- Vom Beruf unserer Zeit
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Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft ist eine berühmte Streitschrift von Friedrich Carl von Savigny, in der sich dieser gegen Thibauts Schrift Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland richtet.
Beide Schriften sind 1814 erschienen und vor dem Hintergrund der damals herrschenden Kleinstaaterei und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit zu sehen. Thibaut wollte die deutsche Einheit durch ein allgemeines deutsches Gesetzbuch befördern und vertrat damit die demokratisch-liberale Richtung.
Savigny trat Thibauts Forderung entgegen und begründete dies damit, es sei nicht Aufgabe des Gesetzgebers, Recht zu erzeugen; vielmehr hemme der Gesetzgeber dadurch die Fortbildung des Rechts.
Als Begründung vertrat Savigny eine an Herder angelehnte Volksgeistlehre. Danach hat jedes Volk schon immer, genau wie seine spezielle Sprache, mit seiner Kultur auch sein eigenes Recht gehabt. Dieses lebt im Volksgeist und zeigt sich im praktizierten Gewohnheitsrecht.
Jedes Volk ist in seiner kulturellen Entwicklung einem dreistufigen Prozess unterworfen. Zunächst leben junge Völker das Gewohnheitsrecht direkt, ohne Notwendigkeit juristischer Bearbeitung. Mit steigender Kultur kommt es bei Völkern in der mittleren Phase im Zuge der zunehmenden Komplexität der Lebensverhältnisse zu einer Arbeitsteilung. Das immer noch im Volk gelebte Gewohnheitsrecht wird jetzt von Juristen technisch und logisch fortgebildet. Dabei sollen diese sich nur an den historischen Rechtsquellen und am existierenden Volksgeist orientieren. In der dritten Phase, bei absteigender Kultur, geht die Äquivalenz von im Volksgeist existierendem Recht und von juristisch erzeugten Recht verloren. Das Recht der Juristen verselbstständigt sich und die notwendige Kenntnis der Quellen sowie die Techniken zu deren Studium gehen verloren.
Savigny ordnete Gesetzgeber und Juristenstand seiner Zeit in die dritte Phase der kulturellen Entwicklung ein. Er sprach ihnen die Befähigung, also den "Beruf" für "Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" ab. Um ein einheitliches deutsches Gesetzbuch zu schaffen, sei zunächst ein gründliches Studium der Rechtsquellen notwendig. Diese sind Gewohnheitsrecht, die großen Kodifikationen und insbesondere die römische Rechtskultur. Erst wenn von den einzelnen Rechtsnormen ausgehend die hinter ihnen liegenden Rechtsprinzipien gefunden sind, kann man mittels dieser ein deutsches Gesetzbuch kodifizieren. Damit widersprach Savigny Thibaut, der forderte, ein eben solches Gesetzbuch zu schaffen.
Implizit setzt sich Savigny damit für die Wiederherstellung des status quo vor Einführung des Code Napoleon in Deutschland ein und lehnt jegliche naturrechtlich argumentierende Gesetzgebung ab. Denn einzige Rechtsquelle ist letztendlich das immer schon in Normen existierende Gewohnheitsrecht und seine Fixierungen in Gesetzesbüchern. Aufgabe des Juristen ist es, entgegen der naturrechtlichen Methode, von den speziellen Rechtssätzen ausgehend die allgemeinen Prinzipien des Rechts freizulegen. Naturrechtler und teilweise auch die von Savigny abgelehnten Kodifikationen gehen dagegen von mit der Natur oder der Vernunft gegebenen allgemeinen Prinzipien aus und leiten daraus entsprechende spezielle Rechtssätze ab.
Ergebnis von Savignys Bemühungen war das Aufschieben der Schaffung eines allgemeinen deutschen Gesetzbuches bis zum Erlass des BGB am 1. Januar 1900, in welchem sich dann allerdings die von Savigny idealisierte römische Rechtskultur niederschlug.
Trivia
Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung ist auch der Titel eines Aufsatzes von Werner Flume, in welchem dieser die Änderungen des BGB durch das Fernabsatzgesetz kritisiert (Flume, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung, ZIP 2000, 1427).
Siehe auch
Kategorien:- Rechtsgeschichte der Neuzeit (Deutschland)
- Privatrechtsgeschichte
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