- Tränenwege
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Als Tränenwege (Viae lacrimales) werden die anatomischen Strukturen des Tränenapparates bezeichnet, die der Ableitung der von den Tränendrüsen gebildeten Tränenflüssigkeit zur Nase dienen. Zu den Tränenwegen gehören die beiden Tränenpunkte und Tränenkanälchen, der Tränensack sowie der Tränen-Nasen-Gang.
Bei normaler Tränenproduktion leiten die Tränenwege die Tränenflüssigkeit in die Nase ab, wo sie verdunstet. Erst bei vermehrter Tränenproduktion oder Störung des Abflusssystems kommt es zu einem Überlaufen der Tränenflüssigkeit über den Lidrand, was als Epiphora (griechisch für „Tränenträufeln“) bezeichnet wird.
Inhaltsverzeichnis
Aufbau und Funktionsweise beim Menschen
Häutige Tränenwegspassage
Die Tränenflüssigkeit wird über den Lidschlag über der Hornhaut verteilt und hält diese feucht. Anschließend wird sie über zwei punktförmige Öffnungen am nasenseitigen Lidwinkel, die Tränenpunkte (Puncta lacrimalia), aus dem Bindehautsack mit dem Tränensee (Lacus lacrimalis) abgeleitet. Die Tränenpunkte sind mit einem Ringmuskel ausgestattet, der die Öffnung der Tränenpunkte (0,34–0,64 mm) verschließen kann.
Von diesen Punkten führt jeweils ein Tränenkanälchen (Canaliculus lacrimalis) zunächst 1,5–2 mm nach vertikal und biegt dann in einem spitzen Bogen in den 6–8 mm langen horizontalen Anteil ab. In der Regel vereinigen sich oberes und unteres Tränenkanälchen dann zu einem horizontal verlaufenden gemeinsamen Tränenkanälchen (Ductus lacrimalis communis), der feingeweblich als zum Tränensack (Saccus lacrimalis) gehörig angesehen wird und in den er mündet. Der Tränensack liegt ebenfalls in der Augenhöhle, am unteren Teil des Auges in einer seichten Grube (Fossa sacci lacrimalis) im Tränenbein (Os lacrimale). Er misst beim Menschen 12 mm in der Vertikalen und etwa 4 mm in der Horizontalen und hat ein durchschnittliches Volumen von 20 µl. Als „Tränensäcke“ wird volkstümlich auch die erschlaffte und herabhängende Haut der Unterlider bezeichnet (Dermatochalasis), gegebenenfalls in Kombination mit einer Lidschwellung durch das hervorquellende Fettgewebe in die Lider. Diese haben keine Beziehung zum Tränenapparat.
Der Augenringmuskel (Musculus orbicularis oculi) kann, vermittelt über eine sehnige Struktur (Lidbändchen), den Tränensack komprimieren und dadurch einen Unter- bzw. Überdruck erzeugen, der die Tränenflüssigkeit ansaugt beziehungsweise in den Tränen-Nasen-Gang (Ductus nasolacrimalis) weiterleitet. Der Tränen-Nasen-Gang ist allseits von knöchernen Strukturen umgeben und mündet beim Menschen nach maximal 5 mm in den unteren Nasengang. Die Mündungsstelle des Tränen-Nasen-Gang verhält sich tierartlich-vergleichend sehr verschieden. Selbst innerhalb einer Art kann die Mündung in der Mitte des unteren Nasengangs oder erst im Nasenvorhof liegen, wie beispielsweise bei Hunden. In der Nase dient die Tränenflüssigkeit zur Befeuchtung der Nasenschleimhaut und verdunstet. Ein Ventilmechanismus (Hasner-Falte oder -Klappe) verhindert das Zurückfließen der Tränen.
Der häutige Tränenwegsschlauch weist eine Vielzahl an Engstellen, Falten und Buchten auf. Von oben nach unten werden folgende Strukturen passiert:
- Bochdalek-Falte
- Rosenmüller-Falte
- Arlt-Sinus
- Kraus- oder Berault-Falte
- Spiralfalte nach Hyrtl
- Taillefer-Klappe
- Hasner-Falte (Plica lacrimalis): Schleimhautfalte an der Mündung des Tränen-Nasen-Gangs
Die Tränenkanälchen sind mit einem mehrschichtigen Plattenepithel, die übrigen Tränenwege mit einem mehrreihigen Zylinderepithel ausgekleidet. Darunter liegt lockeres Bindegewebe, in welches ein ausgedehntes venöses Geflecht (Plexus) eingebettet ist. Die Pulsation der Blutgefäße unterstützt den Tränenabfluss.
