- Wilhelm A. Barthlott
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Wilhelm Barthlott (* 22. Juni 1946 in Forst (Baden)) ist ein deutscher Botaniker und Bioniker. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Barthlott“.
Barthlotts Arbeitsgebiete sind Biodiversitätsforschung, Systematik und Evolution der Pflanzen, Tropenökologie und globale Kartierung der Artenvielfalt sowie Raster-Elektronenmikroskopie pflanzlicher Oberflächen. Aus dem letzten Arbeitsgebiet hat sich ein Schwerpunkt der Grenzflächenforschung entwickelt: es gelang, nach biologischen Vorbildern (Lotuseffekt) technische Oberflächen mit selbstreinigenden Eigenschaften zu entwickeln, die unter dem Markennamen „Lotus-Effekt®“ ein wirtschaftlicher Erfolg wurden.
Für seine Arbeiten wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen wie dem Deutschen Umweltpreis [1] geehrt. Er ist ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz [2], der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste Düsseldorf und der Nationalen Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie „Foreign Member“ der Linnean Society of London.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Wilhelm Barthlott studierte Biologie mit den Nebenfächern Physik, Chemie und Geographie an der Universität Heidelberg und promovierte 1973 über die Systematik und Biogeographie epiphytischer Kakteen. Nach der Habilitation folgte er einem Ruf an die Freie Universität Berlin und war dort von 1982 – 1985 Abteilungsleiter am Institut für Systematische Botanik und Pflanzengeographie. 1985 nahm er einen Ruf an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Direktor am Botanischen Institut und des Botanischen Gartens an. Seit 2003 ist er Geschäftsführender Direktor des von ihm gegründeten Nees-Institutes für Biodiversität der Pflanzen und gleichzeitig Direktor der Botanischen Gärten der Universität Bonn. Sowohl Garten wie Institut wurden von ihm nachhaltig umstrukturiert und erweitert.
Barthlott ist Leiter der Forschungsstelle „Biodiversität im Wandel“, ein Langzeitvorhaben der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz und des Landes Nordrhein-Westfalen sowie Gründungsmitglied verschiedener nationaler und internationaler Komitees und Vereinigungen, die im Rahmen der Biodiversitätsforschung, der Botanischen Gärten sowie nationaler und internationaler Schutzorganisationen tätig sind.
Wirken
Biodiversitätsforschung und Tropenökologie
Umfangreiche Forschungsarbeiten vor allem im andinen Südamerika mit zahlreichen Arbeiten zur Taxonomie und Morphologie neotropischer Kakteen und Bromelien anhand von Analysen ihrer Oberflächenstrukturen mit Hilfe des Rasterelektronenmikroskops, zur Struktur und Status der Vegetation in Madagaskar und im tropischen Westafrika sowie zur Aufklärung von Mechanismen zur Steuerung und Verteilung von Biodiversität in den Tropen. Studien tropischer Modellökosysteme wie z.B. tropischer Inselberge und epiphytischer Pflanzen im Kronenbereich der tropischen Regenwälder. Aktuelle Arbeiten konzentrieren sich vor allem auf die globale Kartierung von Biodiversität und deren makroökologische kausale Abhängigkeiten. Im Rahmen des von ihm geleiteten BMBF-BIOTA AFRIKA-Projektes[3] werden die Biodiversitätsmuster in Afrika als Modellkontinent analysiert und die möglichen Folgen des Klimawandels untersucht.
Systematik und Evolution
Systematisch/taxonomische Arbeiten von Wilhelm Barthlott konzentrieren sich auf die Erforschung der Vielfalt bestimmter Gruppen der Bedecktsamer. Im Mittelpunkt standen dabei die Kakteen, aber auch die Orchideen (vor allem systematische Merkmale der Ultrastruktur der Samenschalen). Innerhalb seiner Arbeitsgruppe stehen heute molekularsystematische Arbeiten im Vordergrund. Systematische und ökologische Interessen werden verknüpft in dem Arbeitsgebiet Fleischfressende Pflanzen. Dies führte unter anderem zur Entdeckung der ersten protozooenfangenden Pflanze der Reusenfallen (Genlisea), die gleichzeitig die höchsten Evolutionsraten und darüber hinaus das kleinste bekannte Genom aller Blütenpflanzen hat, das Art-Epitheton Genlisea barthlottii ehrt seine Verdienste in diesem Feld.
