- Vorrangschaltung an Lichtsignalanlagen
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Als ÖPNV-Bevorrechtigung wird die Bevorzugung von Straßenbahnen, Bussen oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln an Verkehrsampeln bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Technik
Voraussetzung jeder ÖPNV-Bevorrechtigung sind Fahrzeugerfassungssysteme: Der Steuerung der Verkehrsampel muss die Annäherung der Straßenbahn oder des Busses mitgeteilt werden. Hierzu werden beispielsweise Schleife/Leitungs-Systeme eingesetzt, bei der von einem Sender im Fahrzeug an eine in der Fahrbahn verlegte Antennenschleife, den Empfänger, Informationen gesendet werden. Andere Übermittlungsmöglichkeiten sind Bake/Funk-Systeme, Infrarotsysteme, die Induktive Meldeübertragung oder Oberleitungskontakte. Zu den übermittelten Informationen können Liniennummer, Fahrtrichtung oder Verspätungen gehören. Eine möglichst frühzeitige Anmeldung der Straßenbahn oder des Busses ist wünschenswert, um der Signalanlage genügend „Reaktionszeit“ zu geben.
Unterschieden wird die absolute Priorisierung und die bedingte Bevorrechtigung: Bei der absoluten Priorisierung genießt der ÖPNV uneingeschränkten Vorrang vor den anderen Verkehrsteilnehmern; der Verkehrsablauf ist dem an einem Bahnübergang gleich. Insbesondere an größeren Straßenkreuzungen wird nur eine bedingte Bevorrechtigung zu realisieren sein, da hier die Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen sind und auch Nutzungskonflikte zwischen verschiedenen Fahrzeugen des ÖPNV auftreten können. In diesen Fällen bestehen mehrere Möglichkeiten, durch Veränderungen des Signalzeitenplans die Wartezeiten für die Fahrzeuge des ÖPNV zu verringern: So können Signalphasen verkürzt oder verlängert werden, der Signalzeitenplan für eine Bedarfsphase unterbrochen werden oder auch Signalphasen getauscht werden. Eine nur bei tatsächlicher Annäherung eines ÖPNV-Fahrzeugs eingelegte Bedarfsphase verringert die durchschnittlichen Wartezeiten für die anderen Verkehrsteilnehmer.
Eine Sonderform der ÖPNV-Bevorrechtigung ist die Zeitinsel: Hierunter wird die befristete Sperrung einer Straße durch eine Signalanlage im Bereich einer Straßenbahnhaltestelle ohne Haltestelleninsel verstanden, um das gefahrlose Ein- und Aussteigen der Fahrgäste zu ermöglichen. Eine weitere Sonderform ist die Busschleuse: Sie kann an Bushaltestellen oder am Ende einer Busspur eingerichtet werden. Im Abstand von mindestens 30 Meter vor dem Knotenpunkt wird eine zweite Ampel aufgestellt; der Zwischenraum dient der Einfädelung der Stadtbusse vor dem Individualverkehr. Einrichtungen der ÖPNV-Bevorrechtigung können auch dazu verwandt werden, um den Vorrang von Polizei- und Feuerwehrfahrzeugen im Einsatz zu gewährleisten.
Anwendung
Von der in den 1970er Jahren verbreitet eingeführten Grünen Welle profitierten Straßenbahnen nur wenig: Die notwendigen Aufenthalte an Haltestellen verhinderten ein „Mitschwimmen“ im Takt der auf den Autoverkehr ausgerichteten Grünen Welle. Durch eine abwechselnde Anordnung der Haltestellen vor und nach den Kreuzungsbereichen kann erreicht werden, dass die Straßenbahn auch bei einer Grünen Welle jeden zweiten Streckenabschnitt ohne Wartezeiten durchfahren kann.
Einzelne Städte wie Basel für die dortige Straßenbahn setzten bereits in den 1970er Jahren auf umfassende Maßnahmen zur ÖPNV-Bevorrechtigung. Breitere Anwendung fand die ÖPNV-Bevorrechtigung im Zeichen gestiegenen Umweltbewusstseins erst in den 1980er Jahren. Die Planung derartiger Maßnahmen war teilweise von kommunalpolitischen Auseinandersetzungen begleitet, in denen sich die Interessen der verschiedenen Nutzer des Straßenraums widerspiegelten. Noch heute ist die ÖPNV-Bevorrechtigung in von Stadt zu Stadt unterschiedlichem Ausmaß durchgeführt. Für die Verkehrsbetriebe ergeben sich durch die ÖPNV-Bevorrechtigung Vorteile: Bessere kalkulierbare Wartezeiten vor den Signalanlagen erhöhen die Pünktlichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel. Teilweise lässt sich auch die Reisegeschwindigkeit steigern, dadurch kann in Einzelfällen die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge verringert werden.
Kritik
Besonders bei engen räumlichen Verhältnissen kann es durch unausgewogene ÖPNV-Vorrangschaltungen zu einer erheblichen Behinderung des Individualverkehrs und erheblichen Rückstaus entlang stark befahrener Straßen kommen. Damit verbunden ist auch ein erhöhter Kraftstoffverbrauch durch stehenden Verkehr sowie eine erhöhte Umweltbelastung durch die Abgase. Teilweise lassen sich diese Probleme durch eine optimierte Vorrangschaltung lindern [1].
Einzelnachweise
Literatur
- Werner Schnabel, Dieter Lohse: Grundlagen der Straßenverkehrstechnik und der Verkehrsplanung. Band 1, 2. Auflage, Verlag für Bauwesen, Berlin 1997, ISBN 3-345-00566-2.
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