Knöchernes Stützskelett der Tränenwege
Der obere Anteil der knöchernen Tränenwegspassage hat seinen Ursprung an der Tränengrube (Fossa sacci lacrimalis), welche nach vorne und hinten durch eine knöcherne Kante (Crista lacrimalis) des Tränenbeins (Os lacrimale) begrenzt wird. Im oberen Teil sind sie den Siebbeinzellen, im unteren Teil dem mittleren Nasengang benachbart. Nach unten hin schließt sich der Tränenkanal an, dessen Grenzen zur Seite von einer Rinne des Oberkieferknochens (Sulcus lacrimalis maxillae) und nasenwärts von einem Vorsprung des Nasenbeins (Processus lacrimalis des Os conchale) gebildet werden. Die Rückwand wird im seitlichen Anteil von einem Teil des Oberkieferknochens und nasenwärts vom mittleren Nasengang gebildet. Der Tränenkanal mündet in den unteren Nasengang.
Da der Gesichtsschädel des Menschen eine sehr variable Form haben kann, variieren auch die Maße der knöchernen Passage. Die Länge der Tränengrube beträgt etwas 16 mm und ist 5–6 mm breit, der Kanal ist zwischen 12,4 und 15 mm lang. Er verläuft in einem Winkel von 15–25 ° nach „hinten und zur Seite“ nach unten, so dass die Kanäle beider Seiten auseinander weichen.
Entwicklungsgeschichte
Ab einer Embryonenlänge von etwa 8 mm lässt sich die Tränenrinne nachweisen. Sie ist am seitlichen Nasenfortsatz gelegen und fungiert als Wachstumsschiene für die häutigen Tränenwege. Diese wachsen zunächst als solide Epithelstränge in das Mesenchym ein.
Am hinteren Ende sprossen zwei Hohlstränge in Richtung des nasenwärtigen Lidwinkels. Ihre Verwachsungen mit dem Lidrandepithel stellen die Tränenpünktchen dar. Der distale Anteil sprosst in den unteren Nasengang ein. Ab dem 3. Monat beginnt die Aushöhlung dieser soliden Stränge, so dass bis zum 5.–6. Monat der Entwicklung sowohl die Tränenpünktchen als auch der Zugang zur Nase eröffnet ist. Letzterer Schritt bleibt bei etwas 70 % der Fälle bis zum Zeitpunkt der Geburt aus (siehe Kongenitale Stenose).
Tränenwege bei Tieren
Die anatomischen Strukturen der Tränenwege von Säugetieren sind grundsätzlich ähnlich aufgebaut. Es gibt jedoch auch Abweichungen: So ist bei einigen Säugetieren (z. B. Kaninchen) auf jeder Seite nur ein Tränenpunkt ausgebildet.
Untersuchungstechniken
Beim Farbstofftest wird ein Farbstoff in den Bindehautsack gegeben. Bei normal funktionierenden Tränenwegen sollte der Farbstoff nach kurzer Zeit (etwa 5 min.) abtransportiert sein und sich nicht mehr im Bindehautsack finden lassen. Beim Jones-Test wird ebenfalls ein Farbstoff in den Bindehautsack gegeben. Der Test wird als negativ bezeichnet, wenn kein Farbstoff im Ausführungsgang in der Nase gefunden wird. Dies ist ein Hinweis auf Undurchgängigkeit der Tränenwege.
Bei der Tränenwegssondierung und -spülung werden mit einer speziellen stumpfen Tränenwegskanüle die Tränenwege auf Passierbarkeit und schließlich Spülbarkeit untersucht. Der knöcherne Anteil der Tränenwege kann auf diese Weise nur bei einem narkotisierten Patienten untersucht werden.
Von den bildgebenden Verfahren sind vor allem die Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel (Dakryozystographie, DCG), gegebenenfalls in digitaler Subtraktionstechnik sowie die Computertomographie (CT-Dakryozystographie) von Bedeutung. Magnetresonanztomographie, Szintigraphie, Ultraschalluntersuchung und Endoskopie können für Spezialfälle ebenfalls zur Diagnostik herangezogen werden.
