Transrapid Teststrecke

Transrapid Teststrecke
Lage der Transrapid-Versuchsanlage Emsland
Detailplan der Transrapid-Versuchsanlage Emsland
Trasse am geraden Abschnitt mit Versorgungsstraße
Trasse in der nördlichen Kurve (Blick nach Süden)
Luftbild der nördlichen Kurve (Blick nach Süden)

Die Transrapid-Versuchsanlage Emsland (TVE) ist ein Testgelände für die Magnetschwebebahn Transrapid mit einer 31,8 Kilometer langen Testrecke im westlichen Teil des Landkreises Emsland in Niedersachsen (Deutschland). Aufgrund des Unfalls vom September 2006 hat die Betreibergesellschaft zur Zeit nur eine Teilgenehmigung der Betriebsvorschrift. Aus diesem Grund sind unter anderem keine Besucherfahrten möglich.

Die Versuchsanlage wird betrieben von der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH[1] (IABG), die seit 1985 mit der Durchführung des Anlagenbetriebs bzw. von Versuchen betraut ist. Ihr Eigentümer ist seitdem die MVP (Versuchs- und Planungsgesellschaft für Magnetbahnsysteme mbH). In den 1980er Jahren wurde die Anlage von der Versuchs- und Planungsgesellschaft für Magnetbahnsysteme mbH, einer Tochter der damaligen Deutschen Bundesbahn und der Lufthansa, betrieben[1].

Mit dem Auslaufen des durch den Bund 2005 bei ThyssenKrupp und Siemens 2005 in Auftrag gegebenen Weiterentwicklungsprogramms (WEP) verliert die Strecke im Juni 2009 ihre Funktion. Laut Industrieangaben soll das Transrapid-System bis dahin anwendungsreif sein, die Testanlage damit keinem Zweck mehr dienen. Die Pflicht zum absehbaren Rückbau der Anlage fällt der IBAG zu. Eine erste, grobe Schätzung geht von etwa 40 Millionen Euro Kosten aus. Die Kosten für den Rückbau trägt, nach einem 1984 abgeschlossenen Betriebsführungsvertrag, der Bund.[1]

Zwischen 1970 und 2008 flossen Bundesmittel in Höhe von rund 800 Millionen Euro in die Anlage. Davon entfiel mehr als die Hälfte auf den Bau der Anlage, der Rest wurde für Betrieb und Instandhaltung aufgewendet. Im Bundeshaushalt 2009 sind Mittel in Höhe von 6 Millionen Euro für den Betrieb der Anlage angesetzt. In Abhängigkeit von der Zahl der Anwendungsfälle sind die beteiligten Industrieunternehmen verpflichtet, bis zu 100 Millionen Euro an Mitteln aus dem Weiterentwicklungsprogramm zurückzuzahlen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Die „Transrapid-Versuchsanlage Emsland“ liegt im Emsland zwischen den Städten Papenburg im Norden und Meppen im Süden sowie östlich der Gemeinden Dörpen im Norden und Lathen im Süden. Wenige Kilometer westlich verläuft ein Abschnitt der Ems an der Anlage vorbei, südöstlich befindet sich die Hügellandschaft Hümmling. Durch das Gelände führt die Trasse des teilweise fertig gestellten Seitenkanal Gleesen-Papenburg.

Die in der Versuchsanlage befindliche Teststrecke führt durch überwiegend ebenes Gelände, lediglich ihre Südschleife verläuft in den südöstlich von Lathen befindlichen Hengstbergen (bis 42 Meter hoch) durch hügeliges und waldreiches Gebiet.

Jenseits der bzw. parallel zur Ems und Versuchsanlage verläuft in Nord-Süd-Richtung ein Abschnitt der A 31 und diesseits des Flusses in gleicher Richtung ein solcher der B 70, über deren Nebenstraßen man zur Anlage gelangen kann.

