Verwilderter Fluss

Verwilderter Fluss
Luftbild eines verflochtenen Flusses am Zusammenfluss von Yukon River und Koyukuk River in Alaska. Das dunkle Wasser des Koyukuk River (links) mischt sich mit dem silthaltigen hellen Wasser des Yukon River (rechts).

Ein verflochtener Fluss (engl.: Braided River; deutsch auch: verwilderter Fluss, Zopfstrom) ist eine besondere Form eines verzweigten Flusslaufes, bei dem der Fluss sich in ein Netz kleiner Kanäle aufspaltet, die durch kleine Inseln (braid bars, im britischen Englisch aits oder eyots) getrennt sind.

Die Kanäle und Inseln sind oft hochgradig veränderlich, da sich die Lage der Kanäle und Inseln durch die rasch fortschreitende Sedimentablagerung immer wieder ändert, und der Flusslauf sich oft bereits durch einzelne Fluten drastisch ändert. Verflochtene Flüsse sind typisch für Flüsse in Hochgebirgen sowie in ariden und arktischen Gebieten, häufig ist sie in Flussdeltas, Schwemmkegeln und auf Rumpfflächen ausgebildet.

Inhaltsverzeichnis

Bildung

Die Bildung dieser Flussform wird gefördert durch

  • starke Sedimentfracht
  • starke und regelmäßige Änderungen der Abflussmenge
  • leicht abtragbares Material der Ufer.

Die Wasserführung ist jahreszeitlich konzentriert, beispielsweise auf die Schneeschmelze, was zu sehr unterschiedlicher Wasserführung und starken Hochwässern führt.[1]

Verflochtene Flusssysteme entstehen unter anderem dort, wo eine drastische Verringerung des Gefälles eines Flusses zu einer so schnellen Ablagerung von Sedimenten führt, dass der Fluss sie nicht abtransportieren kann. Hier hängt es dann vom Gefälle ab, ob sich ein mäandrierender oder ein verflochtener Flusslauf bildet. Bei geringem Gefälle entstehen Mäander, bei größerem ein verflochtener Flusslauf.[2]

Die einzelnen Kanäle des Flusssystems mäandrieren aufgrund ihrer unterschiedlichen Wassergeschwindigkeiten: am Prallhang, an der Aussenseite einer Kurve, trägt der Fluss durch die höhere Strömungsgeschwindigkeit Material ab, an der Innenseite der Kurve mit ihrer geringen Strömungsgeschwindigkeit wird Material wieder abgelagert.

Das gesamte Flussbett kann in einem durch relativ stabile Ufer begrenzten Gebiet liegen, aber auch den gesamten Talboden einnehmen. So hat sich der Rakaia River in der Region Canterbury in Neuseeland beispielsweise einen 100 m tiefen Kanal in die umgebende Ebene geschnitten, was für diese Talform eher ungewöhnlich ist.

Die Sedimente, großteils Sand und Kies, werden vor allem bei Niedrigwasser abgelagert. Die Flussbettsedimente sind horizontal geschichtet und weisen keine Sortierung nach Korngrößen auf.

Die ständige Änderung des Flusslaufes und das unebene Terrain erschwert die Brückenkonstruktion.

Vorkommen

Ausgedehnte Systeme von verflochtenen Flüssen existierten vor allem in den Regionen der Erde, die junge, starker Erosion unterliegende Gebirge beherbergen. Beispiele verflochtener Flüssen finden sich weit verbreitet in Alaska, Kanada oder auf der Südinsel Neuseelands. Am Himalaya ist der Brahmaputra ein Beispiel für einen verflochtenen Fluss,[1] und auch der Flusslauf des Gelben Flusses ist abschnittsweise in diese Flussklasse einzuordnen.

Ein bekannter verflochtener Fluss in den USA ist der Platte River in Nebraska. Die Sedimentation des Materials aus den ariden Great Plains wird hier durch die Anwesenheit der nahegelegenen Sandhills im Norden verstärkt.

Viele Flüsse in Mitteleuropa zeigen ebenfalls Hinweise auf die Existenz verflochtener Flusssysteme, die während der Eiszeit existierten, heute jedoch wegen der Änderung der klimatischen Bedingungen durch ein mäandrierendes System abgelöst worden sind, so etwa die Weser.[3]

Einzelnachweise

  1. a b Manuel Pfaff: Der Brahmaputra und seine Nebenflüsse. Geographisches Institut der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
  2. Hans Füchtbauer: Sedimente und Sedimentgesteine. 4. Auflage. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1988, ISBN 3-510-65138-3, S. 93. 
  3. S. Lipps, G. Caspers: Spätglazial und Holozän auf der Stolzenauer Terrasse im Mittelwesertal. Eiszeitalter und Gegenwart, Band 40, S. 111-119, 1990

Literatur

Weblinks


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