- White Gospel
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White Gospel (auch White Spirituals genannt) entstand infolge der Evangelisationskampagne von Dwight Moody und seinem Kantor und Komponisten Ira David Sankey im Jahre 1871 in England und in Städten im Norden der USA. In diesem Zusammenhang wurden mehrere Bände von "Gospel Hymns" herausgegeben, Liederhefte der Erweckungsbewegung. Die Lieder darin waren bekannte kirchliche Hymnen, Camp Meeting Spirituals, Sonntagsschullieder, Lieder aus dem YMCA-Liederbuch, oder neue Kompositionen von Komponisten aus den Nordstaaten. Der Begriff Gospel wurde auch schon im 17. Jahrhundert bisweilen für Kirchenlieder gebraucht, aber diese Liedsammlung "Gospel Hymns" erfüllte den Begriff neu für die Menschen. Mit der Zeit wurde das Repertoire des White Gospel noch um andere Lieder erweitert, sentimentale Kirchenlieder, kirchliche Volkslieder, Shape-Note-Hymns (Lieder, die mit Do Re Mi Fa So notiert waren), und sogar einige Black Spirituals.
Verlage wie James D. Vaughn und Stamps-Baxter machten auch aus dem White Gospel ein Geschäft. Vaughn hatte bis zu 16 Gospelgesangsgruppen auf Tournee geschickt, um seine Notenbücher unter's Volk zu bringen. 1922 gründete Vaughn auch ein eigenes Schallplattenlabel.
Typische Songs des White Gospel sind "If I Could Hear My Mother Pray Again" von James Rowe und J.W.Vaughan, oder "Hand In Hand With Jesus" von Reverend Johnson Oatman, Jr. und Leonard D. Hufstutler. Ein typisches Spiritual im White Gospel Repertoire ist "Give Me That Old Time Religion", 1880 von dem afroamerikanischstämmigen Schmied namens Rawlings an Reverend Charles D. Tillman weitergegeben.
Die Vortragsweise des White Gospel ist meist die der nordamerikanischen Country Music.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Entstehung
Beginnend in den späten 1850er Jahren kam es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert im städtischen Norden der USA verstärkt zu Erweckungs-Aktvitiäten wie Camp Meetings, konfessionsübergreifenden Gebetsveranstaltungen und Evangelisationskampagnen. Besonders die extrem gewachsenen Städte New York City, Boston und Chicago waren Brennpunkt dieser religiösen Bewegung, die durch ein Proletariat von Fabrikarbeitern getragen wurde.
Dieses Umfeld verlangte nach leicht lernbaren neuen Kirchenliedern mit einfachen und mitreißenden Melodien, in denen die evangelistische Aussage attraktiv und unkompliziert vermittelt wurde. Auf Revivals wurden zunächst häufig Kirchenlieder im Stil des Sunday School Songs gesungen. Neue Lieder für Revivals nahmen allerdings bald verschiedene geistliche und weltliche Einflüsse auf, unter denen sich der Stil des Sunday School Songs der 1850er/60er Jahre bis in die 1870er/80er Jahre zu einem Typus entwickelte, der als Gospel Song, Gospel Hymn, White Gospel oder Northern White Gospel bezeichnet wird. (Der Gospel Song gehört zu den ersten Stilen, die zusammenfassend als Gospel bezeichnet werden, er ist aber nicht zu verwechseln mit dem späteren Black Gospel oder dem Southern Gospel.)
Wurzeln
Die frühesten Einflüsse des Gospel Songs stammen aus dem Camp Meeting Song und der amerikanischen Volksmusik vor allem der irisch- oder schottisch-stämmigen Bewohner der Appalachen. Auch die Shape-Note- Tradition des mittleren 19. Jahrhunderts hat den Gospel Song beeinflusst.
Die zentralen Einflüsse des Gospel Songs stammen allerdings aus der populären weltlichen Musik des mittleren bis späten 19. Jahrhunderts: Parlor Songs von Stephen (Collins) Foster (dem Songwriter von Oh! Susanna) und anderen, der Stil populärer Balladen wie The Battle Hymn of the Republic oder When Johnny Comes Marching Home, Rhythmik und Melodiebildung der Musik der amerikanischen Brass Bands (von Komponisten wie John Philip Sousa, Henry Fillmore oder Karl King), die schon in den 1850er Jahren und verstärkt als militärische Marschmusik während des Sezessionskriegs (1861-1865|65) überall in den Nordstaaten präsent war.
