Virtuelles Klassenzimmer

Virtuelles Klassenzimmer

Der Begriff Virtuelles Klassenzimmer bezeichnet eine Form von E-Learning, bei der räumlich getrennte Lehrende und Lernende synchron oder asynchron zusammenarbeiten. Sie treffen sich im Internet auf einer Lernplattform zum Gruppenlernen oder laden sich die Aufgaben auf ihren Heimcomputer herunter. Um an einer solchen Lehrveranstaltung teilzunehmen, braucht man also unbedingt einen PC, Kopfhörer mit Mikrofon und Internetzugang. Die häufigste Form, in der die Lerninhalte vermittelt werden, ist der Live-Online-Kurs.

Es gibt unterschiedliche Definitionen des Begriffs Virtuelles Klassenzimmer. Weil diese Lernmethode neu ist, werden sie auch noch weiterentwickelt. Einerseits wird das Virtuelle Klassenzimmer von vielen als Technologie (Lernportale im Netz, Konferenzsysteme) angesehen, die von E-Learning-Teilnehmern benutzt wird. Andererseits ist es selbst eine Unterart von E-Learning, bei der diverse Techniken (meistens Internetdienste) angewandt werden, um einen erfolgreichen Lernprozess zu erzielen.

Inhaltsverzeichnis

Lernarten im Virtuellen Klassenzimmer

Synchroner Unterricht

Der synchrone Unterricht, auch Live E-Learning genannt, bedeutet, dass alle durch das Internet verbundenen Kursteilnehmer zur selben Zeit vor dem Computer sitzen und zusammen lernen. Grundlage ist ein virtueller Raum, in dem alle Teilnehmer zur gleichen Zeit das Gleiche hören, sehen und erleben, genau wie in einem realen Raum. Sie befinden sich also am selben (virtuellen) Ort. Dabei steht jedoch nicht die körperliche, sondern die virtuelle Anwesenheit im Mittelpunkt. Die Lernenden können direkt miteinander kommunizieren und auch Dateien austauschen. Zu diesem Zweck benutzen sie diverse Medien, worauf näher im Punkt Technik eingegangen wird. Der Live-Online-Kurs wird im Prinzip von einem Dozenten geführt, der für alle Teilnehmer in Bild und Ton präsent ist. Abhängig von der Software-Architektur ist sowohl eine allgemeine als auch eine private Rückmeldung möglich. Dabei kann der Dozent die jeweilige Befindlichkeit der Lernenden beobachten. Eine Rückmeldung wäre z.B. eine Frage über die Lehrgeschwindigkeit. Die Teilnehmer können sich beispielsweise mit Antworten wie „schneller“, „optimal“, „langsamer“ oder „bitte wiederholen“ äußern. Diese Äußerungen werden meistens als allgemeine Kuchen- oder Balkendiagramme dargestellt. Wird das Diagramm dem Dozenten angezeigt, kann er entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Unterrichtsmodelle

Beim synchronen Unterricht kann man zwischen zwei Unterrichtsmodellen unterscheiden, und zwar: das Peer-to-Peer- und das Studiomodell.

  • Peer-to-Peer
Das Peer-to-Peer-Modell zeichnet sich dadurch aus, dass Dozent und Student über identische Software verfügen. Als Kursleiter behält der Dozent, paremetergesteuert, seine Vorrechte, wie z.B. die Worterteilung oder die Mediennavigation.
  • Studiomodell
Beim Studiomodell arbeitet der Dozent mit einer speziellen Software, während es für die Lernenden eine andere, oft funktionsbeschränktere, gibt.

Je nach Kursart und -gestaltung lassen sich die beiden Modelle passend anwenden. Sie unterscheiden sich wesentlich in der Offenheit, die sie herstellen. Das Peer-to-Peer-Modell erlaubt einen lebendigeren Unterricht. Das Studiomodell ist eher auf den Frontalunterricht ausgerichtet, weil dabei die Möglichkeiten zur Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden verringert werden.

Moderationsmodi

Damit der Unterricht im Virtuellen Klassenzimmer abwechslungsreicher und der Lernprozess effektiver wird, soll die dafür verwendete Software über unterschiedliche Moderationsmodi verfügen:

  • Dozentengeführter Modus
Der Kursleiter (Dozent bzw. Moderator) erteilt das Wort und nimmt es auch zurück. Dieses Vorgehen eignet sich für größere Gruppen. Hier ist die Funktion virtuelles Handheben zu erwähnen. Ein Student kann sich dadurch zu Wort melden und solange der Dozent das in der Teilnehmerliste sieht, kann er sich entscheiden, ob er dem Studenten das Wort erteilen will.
  • Offene Diskussion
Jeder Student im Virtuellen Klassenzimmer hat die Möglichkeit zu beliebiger Zeit das Wort durch Mausklick zu ergreifen. Passend eher für kleinere Gruppen.
  • Arbeitsgruppen
Die Teilnehmer werden in kleinere Arbeitsgruppen (wie in normalen Präsenzkursen) aufgeteilt, wobei die offene Diskussion notwendig ist.
  • Co-Moderatoren
Hier ist die Einbeziehung weiterer Trainer bzw. Tutoren oder Fachspezialisten in dem Kurs gemeint. Wenn z.B. für ein Thema mehr praktische Beispiele zur Erläuterung von Theoriewissen benötigt werden, dann kann auch ein räumlich weit entfernter Fachmann die Rolle des Dozenten für eine Unterrichtsstunde übernehmen. Es soll also die Möglichkeit bestehen, Co-Moderatoren mit ähnlichen Rechten und Privilegien wie Dozenten zuzulassen.

