Weiße Mistel

Weiße Mistel
Weißbeerige Mistel
Weißbeerige Mistel (Viscum album)

Weißbeerige Mistel (Viscum album)

Systematik
Abteilung: Bedecktsamer (Magnoliophyta)
Klasse: Dreifurchenpollen-
Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Ordnung: Sandelholzartige (Santalales)
Familie: Sandelholzgewächse (Santalaceae)
Gattung: Misteln (Viscum)
Art: Weißbeerige Mistel
Wissenschaftlicher Name
Viscum album
L.
Schnitt durch einen Mistelbefall an Kiefer, deutlich sind die Abwehrbemühungen des Baumes durch Wucherung und Harzbildung zu erkennen.
Haustorium, Illustration.
Weiße Beeren von Viscum album
Große Mistel mit weißen Beeren im Februar
Beere der Tannen-Mistel
Embryonen der Weißen Mistel

Die Weißbeerige Mistel (Viscum album), auch Weiße Mistel, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Sandelholzgewächse (Santalaceae). Sie ist eine der wenigen parasitisch lebenden Pflanzen Europas, die direkt am Spross der Wirtspflanze parasitiert.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Weißbeerige Mistel ist ein immergrüner Halbschmarotzer, der auf den Ästen von Laubbäumen sitzt und Wasser und darin gelöste Mineralsalze aus deren Holzteil entzieht. Im Laufe der Jahre wachsen Misteln häufig zu kugeligen Büscheln heran, die bis zu einem Meter Durchmesser erreichen können. An den Enden der gleichmäßig gabelig verzweigten Sprosse der Mistel sitzen die lederigen Blätter, die mehrjährig oder einjährig sein können. Die eingeschlechtlichen unscheinbaren Blüten sitzen in der Gabel zwischen den Zweigen. Die Früchte der Weißen Mistel sind weiße, ein- bis zweisamige runde Scheinbeeren. Je Samen bilden sich bis zu 3–4 grüne Embryonen aus. Die Samen sind von einem zähen, schleimig klebrigen Fruchtfleisch umgeben, wodurch die Verbreitung der Mistel durch Vögel (Verdauungsverbreitung) ermöglicht wird. Die Blütezeit der Weißen Mistel ist von Juni bis September.

Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet der Weißbeerigen Mistel sind die wintermilden Regionen Südskandinaviens sowie Mittel- und Südeuropas. Dort wächst sie zerstreut auf Laubbäumen wie z. B. verschiedenen Obstbaumarten, Linden, Ahorn oder Weißdorn bevorzugt an basenreichen Standorten. Neben Viscum album kommt in Südeuropa noch Loranthus europaeus L. vor. In Mitteleuropa wächst jedoch nur die Weiße Mistel.

Ökologie

Die Samen der Mistel werden durch Vögel verbreitet (Verdauungsverbreitung, Endozoochorie). Vögel, wie z. B. der Specht oder der Eichelhäher fressen die weißen fleischigen Früchte der Mistel, können die Samen jedoch nicht verdauen. Deshalb werden diese zusammen mit dem Kot und Resten des klebrigen Nährgewebes wieder ausgeschieden und verfangen sich zusammen mit diesen in den Ästen der Bäume. Wenn der Samen dabei direkt auf einem Ast liegen bleibt, beginnt der Samen bald daraufhin zu keimen. Bei der Keimung wächst zunächst ein kleiner Stängel mit einer Haftscheibe aus dem Samen, aus der kurz nach der Keimung ein Saugfortsatz (Haustorium) in den Ast des Wirtes hinein wächst. Das Haustorium entwickelt sich im Laufe der Zeit zu einer Primärwurzel, die immer weiter in das Wirtsgewebe eindringt. Aus der Primärwurzel wachsen im folgenden Jahr sog. Senkerwurzeln, die bis in das Leitungsgewebe des Wirtes vordringen und selber auch wieder in der Lage sind, neue Senker sowie Wurzelsprosse auszubilden. Erst nachdem die Senkerwurzel die Leitungsbahnen des Wirtes erreicht haben, entwickelt sich die Mistel weiter. Nach einigen Jahren ist die Mistel dann so reich verzweigt, dass sie kugelige Büschel von bis zu einem Meter Durchmesser erreichen kann. Der Parasitismus der Mistel kann für die Wirtspflanze bedeuten, dass der Ast, auf dem die Mistel lebt, abstirbt. Auf Obstplantagen kommt es häufig zu Ernteverlusten, wenn die Wirtspflanze nicht mehr ausreichend Nährstoffe zur Verfügung hat, um genügend Früchte auszubilden.

Die Weiße Mistel ist einer der wenigen Hemiparasiten Mitteleuropas, der direkt auf dem Spross seiner Wirtspflanze parasitiert.

Die Pflanze ist bereits direkt nach der Keimung photosynthetisch aktiv und kann daher in diesem Entwicklungsstadium auch einige Jahre überdauern, wenn die Haustorien - Zellen die Leitungsbahnen der Wirtspflanze nicht erreichen können. Die Ursache, warum die Mistel in diesem Zustand verbleibt, ist bis heute nicht erforscht.

Eine weitere Besonderheit der Mistel ist, dass sie als photosynthetisch aktiver Halbschmarotzer ihrem Wirt eigentlich nur Wasser und Mineralsalze entziehen müsste, deshalb erstaunt es auch heute noch viele Forscher, dass sie dennoch die Leitungsbahnen für die organischen Substanzen (das Phloem) des Wirtes anzapft. Ob sie dabei dem Wirt auch Nährstoffe entzieht, wird im Moment noch kritisch diskutiert.

