Barrett-Ösophagus

Barrett-Ösophagus
Klassifikation nach ICD-10
K22.1 Barrett-Ulkus
K22.7 Barrett-Ösophagus
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Als Barrett-Ösophagus – nach dem britischen Chirurgen Norman Rupert Barrett, der 1957 das Krankheitsbild beschrieb[1] – bezeichnet man eine metaplastische Umwandlung des Epithels der Speiseröhre. Veraltet wird die Erkrankung auch als Endobrachyösophagus (gr. ένδον innen, βραχύς kurz, οίσοφάγος Speiseröhre) bezeichnet. Der Barrett-Ösophagus ist eine Komplikation der Refluxkrankheit, also des partiellen Zurücklaufens von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre. Die Umwandlung von Plattenepithel in Zylinderepithel führt zu einer innerlichen Verkürzung der Speiseröhre, woher auch der griechische Name rührt.

Die Ausbildung eines ösophagealen Ulcus pepticum auf der metaplastischen Schleimhaut wird als Barrett-Syndrom oder Allison-Johnstone-Syndrom bezeichnet.

endoskopisches Bild eines Barrett-Ösophagus

Inhaltsverzeichnis

Definition

Im engeren klinischen Sinne wird nur eine zirkuläre (den gesamten Umfang der Speiseröhre erfassende) Metaplasie, die von der Z-Linie (dem physiologischen Übergang von Platten- in Zylinderepithel) in Richtung Mundhöhle reicht, als Barrett-Ösophagus bezeichnet. Man unterscheidet hier den kurzsegmentigen Barrett-Ösophagus (sogenannter Short-Segment-Barrett-Ösophagus) mit einer Länge bis 3 cm und dem langsegmentigen Barrett-Ösophagus (sogenannter Long-Segment-Barrett-Ösophagus) mit einer Länge über 3 cm.

Epidemiologie

Die Anzahl der gastroskopierten Patienten, die einen Endobrachyösophagus aufwiesen, schwankte je nach Studie zwischen einem und vier Prozent. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen.[2] Signifikante Risikofaktoren sind erhöhter Alkohol- und Nikotingenuss.[3] Zudem wird, je nach Erregerlokalisation, sowohl eine schützender als auch krankheitsfördernder Einfluss der Helicobacter pylori-Infektion diskutiert.

Pathophysiologie und Einteilung

Normalerweise ist die Speiseröhre in ihrer gesamten Ausdehnung von mehrschichtigem Plattenepithel ausgekleidet. Durch wiederholte oder chronische Entzündungen, häufig infolge des gastroösophagealen Reflux, kann sich dieses Epithel in hochprismatisches Zylinderepithel mit Becherzellen umwandeln, wie es für die Darmschleimhaut typisch ist. Die Schleimhaut kann aber prinzipiell verschiedene Epithelien des Gastrointestinaltraktes nachahmen (Kardia-Typ, Fundus-Typ mit Belegzellen, intestinaler Typ mit Zotten und Becherzellen). Als Ursache wird eine Fehlsteuerung bei der Regeneration der Schleimhaut nach erosiver Ösophagitis angesehen. Das Zylinderepithel ist zwar widerstandsfähiger gegenüber der Säure- und Pepsinbelastung, trägt dafür das Risiko weiterer Entartung (Dysplasie) in sich. Außerdem neigt es zur Ulzeration (Barrett-Ulkus) und Ausbildung von Strikturen.

Die Metaplasie bildet sich in den allermeisten Fällen direkt am gastroösophagealen Übergang aus, also am Endsegment der Speiseröhre, kurz bevor diese in den Magen mündet. Die Umwandlung des Epitheltyps ist definitiv und bildet sich auch unter adäquater Behandlung des Reflux nicht oder nur teilweise zurück.

Die makroskopische Einteilung (entsprechend bei der Endoskopie direkt sichtbaren Veränderungen) erfolgt nach der "Prag-Klassifikation". Dabei werden zwei Maße kombiniert: 1. die Länge der Veränderungen, die sich über den gesamten Umfang der Speiseröhre erstrecken (circumferrentielle Metaplasie) wird in Zentimeter zusammen mit der Bezeichnung "c" vermerkt und 2. die zusätzlichen, meist zungenförmigen Ausläufer werden ebenfalls in Zentimeter angegeben mit der Bezeichnung "m" für maximale Ausdehnung. Beispielsweise bedeutet ein Befund "C8M9" eine ringförmige Metaplasie auf 8 cm und eine größte Längenausdehung der Metaplasie von 9 cm.

Karzinomentstehung

Das Risiko für die Ausbildung eines Adenokarzinoms (des sogenannten Barrett-Karzinoms) auf Boden eines Barrett-Ösophagus liegt bei etwa 0,5–1,5 % pro Patientenjahr, für eine Dysplasie bei 4,5 %.[4] Es handelt sich damit um eine so genannte Präkanzerose.

Spezifische Maßnahmen

Bei Nachweis eines Barrett-Ösophagus ist die regelmäßige endoskopische Kontrolle geboten. Die Meinungen über die notwendige Häufigkeit ist allerdings umstritten. Metaplasien, die nur die distalen zwei bis drei Zentimeter erfassen (short-segment-Barrett), brauchen nach Ansicht einiger Experten gar nicht routinemäßig kontrolliert zu werden, da das Risiko der Karzinomentstehung gering sei. Darüber hinausgehende Metaplasien (long-segment-Barrett; Endobrachyösophagus im engeren klinischen Sinne) sollten zunächst jährlich und ab dem dritten Jahr einer zweijährlichen Kontrolle durch Ösophago-Gastroskopie unterzogen werden. Die Konfokale Endomikroskopie bietet hohe Sicherheit bei der Diagnose neoplastischer Veränderungen.[5] Bei nachgewiesener höhergradiger Dysplasie wird das betroffene Segment reseziert.

