Vitudurum

Vitudurum
47.4972568.737564
Lage von Vitudurum am Donau-Iller-Rhein-Limes (schwarzer Punkt)

Vitudurum (manchmal auch Vitodurum) war eine römische Siedlung auf dem heutigen Stadtgebiet von Winterthur.

Um das Jahr 1 entstanden entlang des römischen Verkehrsweges, der von Vindonissa an den Bodensee führte, erste, sicher nachgewiesene Bauten nordöstlich des Kirchhügels von Oberwinterthur. Nach laufendem Ausbau entstand bis zum Jahre 70 n. Chr. ein vicus, ein römisches Strassendorf mit dafür charakteristischen Streifenhäusern in Fachwerktechnik, einer über ein Leitungssystem funktionierenden Wasserversorgung die aus einer nahen, von einer 2 m3 grossen Brunnenstube gespeist wurde sowie Werkstätten wie Schmieden, Töpfereien, einen durch erhaltene Bottiche nachgewiesene Gerberei und einen Schuhmacher, der 2007 mittels des ersten[1] aus der Römerzeit vollständig erhaltenen Paars an Schuhleisten nachgewiesen wurde.

Ebenso fanden sich öffentliche Gebäude, die auf dem heute gut ergrabenen und dokumentierten Kirchhügel angelegt waren. Es handelt sich hierbei um einen um 80 n. Chr. errichteten gallo-römischen Tempel, ein sogenanntes fanum, mit rechteckigem Grundriss, turmartiger cella und einem von Säulen getragenen Umgang. Südöstlich befand sich ein dem Tempel zugehöriges Nebengebäude. Beide wurden von einer Mauer umfasst und bildeten dadurch das temenos, den heiligen Bezirk. Dieser wurde an der östlichen Längsseite von weiteren drei Streifenhäusern gesäumt, wobei das mittlere Streifenhaus einen deutlich höheren Wohnkomfort aufwies und dadurch als öffentliches Gebäude interpretiert wird. Der den Tempelbezirk an der südlichen Schmalseite flankierende Steinbau wird aufgrund der Anlage des Wasserleitungssystems als Therme gedeutet.

Römische Mauerreste auf dem Kirchenhügel

Im Zuge der in der Mitte des 3. Jahrhunderts wiederholt erfolgenden Alemanneneinfälle wurde der Kirchhügel im Jahre 294 n. Chr. befestigt und zu einem Kastell ausgebaut. Das Gründungsdatum wurde durch eine erhaltene Bauinschrift überliefert, welche möglicherweise am Haupttor der Kastellmauer eingelassen war und sich heute im Winterthurer Rathaus befindet. Ebenfalls in diese Zeit fällt das Vergraben eines Hortfundes im so genannten "Unteren Bühl", dem Westteil des vicus.

Nebst auf Baufunde stützt sich das heutige Wissen um Aussehen, Alltag und Entwicklung des römischen Oberwinterthur auf zahlreiche Kleinfunde, von denen die hier genannten Keramikfunde, Fibeln, bronzenen Votivstatuetten, kleineren Terrakotten und aussergewöhnlichen Glasgefässe nur eine geringe Auswahl einer grossen Fülle an Fundmaterial darstellen. Keines der Fundstücke jedoch datiert sich jünger als nach 400 n. Chr. Mit dem Abzug der römischen Truppen von der Rheingrenze und dem Niedergang des Kastells erfährt Vitudurum einen Abbruch der archäologischen Quellen. Alleine bei den Rettungsgrabungen im Unteren Bühl auf einer Fläche von 4500 m2 am Westrand der Siedlung, wurden über 1 Mio. Einzelfundstücke entdeckt.