Teststrecke

Die Teststrecke der „Transrapid-Versuchsanlage Emsland“, die als derzeit längste Teststrecke für Magnetschwebefahrzeuge auf der Erde gilt, besteht aus einem eingleisigen geraden Streckenabschnitt auf einer aufgeständerten Trasse, der dank zweier Endschleifen (Nord- und Südschleife) im Ringverkehr befahren werden kann. Dabei befinden sich am Ende der Geraden zwei Weichen, eine weitere dient der Zufahrt zum Versuchszentrum.

Der gerade Streckenabschnitt ist zwölf Kilometer lang und für Hochgeschwindigkeitsfahrten bis 450 km/h geeignet (Rekordfahrt vom 10. Juni 1993). Der Kurven-Radius der Südschleife beträgt rund 1000 Meter, jener der Nordschleife 1690 Meter[2], in den Kurven beträgt die Seitenneigung des Fahrwegs zwölf Grad. Auf dem Gelände der „Transrapid-Versuchsanlage Emsland“ steht außerdem eine Testhalle sowie das Besucherzentrum.

Geschichte

Bauphase

Die „Transrapid-Versuchsanlage Emsland“ wurde unter der Förderung des Bundesforschungsministeriums von 1980 bis 1987 in zwei Bauabschnitten von der Magnetbahnsystemindustrie gebaut.

Mitte 1979 wurde die Planung einer Versuchsanlage aufgenommen. Im Rahmen des Auswahlprozeses wurde eine Anlage entwickelt, die im vorgegebenen Kostenrahmen alle wesentlichen Elemente eines anwendungsnahen Fahrwegs (Neigungen, Krümmungen, Kuppen, Weichen u. a.) enthalten sollte.[2] Zuvor war die im Donauried geplante Nationale Versuchsanlage für Verkehrstechniken gescheitert.

In einem ersten Bauabschnitt wurde das Versuchszentrum mit einer Versuchsgeraden, entlang des noch unvollendeten Ems-Seitenkanals und der Nordschleife errichtet. Mitte 1983 begannen die vorbereitenden Arbeiten an der zweiten Ausbaustufe (Wendeschleife Süd).[2]

Am 30. Juni 1983 verkehrte erstmals der Transrapid 06 (ferngesteuert) auf der teilweise fertiggestellten Testanlage.[3] Ende Oktober 1983 schwebte der Transrapid erstmals offiziell auf der Anlage. Zuvor war bereits ein 18,5 m langes Sonderfahrzeug – ein Transportfahrzeug für Personen, Geräten und Material – mit 16 Reifen über die Fahrbahn gerollt. Dieses bis zu 50 km/h schnelle Fahrzeug diente auch dem Räumen von Schnee in Höhe von bis zu 55 cm.[4]

Am 4. Mai 1984 durchbrach der Transrapid 06 mit 205 km erstmals die 200-km/h-Marke.[5] Am 16. August 1984 erreichte der TR 06 257 km/h, am 17. Oktober gleichen Jahres stellte das Fahrzeug mit 302 km/h einen neuen Weltrekord für personenbesetzte elektromagnetische Schwebefahrzeuge auf.[6]

Anfang Dezember 1987 schwebte erstmals ein Transrapid über die Südschleife der Versuchsanlage. Am zweiten Betriebstag stellte die Magnetbahn dabei mit 406 km/h einen neuen Weltrekord für personenbesetzte Magnetschwebefahrzeuge auf. Wenig später erreichte die Bahn eine Geschwindigkeit von 412,6 km/h.[7]

Unfälle

  • Ende 2004 kollidierten auf der Teststrecke zwei Werkstattwagen mit ungefähr 60 km/h. Verletzt wurde niemand. Nach diesem Vorfall wurden die Sicherheitsvorschriften verschärft.[8]
  • Am 22. September 2006 ereignete sich ein schwerer Unfall mit 23 Toten und 10 Verletzten. Der Transrapid 08 stieß bei der Geschwindigkeit von 162 km/h mit einem von zwei Arbeitern bemannten Werkstattwagen zusammen. Der Werkstattwagen sowie der vordere Teil der Magnetschwebebahn wurden durch den Aufprall völlig zerstört.[9]. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, dass menschliches Versagen zu diesem Unglück geführt hat. [10] Im Mai 2008 urteilte das Landgericht Osnabrück zwei Betriebsleiter zu Geldstrafen, da diese die Fahrwegsperren nicht hinreichend klar geregelt hätten; der nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hauptschuldige Fahrdienstleiter war nicht verhandlungsfähig.[11] Die Bergung des Unfallzugs wurde zwischen dem 6. und 8. November durchgeführt.

