Verantwortungsethik

Verantwortungsethik

Der Ausdruck Verantwortungsethik wurde von Max Weber eingeführt und bezeichnet Theorien der normativen Beurteilung von Handlungen, die sich an den tatsächlichen Ergebnissen und deren Verantwortbarkeit orientieren. Der Gegenbegriff bei Weber ist "Gesinnungsethik", was Theorien bezeichnet, die sich an Motiv und Absicht der Handlung orientieren. Nach Max Weber ist es Aufgabe politisch Handelnder, eine Balance zwischen Verantwortungsethik und Gesinnungsethik zu finden.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsgeschichte

Die Unterscheidung von Verantwortungs- und Gesinnungsethik geht auf den Essay Politik als Beruf von Max Weber zurück. Zuvor hatte Max Scheler in ähnlichem Sinne Gesinnungs- und Erfolgsethik gegenübergestellt.[1]

Handlungsmotiv

Bei begrenzten Ressourcen sind verantwortungsethisch die Maßnahmen vorzuziehen, welche den größtmöglichen Erfolgs/Wirkungs-Koeffizienten haben, oder aber (abgeschwächte Form) die vorhandenen Ressourcen sind nach diesem Koeffizienten (und nicht gleichmäßig!) zu verteilen.

Beispiel: Ein reiner Verantwortungsethiker wird Spenden für Lebensmittellieferungen an Hungernde in Afrika wahrscheinlich ablehnen, wenn nicht gleichzeitig wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um das dortige Bevölkerungswachstum zu hemmen, da sonst zu erwarten wäre, dass zukünftig pro Jahr mehr Menschen leiden und verhungern als dies jetzt der Fall ist. Auch wird der Verantwortungsethiker berücksichtigen, welche positive Wirkung man durch eine alternative Spendengelderverwendung hätte erzielen können.

Kritikpunkte

Ein Problem für das Handeln entsprechend der Verantwortungsethik ist die oft mangelhafte Voraussagbarkeit bzw. Abschätzbarkeit der Folgen und Ergebnisse.

So könnte bei obigem Beispiel passieren, dass der Papst oder eine Regierung den Widerstand gegen bestimmte Verhütungsmethoden nach einer gewissen Zeit aufgibt. Andererseits könnte eine Verringerung von Lebensmittelhilfslieferungen (oder bereits dessen Androhung) dazu führen, dass eine bestimmte Regierung schneller auf eine langfristig tragfähige Politik umschwenkt. Oder es könnte verantwortungsethisch sogar geboten sein, dass die Welt in einem nicht mehr regierbaren Staat oder unmenschlich regierten Staat interveniert. In der Vergangenheit geschah dies jedoch nie aus reiner Verantwortungsethik bzw. Menschenliebe.

Ein weiteres Problem ist das Fehlen einer einheitlichen Hierarchie von Werten. Verantwortungsethiker unterschiedlicher Schulen bzw. philosophischer Richtungen bzw. Kulturen können also zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen kommen, es sei denn, sie einigten sich auf bestimmte Kriterien, wie z.B. die Weiterentwicklung oder das Wohl der gesamten Menschheit (was auch erfordert, zu definieren, wie dieses gemessen werden soll, und mit welcher (wissenschaftlichen) Methodik Prognosen gemacht werden bzw. wie diese interpretiert werden sollen).

Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der Irreversibilität der Folgen. Vor dem Hintergrund der Globalisierung sind die Folgen unseres Handelns weit weniger kontrollierbar oder eingrenzbar; die Dimensionen haben sich vergrößert. So hatte ein Krieg im Mittelalter nur direkte Folgen, ohne zukünftige Generationen zu betreffen. Neue Entwicklungen und Anwendungen der Gen- oder Kerntechnik beeinflussen nicht nur die Gegenwart, sondern sind auch für die Zukunft von Bedeutung. Ein Krieg im Mittelalter konnte ohne größere Anstrengungen aufgegeben werden, ein Atomkrieg im Gegensatz dazu hat unumkehrbare Folgen, die global wirken und nicht kontrolliert werden können.

Die Verantwortungsethik wird außerdem durch bestimmte Handlungszwänge herausgefordert. Es besteht die Notwendigkeit zur Sicherung der Grundbedürfnisse, so dass es zwingend erscheint, negative Folgen in Kauf zu nehmen. So wird z. B. die Umwelt verschmutzt, und es wird zur globalen Erwärmung beigetragen, obwohl die Folgen eindeutig sind, denn offenbar fehlt es an Handlungsalternativen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. In: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, 1913.

Weblinks


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