Barkhausensche Röhrenformel

Barkhausensche Röhrenformel

Die Barkhausensche Röhrenformel, benannt nach dem deutschen Physiker Heinrich Georg Barkhausen, fasst die drei charakteristischen Größen einer Elektronenröhre

in der Beziehung

S \cdot D \cdot R_i = 1

zusammen.
Die Entdeckung der Zusammenhänge und Niederschrift als Formel wird fälschlicherweise Barkhausen zugeschrieben, tatsächlich wurde diese bereits 1914 von van der Bijl, einem Mitarbeiter der Western Electric, in den USA festgehalten. Barkhausen hat diese Formel im Rahmen seiner ab 1918 erfolgenden, umfangreichen Forschungen zu den Vorgängen in Elektronenröhren einem größeren Publikum zugänglich gemacht.

Dabei ist die Steilheit S definiert als

S = \left[ \frac{\partial I_a}{\partial U_g} \right]_{U_a=\rm{konstant}} \approx \left[ \frac{\Delta I_a}{\Delta U_g} \right]_{U_a=\rm{konstant}}

was man als Steigung des Graphen Ia aufgetragen über Ug ablesen kann.

Für den Durchgriff D gilt der Zusammenhang

D = -\left[ \frac{\partial U_g}{\partial U_a} \right]_{I_a=\rm{konstant}} \approx - \left[\frac{\Delta U_g}{\Delta U_a} \right]_{I_a=\rm{konstant}}.

Der Innenwiderstand Ri schließlich lässt sich als reziproke Steigung des Graphen Ia aufgetragen über Ua ablesen. Formelmäßig ausgedrückt:

R_i = \left[ \frac{\partial U_a}{\partial I_a} \right]_{U_g=\rm{konstant}} \approx \left[ \frac{\Delta U_a}{\Delta I_a} \right]_{U_g=\rm{konstant}}.

In allen drei Formeln bezeichnet Ia den Anodenstrom, Ua die Anodenspannung und Ug die am Gitter anliegende Spannung.

Vorzeichendiskrepanzen

In der Fachliteratur immer wieder falsch angegeben ist das Vorzeichen des Durchgriffs. [1] Zusammen mit der Tatsache, dass das Ergebnis der Formel +1 ist, erscheint eine einzelne negative Zahl innerhalb der Formel falsch.

Aus der Definition des Durchgriffs geht hervor, dass der Durchgriff das Verhältnis der Anoden- zu Gitterspannung ist, damit der Anodenstrom konstant bleibt. Das heißt, bei steigender Anodenspannung muss die Gittervorspannung negativer werden, um den Anodenstrom konstant zu halten. Umgekehrt muss bei sinkender Anodenspannung die Gittervorspannung positiver werden, um den Anodenstrom konstant zu halten. Das Vorzeichen ist daher negativ.

Auf der rechten Seite der Röhrenformel steht nach der Multiplikation aller Werte trotzdem +1, denn nach dem Einsetzen der Differenzen in die Röhrenformel dürfen diese Differenzen nicht heraus gekürzt werden. Das ist mathematisch falsch, weil sie unter verschiedenen Bedingungen gelten.

Die Barkhausensche Röhrenformel ist eine Anwendung der Euler'schen Kettenregel für partielle Ableitungen, die z.B. in der Thermodynamik häufig angewendet wird. Die Herleitung aus den Eigenschaften des totalen Differentials ergibt, dass entweder alle Ableitungen positiv genommen und auf der rechten Seite -1 gesetzt werden muss, oder, wie hier, eine der Ableitungen mit einem Minuszeichen versehen wird, und auf der rechten Seite +1 steht.

Besser kommt das Ganze zur Geltung, wenn man anstelle der Differenzen Differentiale verwendet. Exakt ist z. B. folgende Herleitung:

  • Das Verhalten einer Röhre wird durch ihr (nichtlineares) Kennlinienfeld beschrieben: I_a=f(U_g,U_a). \,
  • Für das Kleinsignalverhalten (für welches die Röhrenformel nur gilt) wird die Kennlinie linearisiert, indem man das totale Differential bildet: dI_a=\frac{\partial I_a}{\partial U_g}\cdot dU_g + \frac{\partial I_a}{\partial U_a}\cdot dU_a.
  • Mit den Definitionen für die Steilheit S=\left[\frac{\partial I_a}{\partial U_g}\right]_{U_a=\rm{konstant}} und den Innenwiderstand R_i=\left[\frac{\partial U_a}{\partial I_a}\right]_{U_g=\rm{konstant}} erhält man dI_a=S\cdot dU_g + \frac{1}{R_i}\cdot dU_a.
  • Bei der „Messung“ des Durchgriffs ist Ia konstant (also dIa = 0). Deshalb gilt S\cdot dU_g + \frac{1}{R_i}\cdot dU_a=0.
  • Mit der Definition des Durchgriffs D=-\left[\frac{\partial U_g}{\partial U_a}\right]_{I_a=\rm{konstant}} erhält man nach Umstellung exakt S\cdot R_i\cdot D=1.

Literatur

  • Heinrich Barkhausen: Elektronenröhren, Band 1. S. Hirzel, Leipzig 1924.
  • Philippow: Grundlagen der Elektrotechnik. Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig K.-G., Leipzig 1967.
  • Philippow: Taschenbuch Elektrotechnik - Band 3. Verlag Technik, Berlin 1969.
  • Pfeifer: Elektronik für Physiker - Band II. Akademie-Verlag, Berlin 1966.
  • Schröder: Elektrische Nachrichtentechnik - II. Band. Verlag für Radio-Foto-Kinotechnik GmbH, Berlin-Borsigwalde 1966.
  • Rint: Handbuch für Hochfrequenz- und Elektrotechnik - I. Band. Verlag für Radio-Foto-Kinotechnik GmbH, Berlin-Borsigwalde 1964.
  • Lange: Signale und Systeme - Band 2. Verlag Technik, Berlin 1968.
  • Ernst Erb: Radios von gestern. 4 Auflage. Funk Verlag Bernhard Hein e. K., Dessau-Roßlau 2009, ISBN 978-3-939197-49-2.

Einzelnachweise

  1. Beispielsweise in der zeitgenössischen Fachliteratur wie: Friedrich Benz: Einführung in die Funktechnik, Springer Verlag, 3. Auflage, 1944, Seite 150 ff.

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