und die islamistische Union islamischer Gerichte oder unklare Verhältnisse. In der Region Himan & Heeb bildet der ehemalige IT-Berater Mohamed Aden eine Art informelle Regierung.[27]
Die Übergangsregierung Somalias ist international anerkannt und repräsentiert das Land in den Vereinten Nationen, der Arabischen Liga und anderen internationalen Organisationen. Seit ihrem Bestehen 2004 hat sie sich im Land selbst aber noch nicht durch die Schaffung von Ruhe und Ordnung und die Bereitstellung von Dienstleistungen ausgezeichnet. Im Gegenteil, die Übergangsregierung ist intern seit Jahren zerstritten und ihren Anführern wird immer wieder vorgeworfen, korrupt zu sein und sich auf Kosten der eigenen Bevölkerung an externen Spenden zu bereichern. Seit Anfang 2011 sieht es zum ersten Mal so aus, als ob die Übergangsregierung die Macht in Mogadischu und Teilen Südsomalias übernehmen könnte - bisher aber nur mit massiver militärischer Hilfe von AMISOM, Kenia und Äthiopien. Ob der mögliche militärische Sieg über Al Shabaab schon eine wirkliche Wende für Somalia nach über zwanzig Jahren Staatslosigkeit und Bürgerkrieg bedeutet, ist fraglich. Die internatonale Staatengemeinschaft hat sich in kurzzeitige Interventionsmaßnahmen – gegen die Terroristen und die Piraten – verrannt und interveniert nun gegen den Hunger, ohne ein wirkliches Konzept zu haben.[28]
Somalia wird oft als „gescheiterter Staat“ bezeichnet. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2010 von Transparency International liegt es auf dem letzten Platz;[29] gemäß Mo Ibrahim Foundation ist es das am schlechtesten regierte Land Afrikas.[30] Bezüglich Pressefreiheit steht das Land laut Reporter ohne Grenzen auf 159. Stelle von 169 Staaten.[31]
Aktuelle Hungerkatastrophe
Mitte 2011 sind mehr als drei Millionen Menschen und damit mindestens ein Drittel der Bevölkerung Somalias auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Notlage betrifft allerdings nur Südsomalia. Hier fielen der Krieg zwischen den islamistischen Al Shabaab-Milizen einerseits und der Übergangsregierung und den Truppen der AMISOM andererseits ab Anfang 2011 mit dem Höhepunkt einer Dürre zusammen. Viele internationale Hilfsorganisationen hatten Somalia auf Grund der anhaltenden Unsicherheit schon länger verlassen. Andere waren, wie das Welternährungsprogramm (WFP), von den Islamisten aus den von ihnen kontrollierten Gebieten hinausgedrängt worden. Al Shabaab warf dem WFP vor, die Umsätze der somalischen Bauern zu drücken und Hilfe an Forderungen westlicher Politik zu binden. Tatsächlich leisteten die USA ab 2009 ihre Beiträge für Hilfsorganisationen nur noch, wenn sichergestellt war, dass Leistungen nicht den „Terroristen“ zugute kommen. Krieg, Fanatismus und ausbleibender Regen führten zu einer Hungerkatastrophe, die viele Somalis das Leben kostete oder zu Flüchtlingen im benachbarten Kenia machte. Die Lage im weitgehend friedlichen Nordsomalia, wo mit Somaliland und Puntland zwei de facto autonome Staatsgebilde bestehen, ist weit weniger dramatisch.
Menschenrechte
Mitarbeiter von humanitären Organisationen, Journalisten und Menschenrechtsverteidiger nehmen bei ihrer Arbeit in Somalia große Risiken auf sich und laufen unter anderem Gefahr, entführt oder ermordet zu werden. Auch 2009 wurden gravierende Menschenrechtsverstöße, einschließlich Kriegsverbrechen, nicht bestraft.
Der UN-Generalsekretär, der unabhängige UN-Experte für die Menschenrechtssituation in Somalia und der Beauftragte des UN-Generalsekretärs für die Menschenrechte Binnenvertriebener sprachen in ihren Berichten von Menschenrechtsverstößen, einschließlich der Rekrutierung von Kindern für den bewaffneten Kampf. Appelle aus dem Ausland und von Kräften in Somalia, Verbrechen im Sinne des Völkerrechts endlich strafrechtlich zu ahnden, blieben wirkungslos.
