- Verfügbarkeitsheuristik
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Die Verfügbarkeitsheuristik (engl. availability heuristic) gehört in der Kognitionspsychologie zu den sogenannten Urteilsheuristiken, welche gewissermaßen Faustregeln darstellen, um Sachverhalte auch dann beurteilen zu können, wenn kein Zugang zu präzisen und vollständigen Informationen besteht. Die Bezeichnung Verfügbarkeitsfehler (engl. availability error) ist ebenfalls gebräuchlich für die dem Spielerfehlschluss verwandte Wahrnehmungsverzerrung. Sie beruht auf der Tendenz, bestimmte Ereignisse höher zu gewichten und eher in Erinnerung zu rufen als andere Ereignisse.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Die Verfügbarkeitsheuristik kann eingesetzt werden, wenn die Wichtigkeit oder Häufigkeit (resp. Wahrscheinlichkeit) eines Ereignisses beurteilt werden muss, aber gleichzeitig die Zeit, die Möglichkeit oder der Wille fehlt, um auf präzise (z.B. statistische) Daten zurückzugreifen. In solchen Fällen wird das Urteil stattdessen davon beeinflusst, wie verfügbar dieses Ereignis oder Beispiele ähnlicher Ereignisse im Gedächtnis sind. Ereignisse, an die wir uns sehr leicht erinnern, scheinen uns daher wahrscheinlicher zu sein als Ereignisse, an die wir uns nur schwer erinnern können. Aus diesem Grund könnte man etwa die Wahrscheinlichkeit dafür, ermordet oder Opfer einer Gewalttat zu werden, als recht hoch einschätzen, wenn man kürzlich einen Bericht über einen Mord gelesen hat oder in den Medien häufig solchen Berichten begegnet. Diese Heuristik kann auch automatisch eingesetzt werden, ohne dass uns dies wirklich bewusst ist.
Glücksspieler neigen in Hallen mit vielen Geldspielautomaten eher dazu, ihren Automat mit weiterem Geld zu füttern, weil sie ab und zu jemand anderes beim Gewinnen beobachten und ihre eigenen Chancen dann höher einschätzen. Man behält die Gewinne anderer leichter in Erinnerung als die viel häufigeren Verluste. Die Tatsache, dass jemand gewonnen hat, verändert die aktuellen Gewinnchancen nicht, und bei der Konzentration auf die Anzahl der Gewinne vernachlässigt man die Zahl der Verluste. Menschen machen diesen Fehler ständig, obwohl die Wettchancen in der Gruppe genauso schlecht sind wie an einer einzelnen Maschine. In der Gruppe ist es einfach leichter, sich an Gewinne zu erinnern, als an einem einzelnen Automaten.
Andere Beispiele:
- "Entschuldigen Sie die Verspätung - ich hatte unterwegs an jeder Ampel Rot."
- "Mein Freund ist ein Choleriker, ein typischer Widder." (Der Sprecher erinnert sich nicht daran, dass er schon hunderte "untypische Widder" getroffen hat, die nicht cholerisch veranlagt waren, und glaubt darum an die angebliche Verbindung zwischen dem Charakter und dem Tierkreiszeichen.)
Untersuchungen
In einer Untersuchung von Tversky und Kahneman (1973) wurden Probanden Listen von Eigennamen vorgelesen. In der ersten Bedingung enthielt die Liste 19 Namen von sehr berühmten Männern und 20 Namen von weniger berühmten Frauen, in der zweiten Bedingung 19 Namen sehr berühmter Frauen und 20 von weniger berühmten Männern. Die Teilnehmer sollten einschätzen, ob die Liste mehr Männer oder mehr Frauen enthielt. Über 50% der Teilnehmer erinnerten sich an die sehr berühmten Namen besser (famous names-Effekt), ca. 80% überschätzten den Anteil desjenigen Geschlechts mit den sehr berühmten Namen. Aufgrund der Anwendung der Verfügbarkeitsheuristik kam es zu Fehlurteilen, da die Verfügbarkeit durch den Faktor Berühmtheit und nicht durch die Gruppengröße bestimmt war.
Die Verfügbarkeitsheuristik spielt in Beurteilungen von Sachverhalten eine Rolle. Zum Beispiel konnten Norbert Schwarz und seine Kollegen zeigen, dass Versuchspersonen sich selbstsicherer fühlen, nach dem Abrufen von sechs Ereignissen, bei denen sie selbstsicher waren, als nach dem Abruf von 12 Ereignissen. Damit konnte gezeigt werden, dass die Verfügbarkeitsheuristik in der Tat von der Leichtigkeit der Informationsverarbeitung und nicht von der Menge der abgerufenen Information abhängt.
Die Verfügbarkeitsheuristik spielt auch eine Rolle, wenn für ein Urteil leicht vorstellbare bildliche Inhalte mehr Gewicht haben als "trockene" Statistiken. So kann zum Beispiel erklärt werden, warum die Häufigkeit des Rauchens bei Ärzten mit der Nähe zu Lungenkrebspatienten abnimmt, wie im Buch von Richard Nisbett und Lee Ross berichtet wird.
Quelle
- Tversky, A. & Kahneman, D. (2005). Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. In: Bazerman, Max H (Ed), Negotiation, decision making and conflict management, Vol 1-3. (pp. 251-258). Northampton, MA, US: Edward Elgar Publishing.
- Tversky, A. & Kahneman, D. (1974). Judgment under uncertainty: Heuristics and biases. In: Science, 185, 1124-1131.
- Tversky, A. & Kahneman, D. (1973). Availability: A heuristic for judging frequency and probability. In: Cognitive Psychology, 42, 207-232.
- Nisbett, R. E. and Ross, L. (1980). Human inference: Strategies and shortcomings of social judgment, Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall.
- Reber, R. (2004). Availability. In R. Pohl (Ed.), Cognitive illusions (pp. 147-163). Hove, UK: Psychology Press.
- Schwarz, N., Bless, H., Strack, F., Klumpp, G., Rittenauer-Schatka, H., & Simons, A. (1991). Ease of retrieval as information: Another look at the availability heuristic. Journal of Personality and Social Psychology, 61, 195–202.
- Strack, F. & Deutsch, R. (2002). Urteilsheuristiken. In: Frey, D. u. Irle, M. (Hrsg.), Theorien der Sozialpsychologie. Bd. III: Motivations-, Selbst- und Informationsverarbeitungstheorien, 352-384.
Siehe auch
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