- Virtuelles Kraftwerk
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Ein virtuelles Kraftwerk ist eine Zusammenschaltung von kleinen, dezentralen Stromerzeugern, wie zum Beispiel Photovoltaikanlagen, Kleinwasserkraftwerke und Biogasanlagen, aber auch kleine Windenergieanlagen und Blockheizkraftwerke kleinerer Leistung zu einem Verbund, der disponible Kraftwerksleistung aus Großkraftwerken ersetzen kann. Die Virtualität bezieht sich nicht auf die Kraft = Strom, der real erzeugt wird, sondern auf das Werk, welches nicht an einem einzelnen Standort vorhanden ist. Ein anderer Begriff ist auch der DEA-Cluster oder das Schwarmkraftwerk.
Aufgrund ihrer Struktur mit kleinen Erzeugern können virtuelle Kraftwerke die bestehenden Netzstrukturen mit zentralen Großkraftwerken nicht vollständig ersetzen. Vielmehr eröffnet das Konzept des virtuellen Kraftwerks die Möglichkeit zur Ergänzung und Optimierung der bestehenden Strukturen des Energieversorgungssystems.
Die Kosten der Kommunikation und der Aufwand der zentralen Steuerung des virtuellen Kraftwerks stellen im Vergleich zur ungekoppelten Betriebsweise der dezentralen Einspeiseanlagen ein Hemmnis zur Verbreitung von virtuellen Kraftwerken dar. Daher werden auch virtuelle Kraftwerke diskutiert, bei denen die einzelnen dezentralen Einspeiser nicht über eine ständige informationstechnische Kopplung verfügen.
Inhaltsverzeichnis
Generatorverbund
Werden Generatorverbünde und Lastverbünde zusammengeschaltet, kann eine intelligente Steuerung zunächst versuchen, Leistungsspitzen durch Demand Side Management möglichst auszugleichen, um nachfolgend den verbleibenden Leistungsrestbedarf kostengünstig aus dem Angebot der angeschlossenen Generatorverbünde zu decken.
Virtuelle Kraftwerke nutzen Synergieeffekte, die aus der Zusammenschaltung von Einzelkraftwerken entstehen. Zu diesen Effekten zählen z. B. die Lastverteilung, also die Deckung von Spitzenlasten, die ein einzelnes Kraftwerk überfordern würden, durch Zuschaltung weiterer Erzeuger. Ebenso zählt hierzu der Ausgleich von standort- oder wetterbedingten Nachteilen. Weil man Grundlastkraftwerke wie z. B. Kern- und Braunkohlekraftwerke aus wirtschaftlichen Gründen bei Nacht nicht herunterfährt, ist die Zwischenspeicherung des Nachtstroms in Speicherkraftwerken Stand der Technik.
Beispielsweise könnten ein Windpark, ein photovoltaisches Kraftwerk sowie ein Energiespeicher (z. B.: Pumpspeicherkraftwerk) zu einem Virtuellen Kraftwerk kombiniert werden: Weht kein Wind, kann das Solarkraftwerk einspringen. Scheint keine Sonne, kann das Windkraftwerk liefern. Scheint die Sonne und es weht Wind, kann überschüssige Energie im Pumpspeicher aufbewahrt werden. Weht kein Wind und scheint keine Sonne, liefert das Pumpspeicherwerk die Energie zurück. Je mehr unterschiedliche Einzelkraftwerke und Kraftwerksarten kombiniert werden, desto höher ist der Synergieeffekt und damit die Gesamteffizienz des virtuellen Kraftwerkes.
Mit einer stärkeren Verbreitung der Mikro-KWK zur Energieversorgung von Gebäuden wird das Konzept des virtuellen Kraftwerks immer naheliegender, indem durch koordiniertes Einspeiseverhalten zusätzliche wirtschaftliche Vorteile (z. B.: Erzeugung von Spitzenlaststrom und Angebot von Regelenergie) erzielt werden. Die heute verfügbaren KWK-Anlagen zur Gebäudeenergieversorgung im Verbund erfüllen bereits die von den Regelzonenverantwortlichen gestellten technischen Anforderungen für die Bereitstellung von Regelleistungsbereitstellung[1]. So kann ein Mini-BHKW den Strom vorwiegend zur Netzlastspitze produzieren und die zeitweilig überschüssige Wärme in einem Wärmespeicher puffern. Der Besitzer einer dezentralen Anlage muss zu diesem Zweck Eingriffe durch den Betreiber des virtuellen Kraftwerks in seine Anlagensteuerung gestatten, was gerade in privaten Haushalten zu Akzeptanzproblemen führt.
Technische Grundlagen
Die wesentliche Hürde vom Übergang vieler einzelner Kleinstaggregate zum gemeinsam wirkenden Cluster (= „Haufen“) eines virtuellen Kraftwerkes ist neben der Verfügbarkeit von wirtschaftlich zu betreibenden Energieanlagen im Kleinformat die Gestaltung der Kommunikation zwischen den Stromeinspeiseknoten und der Leitstelle. Daher sind u. a. folgende Teilgebiete von Interesse, an denen derzeit geforscht und entwickelt wird:
- Kommunikationsschicht (betriebskostenminimierende WAN-Techniken wie Powerline und (Funk-)Rundsteuerung usw.),
- Kommunikationsgrammatik,
- Kommunikationssemantik für aktuelle Bedarfsanforderungen,
- Nachrichtenstandardisierung
- Leistungsanforderungen: Energiemenge, vermutliche Dauer, spätestmögliche Lieferung;
- Leistungsnachforderung: Energiemenge, vermutliche Dauer, höchstmögliche Ausfallzeit;
- Leistungsangebot: Energiemenge, vermutliche Dauer, geschätzte Kosten usw.