Alle am laufenden somalischen Bürgerkrieg beteiligten Parteien haben in den letzten Jahren schwerste Menschen- und Kriegsrechtsverbrechen begangen. Äthiopische Truppen, die Armee der Übergangsregierung, AMISOM und die islamistischen Milizen Al Shabaab und Hizbul islam haben ihre Waffen unterschiedslos im dicht besiedelten Gebiet (in Mogadischu) eingesetzt. Zudem wurden die Feinde der jeweiligen Seite oft erbarmungslos verfolgt und Verdächtige ohne rechtliches Verfahren eliminiert. Alle Kriegsparteien haben schwerste Übergriffe auf die Zivilbevölkerung Südsomalias begangen. Frauen wurden massenweise vergewaltigt und Männer, Jugendliche und sogar Kinder von allen Parteien im Krieg zwangsrekrutiert.[32][33]Al-Shabaab-Milizen sind zusätzlich für die Tötungen und Bestrafungen von Menschen verantwortlich, die sich ihrer Auslegung des islamischen Rechts nicht beugten. In den von ihnen kontrollierten Landesteilen war ein dramatischer Anstieg öffentlicher Hinrichtungen, darunter auch Steinigungen, zu verzeichnen. Gleiches galt für die Zwangsamputation von Gliedmaßen und Auspeitschungen. Al-Shabaab-Milizen schändeten auch Gräber führender Geistlicher der islamischen Sufi-Gemeinschaft. Außerdem mussten sich Frauen nach bestimmten Regeln kleiden und durften sich nicht frei bewegen.[34][35] Auch die Situation vieler Kinder bereitet Sorgen. Dadurch, dass das Bildungssystem marode ist, haben die Kinder kaum die Möglichkeit, in die Schule zu gehen. Die Hälfte aller Kinder zwischen fünf und 14 Jahren müssen arbeiten.[36][37] Schätzungen zufolge gibt es ca. 70.000 Kindersoldaten, die von verschiedenen Milizen unter Waffen gehalten werden.[38] In einer Erklärung der UNICEF wurde bekannt gegeben, dass in Somalia der Einsatz von Kindern ansteigt. Kinder ab neun Jahren werden mittlerweile rekrutiert. Die Kindersoldaten werden oft geschlagen oder gar exekutiert, wenn sie von der gegnerischen Seite gefangen genommen werden.[39]
Die Lage der Menschenrechte von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen ist in Somalia sehr schlecht. Nach Angaben der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) wird die Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Beziehungen bzw. homosexuelle Handlungen verhängt.[40]Verwaltungsgliederung
Das Land ist offiziell in 18 Regionen eingeteilt. Diese Einteilung hat seit dem Zerfall des Staates jedoch nur beschränkte praktische Bedeutung:
Wirtschaft
Somalia gehört zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern der Welt, wobei die politische Lage die Erhebung genauer Wirtschaftsdaten schwierig macht.
Schätzungsweise rund 70 % der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft. Ein Großteil davon lebt als Nomaden oder Halbnomaden mit Kamelen, Schafen und Ziegen, in fruchtbareren Gebieten auch mit Rindern. Ackerbau wird vor allem an den Flüssen Jubba und Shabelle und zwischen diesen beiden Flüssen in Südwestsomalia betrieben, daneben auch in kleineren Gebieten Nordsomalias. Vieh und Bananen sind wichtige Exportgüter.
Des Weiteren werden Fisch, Mais, Hirse und Zucker für den inländischen Bedarf angebaut oder hergestellt. Der kleine industrielle Sektor, der hauptsächlich landwirtschaftliche Nutzgüter produziert, beträgt nur 10 % des BIP. Viele Fabriken wurden wegen des Bürgerkriegs geschlossen.[2] Ein Großteil der somalischen Bevölkerung ist auf Geldüberweisungen von Verwandten im Ausland angewiesen, sodass im Dienstleistungssektor Geldüberweisungsinstitute – die meist nach dem informellen Hawala-System funktionieren – mit stetiger Nachfrage rechnen können.
2008 war auch Somalia infolge von hoher Inflation, Trockenheit, verschlechterter Sicherheitslage sowie globalen Faktoren von steigenden Nahrungsmittelpreisen betroffen.[41] Die Vereinten Nationen gingen im Juni 2008 davon aus, dass in den Folgemonaten bis zu 3,5 Mio. Menschen von Nahrungsmittelhilfe abhängen könnten. Damit wurde die Situation als noch dramatischer eingeschätzt als in Darfur.