Unterarten

Nach der Bindung an unterschiedliche Wirtsbaumarten werden innerhalb der Art Viscum album mehrere Unterarten oder "Wirtsrassen" unterschieden:

  • Laubholz-Mistel (Viscum album subsp. album; synonym Viscum album) - auf Pappeln, Weiden, Apfelbäumen, Weißdorn, Birken, Haseln, Robinien, Linden, Ahornbäumen, amerik. Rot-Eiche, amerik. Schwarznuß, amerik. Eschen, Hainbuche und anderen, nicht aber z.B. auf Rot-Buche, Süßkirsch- und Pflaumenbäumen, Walnußbaum, Platanen, Paulownien, Götterbäumen oder Magnolien.
  • Tannen-Mistel (Viscum album subsp. abietis; synonym Viscum abietis) - auf Weißtannen.
  • Kiefern-Mistel (Viscum album subsp. austriacum; synonym Viscum laxum) - auf Kiefern, selten auf Fichten. In Bayreuth wurde sie erstmalig auf der europäischen Lärche entdeckt. Vorkommen in Süd- und Ostdeutschland, Österreich (Wachau) und Japan.
  • Im Jahr 2002 wurde mit der Kretischen Mistel (Viscum album subsp. creticum) eine weitere Unterart beschrieben, die als Endemit nur auf Kreta vorkommt und dort auf der Brutia-Kiefer (Pinus halepensis subsp. brutia) schmarotzt.[1]

Die früher gelegentlich als Unterart (Viscum album subsp. coloratum) geführte Koreanische oder Japanische Mistel wird dagegen heute als eigene Art (Viscum coloratum) angesehen.[2]

Giftigkeit

Alle Organe der Laubholz-Mistel enthalten giftige Inhaltsstoffe in Form von basischen Polypeptidgemischen (Viscotoxine). Die Stärke des Giftes ist von der Wirtspflanze abhängig. Ist der Wirt der Mistel eine Linde oder ein Ahorn, ist das Gift stärker als beispielsweise bei einem Apfelbaum.

Verwendung

Die Früchte der Mistel wurden früher wegen des klebrigen Nährgewebes in der Frucht zur Herstellung von Vogelleim verwendet. In einigen europäischen Ländern ist diese Art des Vogelfangs immer noch ein beliebter Sport. Misteln eignen sich sehr gut für Wildgärten, da sie einfach anzupflanzen sind, denn es reicht aus, die frischen noch klebrigen Beeren an eine junge Borke eines geeigneten Wirtsbaumes anzuheften.

Mythologie

Die Mistel war schon in der Mythologie des Altertums bekannt und wurde von den gallischen Priestern, den Druiden, als Heilmittel und zu kultischen Handlungen benutzt. Sie galt nicht nur als Wunderpflanze gegen Krankheiten, sondern wurde auch als Heiligtum verehrt, als Zeichen des immerwährenden Lebens. Die Germanen glaubten, dass die Götter die Mistelsamen in die Bäume streuten, sie also ein Geschenk des Himmels wären. Auch heute noch werden einige alte Bräuche gepflegt. So ist die Mistel in einigen Ländern, wie z.B. der Schweiz, ein Fruchtbarkeitssymbol. In England gibt es ein Ritual, dass ein Mistelzweig in der Weihnachtszeit über die Tür gehängt wird und die junge Dame, die sich unter diesem Mistelzweig befindet, auf der Stelle geküsst werden darf.

In der germanischen Mythologie wurde der Asengott Balder mit einem Mistelzweig getötet.

Sonstiges

  • Vergleiche auch:
    • Eichenmistel, Riemenblume (Loranthus europaeus),
    • Zwergmistel (Viscum minimum) - Vollparasit/Endophyt im Inneren einiger kakteenähnlichen Wolfsmilch-Arten in Südafrika, mit roten Beeren,
    • Zwergmisteln im eigentlichen Sinne sind die blattlosen, unscheinbaren, aber forstlich teilweise schädlichen Arten der Viscaceae-Gattung Arceuthobium. Diese parasitieren nur in Nadelgehölzen. Sie sind über die ganze Nordhemisphäre verbreitet. Sie schleudern ihre Samen mit extremem Wasserdruck bis zu zwanzig Meter weit, ein im Pflanzenreich äußerst seltener Ausbreitungsmechanismus (Canadian Journal of Botany, Bd. 82, S. 1566). Besonders artenreich treten sie in Nordamerika auf. In Europa kommt aus dieser etwas über 30 Arten umfassenden Gattung nur die sehr unauffällige Wacholdermistel vor, z. B. in Südfrankreich.

Literatur

  • Düll, Ruprecht; Kutzelnigg, Herfried: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. Wiebelsheim 2005
  • Schauer, Thomas: Der BLV Pflanzenführer für unterwegs. München 2005
  • Weber, Christian: Schmarotzer. Pflanzen die von anderen leben. Stuttgart 1978

Weblinks

Bilder

Einzelnachweise

  1. N. Böhling u. a.: Notes on the Cretan mistletoe, Viscum album subsp. creticum subsp. nova (Loranthaceae/Viscaceae). In: Israel Journal of Plant Sciences 50 (Supplement, 2002), S77–S84.
  2. Viscum coloratum in der "Flora of China"
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