Tüdelband

Tüdelband
Mädchen beim Reifenwerfen (1903)

Der Reifen, selten auch Reif genannt, ist ein Spielzeug, das in vielen Kulturen der Welt der Förderung der Geschicklichkeit dient. Er war früher fast ausschließlich aus Holz per Hand gefertigt und ist seit den 1950er Jahren besonders in seiner Form aus Kunststoffrohr als Hula-Hoop-Reifen bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ganymede, antikes Griechenland, um 500 v. Chr. mit einem Reifen

Belegt ist, dass bereits Hippokrates im 4. Jahrhundert v. Chr. in einer seiner medizinischen Abhandlungen das so genannte Reifentreiben empfahl. Menschen mit schwacher Konstitution sollten diese Übung zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit nutzen.

Artemidoros, ein Wahrsager aus dem 2. Jahrhundert, meint in seinem Traumdeutungswerk: Einen Reifen treiben bedeutet, man werde Anstrengungen unterworfen, aus denen dem Träumenden ein Nutzen entstehen wird.

Kind beim Reifentreiben, 1853
Knabe im Matrosenanzug mit Holzreifen, um 1902–1905

Auch bei den Indianern Nordamerikas und den Inuit diente der Reifen zum spielerischen Erlernen der überlebensnotwendigen Jagdtechniken. Jemand trieb einen Reifen vor sich her und andere warfen mit langen Stangen durch die Öffnung. Oder ein mit Riemen umflochtener Reifen wurde an einer Reihe junger Bogenschützen vorbeigerollt und anhand der Pfeilkennzeichnung konnte man anschließend den Sieger feststellen.

Im 19. Jahrhundert war der Umgang mit den leichten Holzreifen für Jungen und Mädchen gang und gäbe. Regelrechte Wettläufe wurden veranstaltet, und obwohl die etwas steife und strenge Kleidung der Oberschicht so gar nicht dazu zu passen schien, vertrieb sich auch der junge Adel seine Zeit damit.

Eine wahre Wiedergeburt erlebte der Reifen als Spielzeug Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre, als er in Form des Hula-Hoop-Reifens in die Kinderzimmer zurückkehrte (siehe auch: [1]). Nicht nur die Kleinen ließen nun die Hüften kreisen und erfanden Kunststücke mit dem Kunststoffgerät. Dauerhulahoopen war da noch die einfachste wettbewerbsmäßig ausgetragene Disziplin, der sich auch Jugendliche und Erwachsene unterwarfen. In Varietés und Zirkus sah man Artisten und Artistinnen mit Dutzenden von Reifen um Hals und Bauch jonglieren und mancher Orthopäde hatte mit vermehrten Bandscheibenbeschwerden der etwas älteren Hula-Hooper zu tun.

Reifentreiben

Das Reifentreiben sieht zwar für den Zuschauer einfach aus, doch es erfordert sehr viel Übung und Geschick, den Reifen aufrecht zu halten und vorwärts zu bewegen. Zum Treiben benutzte man einen kleinen Stock (oder Stange), an dem oftmals zur Zierde eine kleine Holzkugel befestigt war. Doch auch ohne Stock, allein unter Benutzung der Handfläche, kann man ihn vorwärts bewegen, nachdem man ihn zuvor senkrecht gehalten und ihm dann einen leichten Vorwärtsschlag an der oberen Krümmung erteilt hat. Die Kurventechnik stellt nochmals besondere Anforderungen an die Beine-Hand-Augen-Koordination. In diesem Zusammenhang wird der Reifen auch im Norddeutschen Sprachgebrauch Trünnelband, Trudelreifen oder Tüdelband genannt (Plattdeutsch). Die Gebrüder Wolf besangen dieses Spiel in einem ihrer Lieder "An der Eck steiht'n Jung mit'm Tüdelband".[1]

Material

Das Material eines solchen Reifens war neben Holz (besonders Weidenholz, siehe Bandreißer) früher oft Eisen (z. B. vom Küfer ausgediente Halteringe von Holzfässern und -bottichen oder Radreifen – auch das jedem Hamburger bekannte Lied: „An de Eck steiht 'n Jung mit 'n Tüdelband“ handelt von einem solchen) bzw. Stahl (Fahrradfelge, aber ohne Speichen und Nabe), Ende der 1950er Jahre kam Kunststoff in Form des „Hula Hoop“ (Hula für hawaiischer Tanz und Hoop engl. (Fass-)Reifen; fälschlich auch: „Hoola Hoop“ oder „Hula Hopp“ bzw. „Hoola Hopp“ genannt bzw. geschrieben) hinzu, in Deutschland 1958 erstmals gefertigt von der Firma geobra (Georg Brandstätter aus Zirndorf), späterer Hersteller von Playmobil (1974).

Andere Techniken

Reifentanz und Akrobatik aus Arizona

Staffelwettläufe über mehrere hundert Meter (hin und zurück), wobei ein und derselbe Reifen als Staffelstab gilt, lassen sich auch bei Festen durchführen. Dem Ideenreichtum sind keine Grenzen gesetzt. Sprünge durch den Reifen oder das Werfen von Gegenständen durch die Mitte sind nur einige Spiele, die Kindern sofort einfallen. Als Anregung kann die Rhythmische Sportgymnastik dienen. Dort setzen die Wettkämpferinnen den Reifen zum Teil in spektakulärer Art und Weise ein (z. B.: Schleudern mit dem Fuß und Fangen mit dem Hals etc.).

Literatur

  • Spiele der Welt II, Bearbeitung Eugen Oker, Fischer Taschenbuch, Frankfurt 1985, ISBN 3-596-23075-6
  • Walter Seiler: Alte Kinderspiele in der Schweiz. Eine Sammlung volkskundlicher Bewegungsspiele; Sonderdruck der Schweizerischen Lehrerzeitung, Ausgabe "Schulpraxis", Monatsschrift des Bernischen Lehrervereins BLV, Nr. 25, 21. Juni 1979, Bern

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.michis-seiten.de/seite066.html

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