Grenzflächen
Wilhelm Barthlott war der erste Botaniker, der die Raster-Elektronenmikroskopie systematisch seit 1970 zur Erforschung pflanzlicher Oberflächen einsetzte. Daraus resultierten zahlreiche Arbeiten und vor allem Mitte der 70er Jahre die Entdeckung des Selbstreinigungs-Effektes superhydrophober mikro- und nanostrukturierter Oberflächen, die unter dem Markennamen Lotus-Effekt® ab 1998 technisch umgesetzt wurden. Die daraus resultierenden Produkte werden heute weltweit vertrieben. Die biologische Grenzflächenforschung sowie die biomimetische Umsetzung auf technischen Produkten ist heute ein zentrales Arbeitsgebiet, bei dem vor allem auch die Atomic Force Microscopy eingesetzt wird. Neuere Arbeiten beschäftigen sich mit lufthaltenden Oberflächen, die für Rumpfbeschichtungen in der Schifffahrt eingesetzt werden können.
Ehrungen und Auszeichnungen
- 1990 Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz
- 1997 Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften – Klasse für Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften - Düsseldorf
- 1997 Karl Heinz Beckurts-Preis
- 1998 Nominierung für den Deutschen Zukunftspreis für Technik und Innovation des Bundespräsidenten
- 1998 Orden Andrés Bello der Republik Venezuela
- 1999 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (heute Nationale Akademie der Naturforscher Leopoldina)
- 1999 Philip-Morris-Forschungspreis
- 1999 Deutscher Umweltpreis
- 2001 Treviranus-Medaille des Verbandes Deutscher Biologen
- 2001 GlobArt Award (Österreich) für grenzüberschreitendes innovatives Denken
- 2002 Cactus d’Or des Fürstentums Monaco für Verdienste um die Sukkulenten-forschung
- 2004 Scientist in Residence der Universität Duisburg-Essen
- 2005 Innovationspreis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
- 2006 Erster Preis des Hochschulwettbewerbs „Patente Erfinder“ des Landes Nordrhein-Westfalen
- 2007 Maecenas-Medaille der Universität Bonn
Werke
Das Literaturverzeichnis von Wilhelm Barthlott umfasst über 300 Originalarbeiten, darunter ein Dutzend Bücher.
Ausgewählte Literatur Biodiversitätsforschung und Tropenökologie
- Kreft, H., Jetz, W., Mutke, J., Kier, G. & W. Barthlott (2008): Global diversity of island floras from a macroecological perspective. Ecology Letters 11: 116-127
- Barthlott, W., Hostert, A., Kier, G., Küper, W., Kreft, H., Mutke, J., Rafiqpoor, M.D., Sommer, J. H. (2007): Geographic patterns of vascular plant diversity at continental to global scale. Erdkunde 61: 305–315
- Kreft, H., Sommer, J.H. & W. Barthlott (2006): The significance of geographic range size for the explanation of spatial diversity patterns. Ecography 29: 21-30
- Mcclean C., Lovett J.C., Küper W., Hannah, L., Sommer J.H., Barthlott, W., Termansen M., Smith G.F., Tokumine S. & J. Taplin (2005). African Plant Diversity and Climate Change. Ann. Missuori Bot. Gard. 92 139-152
- Küper, W., Sommer, J.H., Lovett, J.C., Mutke, J., Linder, H.P., Beentje, H.J., Van Rompaey, R.S.A.R., Chatelain, C., Sosef, M. & W. Barthlott (2004): Africa’s hotspots of biodiversity redefined. Ann. Missouri Bot. Gard. 91: 525-535
- Nieder, J. & W. Barthlott (eds.) (2001): Epiphytes and canopy fauna of the Otonga rain forest (Ecuador) Results of the Bonn – Quito epiphyte project, funded by the Volkswagen Foundation. Books on Demand GmbH Vol. 1–3
- Barthlott, W. & M. Winiger (eds.) (2001): Biodiversity. A Challenge for development research and policy. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp. 429 1st edition 1998, second corrected printing 2001
- Porembski, S. & W. Barthlott (eds.) (2000): Inselbergs: biotic diversity of isolated rock outcrops in tropical and temperate regions. Ecological Studies Vol. 146. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp. 528.
