- Ujamaa
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Ujamaa ist der Swahili-Begriff für „Dorfgemeinschaft, Familie, Familiensinn und Gemeinschaftssinn“. Er bezeichnet ein vom ersten Präsidenten Tansanias, Julius Nyerere, geprägtes Gesellschaftsmodell, das bis 1985 in Tansania angewendet wurde. Ujamaa wird oft gleichgesetzt mit dem Begriff „Afrikanischer Sozialismus“.
Inhaltsverzeichnis
Ujamaa-Sozialismus
Mit der Arusha-Deklaration 1967 stellte Nyerere erstmals seine Ideen von einem afrikanischen Sozialismus vor. Als zwei Schlagworte hierfür wurden Ujamaa und Self-reliance (Swahili: kujitegemea, deutsch etwa: „Selbstverantwortung, Eigenständigkeit“) geprägt. Während die Idee des Ujamaa national beschränkt blieb, verbreitete sich die Idee der Self-reliance (kujitegemea) relativ rasch auch über die Grenzen Tansanias hinaus.
Nyerere, der als Häuptlingssohn aufwuchs, später studierte und Lehrer wurde, war von seiner Vergangenheit sehr geprägt. Bereits in seiner Zeit als Lehrer (etwa 1949 bis 1952) setzte er sich dafür ein, gesellschaftliche Klassenunterschiede zu beseitigen.
Ujamaa bedeutete für Nyerere, Dorfgemeinschaften entstehen zu lassen. Wenige Menschen oder Großfamilien, die oft weit voneinander entfernt wohnen, sollten sich zu großen Dorfgemeinschaften zusammentun. Dabei sollen folgende Richtlinien beachtet werden:
- Gegenseitige Achtung
- Gemeinsames Eigentum
- Verpflichtung zur Arbeit
Für die Familien sollte dies viele Vorteile haben, etwa den Ausbau der Technologie in der Landwirtschaft, Arbeitsteilung und die Planung der Produktion.
Während Nyerere 1968 noch davon sprach, dass der Übergang keineswegs durch Zwang oder gar Gewalt erfolgen dürfe, zeigte sich in der Realität ein anderes Bild: Bis 1970 fand eine freiwillige Umsiedlung statt. 1970 bis 1973 gab es einen so genannten „Frontal Approach“ (deutsch: „frontales Vorgehen“). Da 1973 nach sechs Jahren erst 15 Prozent, rund zwei Millionen, der Bevölkerung in den Ujamaa-Dörfern lebte, wurden bis 1977 elf Millionen Menschen teils durch militärische Gewalt zum Umzug in die Ujamaa-Dörfer gezwungen. Viele mussten dabei die Dörfer erst selbst errichten und monate- oder sogar jahrelang unter einfachen Verhältnissen leben. Durch die Zwangsumsiedlungen brachen die Exporte im landwirtschaftlichen Bereich so stark ein, dass die Verwaltungskosten bei manchen Produkten die Exporterlöse überstiegen.[1]
Weitere Maßnahmen des Ujamaa-Sozialismus waren die Verstaatlichung der Banken sowie Bildungs- und Landreformen.
Politik der Self-Reliance
Unter dem Motto der Self-reliance oder auch Kujitegemea strebte Nyerere ein unabhängiges Tansania an, das weitgehend autonom sein sollte und damit unabhängig von wirtschaftlichen und sonstigen Hilfen anderer Länder.
Während dieses Programm im Bildungssektor umgesetzt werden konnte, scheiterte es im wirtschaftlichen Bereich.
Bildung
Die Alphabetisierungsrate von Erwachsenen stieg von 10 Prozent im Jahre 1960 auf 79 Prozent im Jahre 1979. Die Einschulungsrate an Primarschulen stieg von 25 Prozent (1960) auf etwa 94 Prozent (1979).
In der Regierungszeit Nyereres gab es so gut wie keine sozialen Klassenunterschiede. Die Ideen der Gleichheit und der Gemeinschaft wurden von der breiten Bevölkerung akzeptiert.
Wirtschaft
Die wirtschaftliche Situation Tansanias verschlechterte sich während der Dauer des Ujamaa-Projekts kontinuierlich. Schließlich kam es 1985 zu einer Konfrontation mit der Weltbank. Nyerere zog sich freiwillig vom Präsidentenamt zurück.
Entwicklungshilfe für Tansania:
- 1970: Etwa 50 Millionen US-Dollar
- 1974: 200 Milliononen US-Dollar
- 1975: 380 Millionen US-Dollar
- 1980: 680 Millionen US-Dollar
Diese wachsende Abhängigkeit Tansanias von ausländischer Hilfe stand im Gegensatz zur Idee der Self-reliance. Belastender Faktor war insbesondere der Uganda-Tansania-Krieg 1978, der Tansania innerhalb der Organisation für Afrikanische Einheit vorübergehend isolierte.
Weblinks
- historischer Artikel über Nyerere und die sozialistische Zeit Tansanias aus der Zeitschrift E+Z
- Seminararbeit „Nyereres Konzept des Ujamaa als Modell kulturspezifischer Entwicklungsstrategie“ (englisch, PDF-Datei; 209 kB)
Quellen
- ↑ Der Spiegel. 16, 2007, S. 120.
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