Teile der Wirtschaft profitieren von dem Zustand ohne funktionierende Regierung und damit ohne staatliche Steuern und Regulierungen. So gilt das Telekommunikationssystem (siehe z. B. NationLink) als günstiger und zuverlässiger als in den Nachbarstaaten. Da keinerlei staatliche Regulierung vorhanden ist, können aber auch Aktivitäten wie Geldfälschung, die Piraterie vor der somalischen Küste oder der ökologisch problematische Holzkohleexport weitgehend ungestört stattfinden.
Entwicklungszusammenarbeit
Die unsichere politische Lage erschwert vor allem in Süd- und Zentralsomalia die Tätigkeit internationaler Hilfsorganisationen, die hier vorwiegend in der humanitären Hilfe tätig sind. UN-Organisationen wie UNICEF und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen liefern humanitäre Hilfe.[42] Im stabileren Norden (Somaliland und Puntland) wird auch (Wieder-)Aufbau betrieben, dies vor allem mithilfe der Geldüberweisungen von Auslands-Somaliern, aber auch durch internationale Organisationen. Wegen des sichereren Umfeldes fließt die internationale Hilfe für Somalia vermehrt in diese nördlichen Gebiete.
Einheimische Organisationen engagieren sich in diversen Bereichen.
Mitte 2008 töteten radikale Islamisten mehrere ausländische und einheimische Helfer, die sie der „Spionage“ verdächtigten.[43]
Piraterie
Somalia liegt in unmittelbarer Nähe wichtiger internationaler Schifffahrtswege. Zugleich besteht seit Anfang der 1990er Jahre keine wirksame Küstenwache. Unter diesen Umständen hat sich die Piraterie vor der Küste Somalias zu einem profitablen Geschäft und einer Gefahr für die internationale Schifffahrt entwickelt. Somalische Fischer, Bürgerkriegskämpfer und Geschäftsleute nehmen ausländische Schiffsbesatzungen in Geiselhaft, um Lösegeld zu erpressen, oder rauben sie aus. Als Ursache für diese Piraterie gilt auch das illegale Eindringen europäischer und asiatischer Fangflotten in somalische Gewässer, wodurch einheimische Fischer ihre Lebensgrundlage verloren und zum Teil auf Piraterie umstiegen.
So stellt die Regierung der teilautonomen Region Puntland laut einem Artikel von IRIN[44] fest, dass die illegale Fischerei durch fremde Fangflotten seit der Präsenz von ausländischen Kriegsschiffen an somalischen Küsten noch zugenommen hat und fordert, dass die Kriegsschiffe auch ausländische Fischer kontrollieren.
Staatshaushalt
Weil der Staat Somalia faktisch nicht existent ist, gibt es derzeit auch keinen Haushalt für den Gesamtstaat. Die Staatsverschuldung betrug 1993 1,9 Mrd. US-Dollar oder 189 % des BIP.[45]
Kultur
Die Kultur Somalias ist vom Nomadentum, dem Islam und (mündlich überlieferter) Dichtung geprägt.
Küche
Die somalische Küche variiert von Region zu Region, insbesondere vom Norden des Landes zum Süden, und enthält Einflüsse von den traditionellen Küchen der Somali, Äthiopier, und mit Abstrichen der Jemeniten, Perser, Türken, Inder und Italiener.