Asynchroner Unterricht

Gelegentlich wird der Begriff Virtuelles Klassenzimmer auch mit asynchronem Unterricht gebraucht, obwohl hier der eigentlich korrekte Begriff Webbased Training (WBT) ist. Es handelt sich dabei stets um Selbstlernen eventuell mit tutorieller Begleitung. im Gegensatz zum virtuellen Klassenzimmer synchroner Natur müssen die Teilnehmer nicht unbedingt zur selben Zeit online in der Lernplattform eingeloggt sein. So brauchen sie auch nicht die Kurstermine in ihren Tages- bzw. Wochenplan einzubauen. Der Lernprozess läuft so ab, dass sich die Lernenden die Kursaufgaben zu beliebiger Zeit in der Lernplattform bearbeiten oder auf ihrem Computer herunterladen und diese dann Off-Line bearbeiten. Zur Abgabe eventueller Aufgaben müssen sie sich jedoch an eine Abgabefrist halten. Abhängig von der Art und Umfang der Aufgaben sowie von der Anzahl der Teilnehmer und der Tutoren variiert die Korrigierungszeit.

Technik

Die Lehrenden und die Lernenden in einem virtuellen Klassenzimmer können sich verschiedener Medien bedienen, die abhängig von den Funktionen eher für synchrone oder asynchrone Unterrichte bzw. eher für Kommunikation oder Kooperation anwenden lassen.

Kommunikationsmedien

Chat

Per Chat können die Kursteilnehmer miteinander direkt textbasiert kommunizieren. Das Chat-Programm kann in der Lernplattform-Software integriert sein oder separat funktionieren. Im ersten Fall kann der Dozent den öffentlichen Chat beobachten und verwalten (wenn nötig, auch abstellen). Der private Chat zwischen Dozent und Student kann zur Fragenstellung oder Äußerung dienen, wobei die Vertraulichkeit erhalten bleibt.

Video- und Audiokonferenz

Diese beiden Kommunikationsmedien machen die Interaktion zwischen den Lernenden lebendiger und dynamischer. Die Kursteilnehmer fühlen sich mehr miteinbezogen im Lernprozess. Audio-Konferenz-Systeme lassen sich mit dem Application-Sharing verbinden oder unterteilen, damit gemeinsam an einem Dokument gearbeitet werden kann, während man darüber diskutiert. Zur Videokonferenz braucht man ein WebCam (Videokamera am Computer), die das Bild aufnehmen kann. Zur Übertragung der Daten bei dieser Kommunikationsart ist auch ein Computerprogramm nötig, das genau wie beim Chat in der Lernplattform (sowie Application-Sharing) oder separat laufen kann. Häufig stellt die Videokonferenz aber eine größere Anforderung an das System an, deshalb ergibt sich häufig das Problem mit der Internet-Verbindung. Mit der Entwicklung des Internets gibt es immer mehr Angebote mit größerer Bandbreite der Verbindung, was die Möglichkeiten für die Live E-Learning erweitert.

E-Mail

Die E-Mails eignen sich für asynchrone Kommunikation sowie zwischen den Kursteilnehmern untereinander als auch zwischen den Kursteilnehmern und den Dozenten bzw. Tutoren. Sie werden oft zu persönlichen Befragungen und Feedback und auch zur Aufgabenabgabe benutzt. Ihre Funktionen sind ähnlich dem Chat, die Interaktion verläuft jedoch zeitunabhängig.

Newsgroups

Des Weiteren gibt es auch speziell zum jeweiligen Kurs eingerichtete Foren, wo sich die Teilnehmer Meinungen, Informationen, zusätzliche Aufgaben, usw. austauschen können. Diese Kommunikationsart wird auch zeitasynchron genutzt.

Kooperationsmedien

Application-Sharing

Das ist das meist verwendete und praktisch unabdingbare Werkzeug in virtuellen Klassenzimmern. Es bietet gemeinsam mit einer Audio-Konferenz die elementare Kommunikationsgrundlage im virtuellen Klassenzimmer. Application-Sharing bedeutet, dass die Bedienoberfläche eines Programms oder auch des kompletten Desktops eines PCs auf allen beteiligten PCs gemeinsam dargestellt wird. Das bedeutet in der Regel, dass alle Ausgaben der "geteilten Applikation" (mindestens die visuellen, manchmal auch Audio oder andere Medien betreffend) auf allen PCs gleichzeitig wiedergegeben werden und dass in der Regel einer der PCs (manchmal auch alle gleichzeitig) die Eingaben der "geteilten Applikation" (in der Regel über Tastatur und Maus) übernimmt.Mit Hilfe des Application-Sharing ist es möglich, dass der Dozent und die Unterrichtsteilnehmer gleichzeitig mit ein und derselben Applikation arbeiten können, wobei es möglich ist, Handhabungen direkt der gesamten Klasse zu demonstrieren.