Die Entwicklung vom Sunday School Song zum Gospel Song vollzog sich im Kontext der amerikanischen Romantik, welche für die Ästhetik der weltlichen wie der geistlichen Kultur Amerikas im späten 19. Jahrhundert von großer Bedeutung war. Der Tod, stets gegenwärtig durch eine hohe Kindersterblichkeit, durch Epidemien (in Memphis sterben 1873 10% der Einwohner an einer Epidemie) und durch den Sezessionskrieg (1861-1865) mit seinen über 630.000 Opfern, ist in zahlreichen weltlichen Balladen über verlassen sterbende Mädchen, über Schiffsunglücke, über gefallene Soldaten und über frische Gräber auf sonnenbeschiener Heide, über Geister und über das Leben nach dem Tod zentrales Thema. Auch die See, die Heimat und die Mutter stehen im Fokus populärer Lyrik.
Bedeutende Komponisten
Zu den wichtigsten Komponisten des White Gospel zählen:
- der Literaturprofessor und Baptistenprediger Robert Lowry (1826-1899), der über 500 Gospel Songs komponierte, darunter Shall We Gather at the River (1864, Melodie auch gebräuchlich zu Welchen Jubel, welche Freude), One more Day's Work for Jesus (Text von Anna Bartlett Warner (1820-1915), deutsch von Theodor Kübler als Ein Tagwerk für den Heiland) und Lasst die Herzen immer fröhlich (Text von Johann Abraham Reitz nach einer englischen Vorlage von Fanny Crosby (1820-1915)),
- William Howard Doane (1832-1915), Komponist der Melodien Pass me not, O gentle savior (1870, Text von Fanny Crosby, deutsch von C. Ott als Gehe nicht vorbei, o Heiland), Brüder, auf zu dem Werk und Take the Name of Jesus with You (1899, Text von Lydia Baxter (1809-1874), deutsch von Ernst Heinrich Gebhardt als O, wie süß klingt Jesu Name!),
- Charles Crozat Converse (1832-1918), Komponist von What a Friend We Have in Jesus (1868, Text von Joseph Medlicott Scriven (1819-1886), deutsch von Ernst Heinrich Gebhardt als Welch ein Freund ist unser Jesus),
- Philip Paul Bliss (1838-1876), Leiter einer Musikinstituts in Chicago, ab 1874 musikalischer Partner des Predigers Major Daniel Webster Whittle bei Evangelisationsveranstaltungen und Herausgeber der Sammlung Gospel Songs (1874), Komponist und Textdichter von Will You Meet Me at the Fountain (1874, deutsch von Ernst Heinrich Gebhardt als Treff ich dich wohl bei der Quelle) und At the feet of Jesus (1876, deutsch als Zu des Heilands Füßen), Komponist von Precious Promise (Text von Nathanie Niles, deutsch als Reiches Versprechen) und Oft streust du Samen auf harten Weg,
- William Kirkpatrick (1838-1921), Komponist von He Lifted Me (Text von Fanny Crosby, deutsch von Chr. Reuß als Erlöst bin ich, selig in Jesus),
- Ira David Sankey (1840-1908), zunächst superintendent der Sonntagsschule und Chorleiter, langjährige Zusammenarbeit mit dem herausragenden Evangelisten Dwight L. Moody (1837-1899) als dessen music director (Leiter des Gesangs auf Evangelisationsveranstaltungen), auch auf Evangelisationskampagnen in England; Herausgeber verschiedener Liedersammlungen und Komponist von 1.200 Liedern, darunter Light after Darkness (Text von Frances Ridley Havergal (1836-1879), deutsch von Johanna Meyer als Licht nach dem Dunkel), Fading away like the stars of the Morning (Text von Horatius Bonar, deutsch als Gleich wie die schimmernden Sterne verblassen) und There are lonely Hearts to Cherish (1881, Text von George Cooper, deutsch von Walter Rauschenbusch als Manches Herz will fast ermüden),
- James Mac Granahan (1840-1907), Komponist von O Word of Words (1876, deutsch von Ernst Heinrich Gebhardt als Ich weiß ein Wort so herrlich),
- George Coles Stebbins (1846-1945), Chorleiter in Chicago und Boston, Komponist von Come with Thy Sins to the Fountain (1885, Text von Fanny Crosby, deutsch von W. Appel als Komm doch zur Quelle des Lebens) und von Wo keine Wolke mehr türmt (Text von Walter Rauschenbusch nach einer englischen Vorlage von L. W. Mansfield).
