Unisex-Tarif

Unisex-Tarif

Ein Unisex-Tarif ist ein Versicherungstarif, der das Geschlecht des Versicherungsnehmers nicht als Tarifkriterium verwendet, obwohl es die Risikobewertung beeinflusst.

Inhaltsverzeichnis

Ökonomische Bewertung

Das Geschlecht spielt insbesondere in der Lebens- und Rentenversicherung als Tarifkriterium eine wichtige Rolle, da die Lebenserwartungen der Geschlechter voneinander abweichen (Frauen haben zum Beispiel in Deutschland eine um ca. fünf Jahre längere Lebenserwartung als Männer). Bei einem Unisex-Tarif erhalten - bei ansonsten gleichen Voraussetzungen - Männer und Frauen für den gleichen Beitrag gleiche Leistungen.

Bei einem Unisex-Tarif ist die Beitragssumme jedes Geschlechtes systematisch ungleich der Leistungssumme an das gleiche Geschlecht. Es erfolgt ökonomisch eine Quersubventionierung des einen Geschlechtes an das andere. Empfänger ist jeweils das Geschlecht mit dem höheren Risiko, also beispielsweise bei Lebensversicherungen die Männer und bei Rentenversicherungen die Frauen.

Primär steigen dadurch die Versicherungsprämien für das risikoärmere Geschlecht; für das risikoreichere sinken sie. Daneben besteht die Gefahr, dass es zu einer adversen Selektion kommt: Durch die höheren Beiträge sinkt die Bereitschaft des risikoärmeren Geschlechtes, die Versicherung abzuschliessen und umgekehrt steigt sie für das risikoreichere Geschlecht. Dadurch verschlechtert sich insgesamt das Risiko der Versicherung und zwingt zu einer zusätzlichen Erhöhung der Versicherungsprämien. Im Extremfall würde die Versicherung für das risikoärmere Geschlecht so unattraktiv, dass lediglich das risikoreichere Geschlecht die Versicherung nachfragt (und die Prämienhöhe dann die Höhe erreicht, die es für diese Gruppe bereits vorher hatte).[1]

Diskutiert werden auch mögliche Ausweichstrategien der Versicherer. Es entsteht ein Anreiz für den Versicherer, bei der Werbung und Kundenansprache sich auf das risikoärmere Geschlecht zu konzentrieren, da hier bei gleichen Prämien eine Reduzierung des Portfoliorisikos entsteht. Insbesondere im Bereich der Krankenversicherung, aber auch der Lebens- und Rentenversicherung besteht die Möglichkeit, dass der Versicherer indivuelle Risikoprämien oder die Ablehnung von Versicherungsanträgen von Angehörigen des risikoreicheren Geschlechtes nutzt, um seine Risiken zu reduzieren.[2]

Politische Diskussion

Politische Bestrebungen zur Einführung von Unisex-Tarifen hat es bisher nur dann gegeben, wenn Frauen höhere Beiträge als Männer zahlen mussten, nicht aber im umgekehrten Fall. Der gescheiterte Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes sah vor, dass das Datenmaterial und die Berechnung offengelegt werden müssten, wenn das Geschlecht ein bestimmender Faktor bei der Risikobewertung in Krankenversicherungstarifen sei.

Europarechtliche Situation

Unter Bezugnahme auf die EU-Gleichstellungsrichtlinie aus dem Jahr 2004 entschied der EuGH am 1. März 2011 (AZ: C-236/09) Unisex-Tarife für alle neuen Versicherungsverträge ab dem 21. Dezember 2012 verpflichtend zu machen. Die Vertragsfreiheit ist dadurch eingeschränkt.

Versicherungen mit Unisex-Tarifen

Seit dem 1. Januar 2006 müssen in Deutschland Rentenversicherungen, die als Riester-Rente förderfähig sind, auf Unisex-Tarifen basieren. Bereits davor bestehende Verträge sind von dem Gesetz nicht betroffen. Rentenversicherungen, die nicht förderfähig sind, benutzen weiterhin das Geschlecht als Tarifkriterium. Ab 2012 wird der Unisex-Tarif gleichwohl eingeführt.[3]

Einzelne Versicherungen mit geschlechtsspezifischen Tarifen

Lebensversicherungen

Bei Kapital- und Risikolebensversicherungen kommen Unisex-Tarife nicht zur Anwendung, daher sind die Beiträge für Frauen bei gleicher Leistungshöhe niedriger als für Männer.

Private Krankenversicherungen

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes[4] vom 1. März 2011 müssen auch in der privaten Krankenversicherung spätestens ab 2012 Unisex-Tarife angeboten werden. Noch wird diskutiert, ob diese Regelung Auswirkungen auf die Prämien haben wird.[5] Für die private Krankenversicherung wurden solche Tarife seit längerem gefordert, da hier die Tarife für Frauen bedeutend höher sind. Grund dafür ist das höhere Risiko des Versicherers, das vor allem durch die längere Lebensdauer von Frauen und ihre häufigeren Arztbesuche, aber auch durch Schwangerschaften bedingt ist.

Literatur

  • Kai Purnhagen: Zum Verbot der Risikodifferenzierung aufgrund des Geschlechts – Eine Lehre des EuGH zur Konstitutionalisierung des Privatrechts am Beispiel des Versicherungsvertragsrechts? - Urteilsbesprechung und Anmerkung EuGH – Rs. C-236/09, Test Achats, Urteil vom 1. März 2011, EuR 2011, 690

Einzelnachweise

  1. Martin Hammer: Unisex-tarife in der Rentenversicherung- gleich- oder Ungleichbehandlung? 2007, ISBN 3-638-77021-4, S. 17 ff., (online)
  2. Eduard Picker: Haftung wegen Diskriminierung nach derzeitigem und zukünftigem Recht. 2005, ISBN 3-89952-199-4, S. 169 ff., (online)
  3. Unisex-Tarif ab 2012
  4. Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Berücksichtigung des Kriteriums Geschlecht als Faktor für die Bewertung von Versicherungsrisiken vom 1. März 2011.
  5. Private Krankenversicherung: Urteil: EuGH verlangt gleiche PKV-Tarife für Mann und Frau. 2. März 2011.

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