- Barthlott, W., Lauer, W. & A. Placke (1996): Global distribution of species diversity in vascular plants: towards a world map of phytodiversity. Erdkunde 50: 317-327
Ausgewählte Literatur Systematik und Evolution
- Müller, K., Borsch, T., Legendre, L., Porembski, S. & W. Barthlott (2006): Recent progress in understanding the evolution of carnivorous Lentibulariaceae (Lamiales). Plant Biology 8: 748-757
- Greilhuber, J., Borsch, T., Müller, K., Worberg, A., Porembski, S. & W. Barthlott (2006): Smallest angiosperm genomes found in Lentibulariaceae, with chromosomes of bacterial size. Plant Biology 8: 770-777
- Barthlott, W., Porembski S., Seine, R. & I. Theisen (2004): Karnivoren. Biologie und Kultur Fleischfressender Pflanzen. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
- Borsch, T., Hilu, K. W., Quandt, D. Wilde, V., Neinhuis, C. & W. Barthlott (2003): Noncoding plastid trnT-trnF sequences reveal a well resolved phylogeny of basal angiosperms. Journal of Evolutionary Biology 16: 1-19
- Barthlott, W., Porembski, S., Fischer, E. & B. Gemmel (1998): First protozoa-trapping plant found. Nature 392: 447
- Barthlott, W. & N. P. Taylor (1995): Notes towards a monograph of Rhipsalideae (Cactaceae). Bradleya 13: 43-79
- Barthlott, W. & D. R. Hunt (1993): Cactaceae. In: Kubitzki, K. (ed.) The families and genera of vascular plants, Vol. II. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, pp 161-197
Ausgewählte Literatur Grenzflächen
- Koch, K., Bushan, B. & W. Barthlott (2008): Diversity of structure, Morphology and Wetting of Plant Surfaces. Soft matter
- Solga, A., Cerman, Z., Striffler, B. F., Spaeth, M. & Barthlott, W. (2007): The dream of staying clean: Lotus and biomimetic surfaces. Bioinspiration & Biomimetics 2, 1-9
- Barthlott, W., Neinhuis, C., Cutler, D., Ditsch, F., Meusel, I., Theisen, I. & H. Wilhelmi (1998): Classification and terminology of plant epicuticular waxes. Botanical Journal of the Linnean Society 126: 237-260
- Neinhuis, C. & W. Barthlott (1997): Characterization and distribution of water-repellent, self-cleaning plant surfaces. Annals of Botany 79: 667-677
- Barthlott, W. (1990): Scanning electron microscopy of the epidermal surface in plants. In: CLAUGHER, D. (ed.): Application of the scanning EM in taxonomy and functional morphology. Systematics Associations’s Special Volume. Clarendon Press, Oxford, pp. 69-94
- Barthlott, W. & N. Ehler (1977): Raster-Elektronenmikroskopie der Epidermis-Oberflächen von Spermatophyten. Tropische und subtropische Pflanzenwelt 19, Akad. Wiss. Lit. Mainz. Franz Steiner Verlag, Stuttgart
Nachweise
- Vita Prof. Dr. Wilhelm Barthlott im Preisträger-Archiv der DBU, Online
- Curriculum Vitae auf der Website des Nees-Institut für Biodiversität der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Online
- Kurzbiographie auf der Website des Nees-Institut für Biodiversität der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Online
- Komplettes Publikationsverzeichnis auf der Website des Nees-Institut für Biodiversität der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Online
Einzelnachweise
Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Nachweise angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:
- ↑ Eintrag im Preisträger-Archiv der DBU
- ↑ Mitgliedereintrag auf der Website der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz
- ↑ Eintrag auf der Seite des BMBF-BIOTA AFRIKA-Projektes
Weblinks
- Literatur von und über Wilhelm Barthlott im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Autoreintrag und Liste der beschriebenen Pflanzennamen für Wilhelm Barthlott bei IPNI.
- Nees-Institut für Biodiversität der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- Botanische Gärten der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- BMBF-BIOTA AFRIKA-Projekt
Personendaten NAME Barthlott, Wilhelm KURZBESCHREIBUNG deutscher Botaniker GEBURTSDATUM 22. Juni 1946 GEBURTSORT Forst bei Bruchsal
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