Erkrankungen und Funktionsstörungen
Überproduktion von Tränenflüssigkeit
Erst bei einer überschüssigen Tränenproduktion (zum Beispiel durch Entzündungen der Bindehaut oder beim Menschen auch emotional bedingt) reicht die Transportkapazität dieses ableitenden Systems nicht aus und der Tränensee läuft über die Lidkante, dann „kullern die Tränen“ über das Gesicht. Gleichzeitig kommt es auch zu einem erhöhten Flüssigkeitsvolumen in der Nasenhöhle (die Nase tropft).
Fehlstellung der Lider
Bei einer Fehlstellung der Lider nach auswärts (Ektropium), tauchen die Tränenpünktchen nicht mehr in den Tränensee ein. Die Tränenflüssigkeit kann dadurch nicht in die Tränenwege gelangen und es kommt zu Tränenträufeln. Eine operative Korrektur der Lidfehlstellung ist in diesen Fällen erforderlich.
Verstopfung und Einengung
Auch bei einer angeborenen (Fehlbildung) oder erworbenen Verstopfung oder Einengung (Stenose) der Tränenabflusswege, etwa durch bakterielle Infekte oder Entzündungen der Nase (Schnupfen) mit Zuschwellen der Öffnung des Tränen-Nasen-Gangs, kommt es zu einem Tränenfluss über die Lidkante. Die Engstellung kann sowohl im Bereich der Tränenkanälchen (präsaccal) oder im Bereich des Saccusausgangs bzw. des Tränennasengangs (postsaccal) auftreten. Wenn eine medikamentöse Therapie nicht ausreicht, können die natürlichen Tränenwege operativ wiederhergestellt werden (z. B. Tränenwegsendoskopie) oder eine Umgehung (Bypass) der Engstelle zur Nase geschaffen werden. In Einzelfällen ist die Einpflanzung einer Tränenwegsprothese erforderlich. Bei allen operativen Eingriffen an den Tränenwegen ist in aller Regel eine Narkose erforderlich.
Kongenitale Stenose
Bei Kindern verhindert manchmal eine sich nicht öffnende Hasner-Klappe (s.o.) den Abtransport der Tränen (kongenitale Tränenwegsstenose). In diesen Fällen kann mit einer speziellen stumpfen Tränenwegskanüle der Tränenweg sondiert und gespült werden. Da dieser Eingriff schmerzhaft ist, sollte er in Narkose durchgeführt werden.
Entzündungen
Eine Entzündung des Tränensacks wird als Dakryozystitis bezeichnet. Pathologisch handelt es sich um ein Empyem. Es kommt hierbei zu einer schmerzhaften Schwellung im Bereich des Tränensackes. Manchmal entleert sich Eiter spontan über die Haut, in Einzelfällen muss der Tränensack durch eine Stichinzision entlastet werden. Eine antibiotische Therapie ist meistens erforderlich. Durch die anatomische Nähe zu Blutgefäßen, die in das Gehirn ziehen (Vena angularis), können lebensbedrohliche Komplikationen entstehen. Da zumeist eine Abflussstörung die Ursache für die Entzündung bildet, ist letztendlich oft eine operative Sanierung notwendig.
Auch die Tränenkanälchen können sich entzünden (Canaliculitis) und zu einer schmerzhaften Schwellung führen. Oft sind bakterielle Entzündungen und/oder Tränenwegssteinchen (Dakryolithen) die Ursache hierfür. Eine antibiotische Therapie ist oft erforderlich, gegebenenfalls auch eine operative Entfernung der Tränenwegssteinchen.
Verletzungen
Bei Verletzung der Lider nasalwärts der Tränenpünktchen kann es zu einer Beteiligung der Tränenkanälchen kommen. Eine Verletzung der Tränenwege muss rechtzeitig erkannt werden und eine operative Wiederherstellung der Tränenkanälchen durchgeführt werden, da es sonst zu einer Narbenheilung und Funktionsverlust mit Tränenträufeln kommen kann.
Literatur
- Axenfeld/Pau: Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag, 1980, ISBN 3-437-00255-4
- Paul Simoens: Sehorgan, Organon visus. In: Salomon/Geyer/Gille (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. Enke Stuttgart. 2. erw. Aufl. 2008, S. 579–612. ISBN 978-3-8304-1075-1
- Waldeyer: Anatomie des Menschen. Walter de Gruyter, 17. Aufl. 2002, S. 587–588. ISBN 978-3-1101-6561-6
Kategorien:- Anatomie des Auges
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