In den letzten Jahren hat sich bei frühen bösartigen Veränderungen im Barrett-Ösophagus (sogenannte hochgradige intraepitheliale Neoplasie und auf die Mukosa beschränktes Adenokarzinom) die endoskopische Therapie etabliert. An erster Stelle ist vor allem die endoskopische Resektion zu nennen. Mit dieser Methode wird während einer normalen endoskopischen Untersuchung der Tumor zunächst eingesaugt und dann mit einer Schlinge reseziert. Die endoskopische Therapie ist mittlerweile gut untersucht und auch die Langzeitergebnisse belegen deren Effektivität und Sicherheit. Der Vorteil gegenüber einer konventionellen Operation, die mit einer Sterblichkeitsrate von 5–20 % und einer Komplikationsrate von 30–50 % einher geht, ist die geringe Belastung des Patienten ohne schwerwiegende Komplikationen. Bei bösartigen Veränderungen, die tiefer in die Wandschichten der Speiseröhre einwachsen (in die Submukosa) sollte jedoch eine chirurgische Therapie in einem erfahrenen chirurgischen Zentrum (mehr als 20 Speiseröhrenresektionen pro Jahr) durchgeführt werden, da in diesem Fall das Risiko einer Lymphknotenmetastasierung (etwa 30 %) gegeben ist.

Literatur und Quellen

  • Dietel, Dudenhausen, Suttorp (Hrsg.): Harrisons Innere Medizin, 2.Band, McGraw-Hill, ABW Wissenschaftsverlag (2003)
  • Shaheen NJ, Crosby MA, Bozymski EM, Sandler RS. (2000) Is there publication bias in the reporting of cancer risk in Barrett's esophagus? Gastroenterology;119(2):333-8.
  • von Rahden BHA, Stein HJ (2007) Barrett’s Esophagus and Barrett’s Carcinoma. Curr GERD Rep 1:125-32.
  • Pech O, May A, Rabenstein T, Ell C. Endoscopic resection of early oesophageal cancer. Gut 56 (2007) 1625.
  • Pech O, Behrens A, May A, Nachbar L, Gossner L, Rabenstein T, Manner H, Guenter E, Huijsmans J, Vieth M, Stolte M, Ell C (2008). Long-term results and risk factor analysis for recurrence after curative endoscopic therapy in 349 patients with high-grade intraepithelial neoplasia and mucosal adenocarcinoma in Barrett's oesophagus. Gut 57(9):1200-6.
  • Ell C, May A, Pech O, Gossner L, Guenter E, Behrens A, Nachbar L, Huijsmans J, Vieth M, Stolte M.(2007) Curative endoscopic resection of early esophageal adenocarcinomas (Barrett's cancer). Gastrointest Endosc 65 3.
  • Pech O, Gossner L, May A, Rabenstein T, Vieth M, Stolte M, Berres M, Ell C. (2005) Long-term results of photodynamic therapy with 5-aminolevulinic acid for superficial Barrett’s cancer and high-grade intraepithelial neoplasia. Gastrointest Endosc; 62:24-30.
  • Birkmeyer JD, Siewers AE, Finlayson EV, Stukel TA, Lucas FL, Batista I, Welch HG, Wennberg DE.(2002) Hospital volume and surgical mortality in the United States. N Engl J Med;346(15):1128-37
  • Birkmeyer JD, Stukel TA, Siewers AE, Goodney PP, Wennberg DE, Lucas FL.(2003) Surgeon volume and operative mortality in the United States. N Engl J Med;349(22):2117-27
Einzelnachweise
  1. Barrett N.R.: The lower esophagus lined by columnar epithelium. Surgery 1957;41:881–894. PMID 13442856.
  2. Cook M.B. et al.: A systematic review and meta-analysis of the sex ratio for Barrett's esophagus, erosive reflux disease, and nonerosive reflux disease., Am J Epidemiol. 2005 Dec 1;162 (11): 1050 - 61 PMID 16221805.
  3. Ronkainen J. et al.: Prevalence of Barrett's esophagus in the general population: an endoscopic study, Gastroenterology. 2005 Dec;129 (6): 1825 - 31 PMID 16344051.
  4. Sharma, P. et al.: Relative risk of dysplasia for patients with intestinal metaplasia in the distal oesophagus and in the gastric cardia. In: Gut 2000;46:9–13. 8. Dezember 2006, abgerufen am 21. Juni 2010 (PDF, 84 kB): „dysplasia risk is significantly greater in short segment Barrett’s oesophagus (SSBO) than in cardia intestinal metaplasia (CIM)“PMID 1727775
  5. Meining A, Saur D, Bajbouj M, Becker V, Peltier E, Höfler H, von Weyhern CH, Schmid RM, Prinz C. In vivo histopathology for detection of gastrointestinal neoplasia with a portable, confocal miniprobe: an examiner blinded analysis. Clin Gastroenterol Hepatol. 2007 Nov;5(11): 1261-7 PMID 17689297.

Weblinks

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