Seit dem Unfall von 2006 ruht der Versuchsbetrieb. Unterdessen haben die Hinterbliebenen der 23 Opfer des Transrapid-Unglücks in Niedersachsen Strafanzeigen wegen fahrlässiger Tötung gegen die Verantwortlichen der Betreibergesellschaft der Teststrecke, IABG, gestellt.

Am 19. April 2007 traf die erste der drei Sektion des ersten Transrapid 09 an der Strecke ein. Am 3. März 2008 wurde eine Teil-Betriebsgenehmigung erteilt, die es erlaubt, den Zug in der Halle zusammenzusetzen und erste Schwebeversuche durchzuführen.

In der Folge des Unglücks wurden rund zwei Drittel der etwa 60 Mitarbeiter zwischen September 2007 und Januar 2008 in Kurzarbeit beschäftigt. Im Dezember 2007 stellte die Betreibergesellschaft bei der dafür zuständigen Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr [12] einen Antrag für eine erneute Betriebsgenehmigung der Anlage. Diese Genehmigung zum Testbetrieb auf der Strecke wurde am 3. Juli 2008 mit verschiedenen Auflagen (bspw. keine Besuchermitfahrten) erteilt. Seit 29. Juli 2008 ist der Transrapid 09 auf der Strecke unterwegs.

Fahrleistungsdaten auf der TVE

Transrapid-Fahrzeuge TR06, TR07 und TR08
Maximalgeschwindigkeit (TR07) (10. Juni 1993) 450 km/h
Längste Nonstop-Fahrt (TR07) (6. Juni 1993) 1.654 Kilometer
Max. Tagesfahrleistung (TR07) (15. August 1990) 2.476 Kilometer
Gesamtfahrleistung TVE (TR06, TR07 und TR08) (bis 13. Dezember 2001) ungefähr 778.500 Kilometer
Besuchermitfahrten TR06 (1983–1989) 21.093
Besuchermitfahrten TR07 (1989–1999) 258.100
Besuchermitfahrten TR08 (bis 22. September 2006) 293.611

Quellenangaben

  1. a b c d Stilllegung der Transrapid Versuchsanlage (sic!) Emsland. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Drucksache 16/11619 vom 19. Januar 2009
  2. a b c Meldung Transrapid Versuchsanlage im Emsland: Vorbereitungen für den Bau der Südschleife. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 33, Nr. 6, 1984, S. 553 f.
  3. Meldung Transrapid-Versuchsanlage im Emsland. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 32, Nr. 7/8, 1983, S. 556
  4. Meldung Spezialfahrzeug für Magnetbahn-Emsland. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 33, Nr. 11, 1984, S. 870.
  5. Meldung Transrapid 06 inzwischen 200 km/h schnell. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 33, Nr. 6, 1984, S. 553.
  6. Geschwindigkeitsrekord für TRANSRAPID 06. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 33, Nr. 9, 1984, S. 725 f.
  7. Meldung Exportchancen der Magnetbahn Transrapid deutlich verbessert. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 1/2, Nr. 37, 1988, S. 89 f.
  8. Kölner Stadt-Anzeiger (Tina Dettmar): Ein gewaltiger Aufprall, 22. September 2006
  9. Die Welt (Freia Peters): Das Protokoll einer Katastrophe, 8. Oktober 2006
  10. Unfall: Transrapid-Unglück aufgeklärt - Nachrichten Politik - WELT ONLINE. www.welt.de (19. Juli 2007). Abgerufen am 25. Oktober 2008.
  11. Manager-Magazin vom 23. Mai 2008
  12. Nds. Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr - Zuständigkeit für die Genehmigung der Betriebsvorschriften als technische Aufsichtsbehörde

Weblinks

52.8715447.3495727Koordinaten: 52° 52′ 18″ N, 7° 20′ 58″ O


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