Zum Frühstück gibt es meist Tee und pfannkuchenartiges Brot, welches Canjeero genannt wird. Als Mittagessen wird oft ein gekochtes Hauptgericht auf Reisbasis gekocht, welches häufig mit Kreuzkümmel, Kardamom, Gewürznelken oder Salbei verfeinert wird. Eine abgewandelte Form der italienischen Pasta wird ebenfalls häufig gegessen. Als Getränk dazu gibt es häufig Fruchtsäfte oder Limonaden. Das Abendessen gibt es meist erst gegen 21 Uhr, in der Zeit des Ramadan sogar erst gegen 23 Uhr. Die beliebteste Abendspeise der Somali nennt sich Cambuulo und besteht hauptsächlich aus gekochten Adzukibohnen, Butter und Zucker. Die Kochzeit der Bohnen kann bis zu fünf Stunden betragen. Als Getränk wird abends vor allem mit Kardamom gewürzte Milch getrunken. Zwischendurch werden neben vielen Früchten und Süßwarenspezialitäten wie Halva vor allem spezielle somalische Samosa gereicht.[46]
Musik
Musikalisch zeichnet sich das Land vor allem durch die traditionelle somalische Folklore aus. Beim ersten Hören weist die somalische Musik durchaus Ähnlichkeiten mit derer umliegender Gebiete wie Äthiopien, dem Sudan oder Arabien auf, aber beim genaueren Zuhören erkennt man die speziellen somalischen Melodiestile.[47] Eine bekannte somalische Sängerin war Magool (1948–2004). Neben Maryam Mursal (*1950) ist Magools Neffe K’naan (*1978), der mit Wavin’ Flag in zahlreichen internationalen Charts Platz 1 erreichte, der wohl bekannteste lebende somalische Musiker.[48]
Literatur
Im Land gab es seit langem viele Märchen und Volksgeschichten, welche oft von Generation zu Generation weitergegeben wurden und häufig eine Verbindung zum Islam besaßen. In den 1960er Jahren förderten die beiden Periodika Sahan (dt. etwa „Aufklärung“) und Horseed (dt. etwa „Vorhut, Avantgarde“) die Niederschrift der reichen, bis dahin jedoch ausschließlich mündlichen traditionellen Literatur. Die moderne Literatur entwickelte sich erst nach der Verschriftung der somalischen Sprache. Von da an veröffentlichten verschiedene somalische Autoren Romane, welche zum Teil weltweit erschienen, so auch der somalische Romancier Nuruddin Farah, der mit Werken wie Maps (1986) zu einem der bedeutendsten afrikanischen Schriftsteller der Gegenwart wurde. Ein weiterer populärer somalischer Autor war Farah Mohamed Jama Awl, der vor allem durch sein Buch Ignorance is the enemy of love (1974/1982 englisch) berühmt wurde.[49]
Siehe auch
Portal:Somalia – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Somalia
Literatur
- Ioan M. Lewis: Understanding Somalia and Somaliland: Culture, History and Society, 2008, ISBN 978-1-85065-898-6 (englisch)
- Ali Jimale Ahmed (Hrsg.): The Invention of Somalia, Red Sea Press 1995, ISBN 978-0-932415-99-8.
- Dieter H. Kollmer, Andreas Mückusch (Hrsg.): Wegweiser zur Geschichte: Horn von Afrika. Schöningh, Paderborn 2007, ISBN 978-3-506-76397-6.
- Abdirizak Sheikh, Mathias Weber: Kein Frieden für Somalia? 2. Aufl. Frankfurt 2010, ISBN 978-3-934517-11-0.
- Michael Birnbaum: Krisenherd Somalia. Heyne Verlag, München 2002, ISBN 978-3-453-86109-1.
- Said S. Samatar: Somalia – Nation in Search of a State. 1987, ISBN 978-0-86531-555-6.
- Walter Michler: Weißbuch Afrika. Berlin 1991, ISBN 978-3-8012-0123-4.
- Markus Virgil Höhne und Virginia Luling (Hrsg.): Milk and peace, drought and war: Somali culture, society and politics (Essays in honour of I.M. Lewis). London 2010, ISBN 1-84904-045-1.
- Markus Virgil Höhne: Somalia zwischen Krieg und Frieden. Strategien der friedlichen Konfliktaustragung auf internationaler und lokaler Ebene Hamburg 2002, ISBN 3-928049-84-4.
Weblinks
Wiktionary: Somalia – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenCommons: Somalia – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikimedia-Atlas: Somalia – geographische und historische KartenWikinews: Portal:Somalia – in den Nachrichten- CIA - The World Factbook – Somalia
- Länder- und Reiseinformationen des Auswärtigen Amtes
- Botschaft der Republik Somalia in der Bundesrepublik Deutschland
- Somalia-Dossier der AG Friedensforschung Uni Kassel
- Moshe Terdman: Somalia at War – Between Radical Islam and Tribal Politics. Tel Aviv University, Research Paper No. 2, März 2008 (englisch, PDF, 1,1 MiB)
- Somalia-Aktuell: Aktuelle Meldungen aus Somalia, Chronologie des Somaliakonflikts, Literaturliste zum Thema Somalia, Reportagen aus Somalia.