Auch die späten Liedkompositionen von William Batchelder Bradbury (1816-1868) und George Frederick Root (1820-1895) fallen in die Stilistik des White Gospel.
Die produktivste und bedeutendste Textdichterin des White Gospel war Fanny (Jane) Crosby) (1820-1915, eigentlich Francis Jane van Alstyne-Crosby), die über 8000 Texte verfasste, die für Gospel Songs Verwendung fanden, neben den bereits genannten z.B. Blessed Assurance, Jesus is Mine (deutsch von Heinrich Rickers als Seliges Wissen, Jesus ist mein, vertont von Phoebe Knapp-Palmer) (1839-1908), Safe in the Arms of Jesus (1868, deutsch von Ernst Heinrich Gebhardt als O in den Armen Jesu, vertont von William Howard Doane) (1832-1915) und Thou My Everlasting Portion (1874, deutsch von Dora Rappard-Gobat als Herr, mein Heiland und mein Hirte, vertont von Silas Jones Vail). Der sehr bekannter contemporary Gospelsong Oh Happy Day von Edwin Hawkins ist der Refrain des gleichnamigen White Gospel von Philip Doddridge (1702-1751) und Edward F. Rimbault (1816-1876).
Charakteristik
Typisch für den White Gospel der der 1870er/80er Jahre ist ein allgegenwärtiger punktierter Rhythmus bei meist geradem Takt (Pass me not, O gentle savior) oder alternativ ein aus Dreiergruppen zusammengesetzter Takt mit schwingendem Rhythmus (At the feet of Jesus). Die harmonische Bewegung ist leicht verständlich und basiert fast ausschließlich auf den drei Grundfunktionen der Dur-Tonleiter. Das melodische Material eines Gospel Songs ist meist sehr beschränkt, häufig basierend auf Dreiklängen, Pentatonik und Tonwiederholungen mit gelegentlicher Chromatik. Die einzelnen Zeilen entstehen durch Wiederholung, Sequenzierung oder Umkehrung weniger Motive, häufig als parallele Paaren aus Vordersatz mit Modulation und Nachsatz mit Rückmodulation (Fading away like the stars of the Morning). Die meisten Gospel Songs haben einen Refrain, teilweise mit obligaten Begleitstimmen zu Liegetönen in der Melodie (Wo keine Wolke mehr türmt).
Das Ziel der Gospel Songs, die evangelistische Botschaft griffig, einprägsam und attraktiv zu vermitteln, findet seinen deutlichen Niederschlag in den Texten: Übliche textlich Inhalte von Gospel Songs sind der Aufruf zur Umkehr oder zur (missionarischen) Arbeit für den Herrn oder die Beschreibung unkomplizierter Emotionen wie die Freude, den Heiland gefunden zu haben oder die Geborgenheit in Jesus Christus. Komplexe Theologie, differenzierte Emotionen oder besondere poetische Ausarbeitung fehlen.
Die Lieder des White Gospel erreichten eine hohe Beliebtheit auf Erweckungsversammlungen. Sie fanden Eingang in zahlreiche offizielle Gesangbücher. Viele von ihnen wurden in die deutsche Sprache übersetzt (s.u.).
Southern Gospel
Auch der Southern Gospel gehört zu den Kirchenliedern.
Literatur
- Gregor Pullen Jackson: Another Sheaf Of White Spirituals. Folklore Press INC. 1981 New York
- Jack Schrader: Sing Joyfully Tabernacle Publishing Company 1989, Illinois
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