Inhaltsverzeichnis

Inschriftentafel

Römische Inschriftentafel aus Vitudurum, die die Gründung des Kastells bezeugt

Das Römerkastell Vitudurum hatte eine Inschriftentafel, die vielleicht das Tor des um 294 n.Chr. errichteten römischen Kastells schmückte. Diese Steintafel (1,63 x 0,74 m), die wohl ein Fragment einer ursprünglich grösseren Inschrift war, wurde später nach Konstanz gebracht und in die Mauritiusrotunde eingelassen, wo sie beim einfachen Volk wie ein Heiligtum verehrt wurde, da die Einwohner der Stadt im Mittelalter die Inschriftentafel als Nachweis für die Gründung von Konstanz durch Kaiser Constantius I. hielten. Heute ist das Stück jedoch wieder in Winterthurer Besitz und im Rathaus ausgestellt (man kann die Tafel vom Rathausdurchgang her sehen). Auf dieser Inschriftentafel ist das Jahr 294 n. Chr. als Grundsteinlegung für Vitudurum angegeben, wobei hierbei das Kastell gemeint ist.

Der Text der Inschrift lautet wie folgt:

„[I]MP(erator) CAES(ar) G(aius) AURE(lius) VAL(erius) DIOCLETIAN[US PONT(ifex) MAX(imus) GER(manicus) MAX(imus)
SAR(maticus) MAX(imus) PERS(icus) MAX(imus) TRIB(unicia) POT(estate) XI IM[P(erator)x CO(n)S(ul) V P(ater) P(atriae) PROCO(n)S(ul) ET
IMP(erator) CAES(ar) M(arcus) AUR(elius) VAL(erius) MAXIMIA[N(us) PONT(ifex) MAX(imus) GER(manicus) MAX(imus) SAR(maticus)
MAX(imus) PERS(icus) MA[X(imus) TRIB(unicia) POT(estate) X IMP(erator) VIIII CO[(n)S(ul) IIII P(ater) P(atriae) PROCO(n)S(ul) P(ii) F(elices) INV(icti) AUG(usti)
ET VAL(erius) CONS[T]ANTIUS ET GAL(erius) VAL(erius) [MAXSIMIANUS NOBILISS(imi) CA]ES(are)S MURUM VITUDURENSEM A S[OLO] SUMPTU SUO FECER(unt)
AURELIO PROCULO V(iro) P(erfectissimo) PR[AES(ide) PROV(inciae) CURANTE].“
„Der Kaiser Gaius Aurelius Valerius Diocletianus, grösster Germanensieger, grösster Sarmatensieger, grösster Persersieger, im 11. Jahr seiner tribunizischen Gewalt, zum zehntenmal als Sieger ausgerufen, Konsul zum fünftenmal, Vater des Vaterlandes, Prokonsul, die frommen, glücklichem, siegreichen Kaiser, und Valerius Constantius und Galerius Valerius Maximianus, die erlauchtesten Unterkaiser, haben die Kastellmauer von Vitudurum von Grund auf auf ihre Kosten bauen lassen unter Leitung des Aurelius Proculus, des höchstangesehenen Provinzstatthalters.“ [2]

Literatur

  • W. U. Guyan, J. E. Schneider, A. Zürcher, Turicum - Vitudurum - Iuliomagus. Drei Vici in der Ostschweiz. In: Festschrift O. Coninx (1985) 170-231.
  • J. Rychener, P. Albertin, Beiträge zum römischen Vitudurum - Oberwinterthur 2 (1986)
  • P. Bouffard, Winterthur in römischer Zeit (1943).
  • Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (Hrsg.), SPM V. Römische Zeit (2002) 403-404
  • Schweizerische Stiftung Pro Patria (Hrsg.), Der römische Reiseplaner (1992) 89-90.
  • Schweizerische Verkehrszentrale (Hrsg.), Römerwege (1993) 107-109.
  • Kantonsärchalogie Zürich (div. Autoren), Beiträge zum römischen Oberwinterthur - VITUDURUM (Monographien), Bände 1-9 (1984-2001)

Weblinks

 Commons: Vitudurum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung der Kantonsärchalogie Zürich vom 11. Dezember 2007: [1]
  2. Helmut Maurer: Konstanz im Mittelalter: 1. Von den Anfängen bis zum Konzil. Konstanz: Stadler 1989, S. 71

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