Das Application Sharing erfüllt mehrere Funktionen:

  • Virtueller Beamer für Moderator oder Teilnehmer
  • Gemeinsames Arbeiten an Dokumenten/Programmen sei es das eines Moderators oder eines Teilnehmers. Remite-Bedienung von Maus und Tastatur.

Formen des Sharing:

  • Application Sharing: genau eine bestimmte Application wird genutzt.
  • Desktop Sharing: Der gesamte Desktop wird genutzt.
  • Bereich Sharing: Nur der Teil des Bildschirms, der sich in einem veränderbaren Rechteckfenster befindet, wird übertragen.

Man unterscheidet zwischen:

  • Normalem Sharing, d.h. durch den jeweiligen PC Nutzer, sei er Moderator oder Teilnehmer wird das Sharing gestartet.
  • Remote Sharing: Der Moderator fordert Remote ein Sharing auf einem Teilnehmer PC an. Hier müssen spezielle Sicherheitsmechanismen vorgesehen sein, um den Schutz der Daten des Teilnehmer-PCs zu gewährleisten.
Whiteboard

Das Whiteboard vereint in sich die herkömmliche Tafel und die Flipchart auf digitaler Basis. Features wie Pointer, Marker oder verschiedene geometrische Symbole (Ellipsen, Rechtecken, usw.) werden zur Entwicklung verschiedener Planungstechniken oder zur Anwendung von Brainstorming genutzt.Es ist das Äquivalent zur Arbeit an einer Tafel in einem realen Klassenzimmer.

Virtueller Overheadprojektor

Im Prinzip versteht man unter Virtueller Overheadprojektor die Software, die zur Anfertigung und Ansehen von Bildschirmpräsentationen dienen. Grundlage ist PowerPoint von Microsoft, dessen Folien in ein Graphikformat (GIF,JPG,PNG) umgewandelt und dann mit einem geeigneten Viewer synchron gezeigt werden können. Der Viewer sollte über Markierungswerkzeuge verfügen. Sofern Folien anderer Systeme vorliegen, können diese in PowerPoint importiert werden und dann umgewandelt werden.

Virtueller Videoprojektor

Beim Einbeziehen von Videoelementen als Lehrmittel, nicht jedoch als Webcam zur Darstellung der Teilnehmer, müssen zwei Situationen unterschieden werden:

  • Video als Konserve von einem Streaming Server
  • Live Video als Lehrmittel (z.B. in der Medizin und im Maschinenbau)direkt von einer Live-Kamera

In beiden Fällen ist zu Bedenken, dass der Einsatz von Videos die benötigte Bandbreite erhöht. Ebenfalls relevant für die Bandbreite sind die Zahl der Bilder pro Sekunde, die Farbtiefe und die Bildgröße. Live Video benötigt außerdem spezielle Hardware (Rendering) auf der Seite des Moderators.

Der jeweilige Videoplayer (Windows Mediaplayer, Flash, ..) muss durch den Moderator via der Virtual Classroom Software synchron gestartet werden können.

Dadurch können Beispiele für reine Theorie angeführt oder vielleicht auch bessere Erklärung schwierig vorstellbarer mechanischer Vorläufe geschaffen werden.

Anwendungsfelder von virtuellen Klassenzimmern

  • an Universitäten,
  • bei der Kooperation zwischen räumlich verteilten Universitäten;
  • in der beruflichen Weiterbildung (am Arbeitsplatz)[1];
  • Training und Ausbildung in verteilten Organisationen/Netzen insbesondere Vertrieb, Freiberufler ( Gesundheitswesen, Steuerberater, Juristen) etc.
  • für die individuelle Nachhilfe von Kindern und Jugendlichen.

Siehe auch

Literatur

  • Dittler, Ulrich: E-Learning: Erfolgsfaktoren und Einsatzkonzepte mit interaktiven Medien. Oldenbourg, München & Wien 2002.
  • Hüther, J. & Schorb, B.: Grundbegriffe Medienpädagogik. 4. neu konzipierte Auflage, Kopaed., München 2005.
  • Schnotz, W.: Pädagogische Psychologie. Workbook. BeltzPVU, Weinheim 2006.
  • Seufert, Sabine: Fachlexikon e-learning. Bonn 2002.
  • Keller, R.: Live E-Learning im Wissensmanagement - Neue Formen des Wissenszugangs durch Lernen in Organisationen und Unternehmen. Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Brühl 2002.
  • Keller, R.: Live E-Learning im Virtuellen Klassenzimmer. Eine qualitative Studie zu den Besonderheiten beim Lehren und Lernen. Dr. Kovac, Hamburg 2009, ISBN 978-3-8300-4149-8

Einzelnachweise

  1. Fallstudie zum Einsatz virtueller Schulungen

Wikimedia Foundation.

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