Einzelnachweise
- ↑ UNEP: After the Tsunami – Rapid Environmental Assessment, p. 126–137
- ↑ a b CIA World Fact Book zu Somalia
- ↑ bevölkerungsstatistik.de zur Bevölkerung afrikanischer Staaten (2010)
- ↑ BBC News: Half of Somalis need aid, says UN, 25. August 2009
- ↑ UNHCR: Number of displaced in Somalia tops 1 million mark
- ↑ Catherine Besteman: Unraveling Somalia – Race, Violence, and the Legacy of Slavery, University of Pennsylvania Press 1999, ISBN 978-0-8122-1688-2
- ↑ David D. Laitin: Politics, Language, and Thought: The Somali Experience, University of Chicago Press 1977, ISBN 978-0-226-46791-7
- ↑ a b The Transitional Federal Charter of the Somali Republic
- ↑ derStandard.at: Hintergrund: Verwaltung, Steuern, Schulen, Müll-Entsorgung: Keine
- ↑ The Constitution of the Republic of Somaliland/Chapter One
- ↑ a b UNICEF Somalia: Statistics, abgerufen am 12. Februar 2010.
- ↑ http://apps.who.int/ghodata/?vid=18300&theme=country
- ↑ http://apps.who.int/ghodata/?vid=61530
- ↑ http://hdrstats.undp.org/en/countries/profiles/SOM.html
- ↑ UNICEF Schweiz: Mädchenbeschneidung
- ↑ U.S. Department of State: I. Laws/Enforcement in Countries where FGM is Commonly Practiced (2001)
- ↑ dpa-Meldung, in: Ärzte Zeitung, 2. November 2005
- ↑ WHO: Somalia is again polio-free
- ↑ Markus Virgil Höhne: Somalia zwischen Krieg und Frieden. Strategien der friedlichen Konfliktaustragung auf internationaler und lokaler Ebene, Institut für Afrika-Kunde 2002, ISBN 3-928049-84-4
- ↑ BBC News: Somali government seeks control
- ↑ [1]
- ↑ BBC News: Living in Somalia's danger zone
- ↑ [2]
- ↑ Sheikh/Weber: "Kein Frieden für Somalia?" Frankfurt 2010, S.135–139
- ↑ http://www.dradio.de/dlf/sendungen/einewelt/1585757/
- ↑ http://www.dw-world.de/dw/article/0,,15465030,00.html
- ↑ Der gefährlichste Auftrag der Welt, in: Die Zeit, 28. Februar 2011
- ↑ Markus Virgil Höhne: Somalia zwischen Bürgerkrieg und Hungerkatastrophe, Blätter für deutsche und internationale Politik 09/2011, S. 18-22
- ↑ http://www.transparency.org/policy_research/surveys_indices/cpi/2010/results
- ↑ Mo Ibrahim Foundation: Ibrahim Index of African Governance
- ↑ rsf.org: Worldwide Press Freedom Index 2007
- ↑ [3] Human Rights Watch
- ↑ [4] Human Rights Watch
- ↑ Jahresbericht 2010 Amnesty International
- ↑ http://www.amnesty.org/en/for-media/press-releases/somalia-girl-stoned-was-child-13-20081031
- ↑ http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/welt/afrika/somalia
- ↑ U.S: Department of labor Report 2007
- ↑ Gesellschaft für bedrohte Völker Kindersoldaten in Somalia stehen zwischen allen Fronten
- ↑ http://www.dw-world.de/dw/article/0,,5692098,00.html
- ↑ Entwicklungszusammenarbeit zur Stärkung der Menschenrechte von Homo- und Transsexuellen Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den deutschen Bundestag Entwicklungszusammenarbeit zur Stärkung der Menschenrechte von Homo- und Transsexuellen vom 12. Oktober 2010
- ↑ IRIN News: Somalia: Harder times ahead as dry conditions, insecurity persist
- ↑ Karten zur Präsenz internationaler Organisationen in Somalia
- ↑ taz.de: Helfer im Visier von Islamisten
- ↑ Somalia: Livelihoods - and lives - at risk in Puntland, in: IRIN News, 24. August 2009
- ↑ Atlapedia
- ↑ Ali, Barlin: Somali Cuisine, AuthorHouse 2007. ISBN 1-4259-7706-5.
- ↑ http://en.wikipedia.org/wiki/Music_of_Somalia
- ↑ http://worldtradetickets.com/de/k-naan/p-1098/2010-08-31/20h00
- ↑ http://www.marabout.de/chronik/laender/somalia.htm
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