- Kommunikationsprotokoll (vorzugsweise ein asynchrones, asymmetrisches, ereignisgesteuertes Protokoll).
Standardisierung
Von der Europäischen Union geförderte Projekte wie z. B. DISPOWER[2], FENIX[3] und MICROGRIDS[4] entwickeln derzeit Standards für eine einheitliche IKT-Basis. Mit diesen Standards wird sowohl die internetbasierte Steuerung eines Virtuellen Kraftwerkes möglich, als auch der automatisierte Handel mit Strom. Als leittechnischer Standard für dezentrale Energieanlagen beginnt sich die Erweiterung des Kommunikationsprotokolls IEC 61850-7-420 abzuzeichnen.[5]
Versorgungssicherheit
Eine sichere und zuverlässige Stromversorgung allein aus Erneuerbaren Energien wird derzeit durch das neue Forschungsprojekt "Kombikraftwerk 2" getestet, das vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) gemeinsam mit neun Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft durchgeführt wird. Wind- und Biogaskraftwerke sowie Solarstromanlagen werden in Modellen und Feldversuchen verknüpft und zentral gesteuert. Die Forscher erhoffen sich davon Erkenntnisse darüber, wie sich der steigende Anteil von Wind- und Sonnenenergie in die Stromversorgung integrieren lässt.
Darüber hinaus soll untersucht werden, welchen Beitrag Erneuerbare Energien zur Versorgungsqualität leisten können. Bereits heute verfügen Solar-, Biogas- und Windenergieanlagen über technische Eigenschaften, die zur Netzstabilität beitragen und bei Engpässen das Stromnetz entlasten können. Die Wirksamkeit so genannter Systemdienstleistungen bei einer regenerativen Vollversorgung testet das "Kombikraftwerk 2" unter realen Wetterbedingungen. Mit dem Fokus auf die System- und Netzintegration knüpft das "Kombikraftwerk 2" an sein Vorgängerprojekt an, das bereits 2007 eine bedarfsgerechte Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien nachgewiesen hatte.
Studien der TU Berlin und der BTU Cottbus zeigen, dass eine solch intelligente Vernetzung dezentraler regenerativer Kraftwerke einen erheblichen Beitrag dazu leisten kann, große Mengen fluktuierenden Stroms optimal in das Versorgungsnetz zu integrieren. Die Studien zeigen außerdem, dass sich Strombedarf und -produktion einer Großstadt wie Berlin mit Hilfe gezielter Steuerung gut aufeinander abstimmen lassen. Dadurch kann sowohl die höhere Netzebene entlastet als auch der Bedarf an konventionellen Reservekapazitäten deutlich verringert werden. [6]
"Ein vollständiger Umstieg auf regenerative Energien ist aus Gründen des Klimaschutzes und angesichts endlicher fossiler Ressourcen unumgänglich. Die Frage ist, was das für die heutige Struktur der Stromversorgung bedeutet, für Übertragungsnetze und Energiespeicher", sagt Dr. Kurt Rohrig, Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) am Standort Kassel. "Unser Praxistest wird zeigen, dass eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien realistisch ist und dass auch bei Flaute nicht die Lichter ausgehen".[7]
Siehe auch
Literatur
- Droste-Franke et al.: Brennstoffzellen und Virtuelle Kraftwerke. Springer-Verlag, Berlin 2009. ISBN 9783540857969
Weblinks
Allgemein
- Das regenerative Kombikraftwerk
- Hintergrundinformationen bei der Agentur für Erneuerbare Energien
- Virtuelle Kraftwerke: Theorie oder Realität? (PDF-Datei; 445 kB)
- Telepolis bei Heise.de: Das virtuelle Kraftwerk
- SESAM: Selbstorganisation und Spontaneität in liberalisierten und harmonisierten Märkten
- Anforderungen an dezentrale Einspeiser bezüglich der Betriebsführung in Virtuellen Kraftwerken (2006) (PDF-Datei)
- Das RegenerativKraftwerk Bremen bei Energie & Management (März 2011)
Pilotprojekte (F&E)
In Pilotprojekten werden die Wirtschaftlichkeit und die Möglichkeit geprüft, flexibel auf Lastschwankungen zu reagieren:
- Das regenerative Kombikraftwerk
- Virtual Fuel Cell Power Plant (Vaillant)
- Energiepark KonWerl im Projekt KonWerl 2010
- Das RegenerativKraftwerk Bremen
- Die Regenerative Modellregion Harz - RegModHarz
Produktivsysteme
Im kommerziellen Betrieb:
Fußnoten
Kategorien:- Kraftwerkstyp
- Elektrische Energieverteilung
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