Rasterelektronenmikroskop

Rasterelektronenmikroskop
Unterschiedliche Pollen, mit ihren verschiedenen Oberflächen, aufgenommen mit dem Rasterelektronenmikroskop

Als Rasterelektronenmikroskop (REM) (englisch scanning electron microscope, SEM) bezeichnet man ein Elektronenmikroskop, bei dem ein Elektronenstrahl in einem bestimmten Muster über das vergrößert abzubildende Objekt geführt (gerastert) wird und Wechselwirkungen der Elektronen mit dem Objekt zur Erzeugung eines Bildes des Objekts genutzt werden. Die typisch mit einem Rasterelektronenmikroskop erzeugten Bilder sind Abbildungen der Objektoberflächen und weisen eine hohe Schärfentiefe auf. Der maximale theoretische Vergrößerungsfaktor liegt etwa bei ca. 1.000.000:1. Eine rasternde Abbildung lässt sich auch in Transmission durchführen (engl. STEM für Scanning Transmission Electr. Microscopy), hierfür sind aber entsprechend ausgerüstete Transmissionselektronenmikroskope oder dedizierte Rastertransmissionselektronenmikroskope besser geeignet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

REM Cambridge S150 im Geologischen Institut, Universität Kiel, 1980

Hans Busch entdeckte im Jahr 1925, dass man ein Magnetfeld als Elektronenlinse benutzen kann, analog zur Glaslinse bei Lichtstrahlen. 1931 baute Ernst Ruska zusammen mit Max Knoll das erste Elektronenmikroskop. Es war allerdings ein Durchstrahlungs-Elektronenmikroskop und lieferte keine Bilder der Oberfläche, sondern nur die Verteilung der Masse im Objekt. Es bildete also nur einen einzelnen Punkt des Objekts ab.

Zwei Jahre darauf konstruierte Ernst Ruska sein zweites Elektronenmikroskop mit einem Auflösungsvermögen von 50 nm, was die Auflösung mit Lichtstrahlenabtastung bei weitem übertrifft. Manfred von Ardenne versuchte 1937 eine Probenoberfläche von einem Elektronenstrahl abtasten zu lassen; dabei entstehen Sekundärelektronen, die dazu benutzt werden können, auf einer Kathodenstrahlröhre ein vergrößertes Bild des abgerasterten Probenbereichs darzustellen. Siemens baute ein Jahr später das erste serienmäßige Elektronenmikroskop. Dieses Rasterelektronenmikroskop wurde von Ernst Ruska und Bodo von Borries entwickelt.

Das erste Rasterelektronenmikroskop für kompakte Proben wurde unter anderem von Vladimir Zworykin 1942 entwickelt, es besaß eine Auflösung von 50 nm. 1965 folgte das erste kommerzielle Rasterelektronenmikroskop von Cambridge Scientific Instruments.

Funktionsprinzip

Serie von Niedrigtemperatur-REM-Aufnahmen eines Schneekristalls.

Elektronenstrahlerzeugung

Der Elektronenstrahl wird in einer Elektronenquelle erzeugt. Dabei handelt es sich bei den einfacheren Geräten um einen haarnadelförmig gebogenen Draht aus Wolfram oder einen LaB6-Kristall (Lanthanhexaborid). Dieser wird erhitzt und emittiert Elektronen (sogenannte Glühkathode), die dann in einem elektrischen Feld mit einer Spannung von typischerweise 8 bis 30 kV beschleunigt werden.

Die Technik der Feldemission wird in teureren Geräten verwendet. Die Feldemissionskathode (engl. Field Emission Gun (FEG)) besteht aus einer sehr feinen Spitze, aus der durch Anlegen einer sehr hohen elektrischen Feldstärke die Elektronen „heraustunneln“. Man unterscheidet zwischen der kalten Feldemission, bei der aus einer feinen Wolframspitze ohne Heizen der Kathode nur auf Grund des anliegenden elektrischen Feldes die Elektronen austreten, und der thermischen Feldemission, bei der eine Schottky-Kathode leicht geheizt wird. Die thermische Feldemission hat den Vorteil der höheren Strahlintensität. Instrumente mit solchen Elektronenquellen zeichnen sich durch besonders gute Bildqualität schon bei sehr niedriger Beschleunigungsspannung aus. Grund für die bessere Bildqualität ist, dass die Elektronen eine definiertere Geschwindigkeit besitzen.

Rasterprozess

vereinfachtes Funktionsprinzip eines Rasterelektronenmikroskops (REM-EDX)

Das Rasterelektronenmikroskop basiert auf der Abrasterung der Objektoberfläche mittels eines feingebündelten Elektronenstrahls. Der komplette Vorgang findet normalerweise im Hochvakuum statt, um Wechselwirkungen mit Atomen und Molekülen in der Luft zu vermeiden.

Mit Hilfe von Magnetspulen wird der Elektronenstrahl auf einen Punkt auf dem Objekt fokussiert. Trifft der Elektronenstrahl auf das Objekt, sind verschiedene Wechselwirkungen möglich, deren Detektion Informationen über die Beschaffenheit des Objekts geben. Die Intensität des Signals wird ausgewertet.

Der von der Kathode kommende Primärelektronenstrahl wird nun wie bei einem Fernseher zeilenweise über die Oberfläche des Objekts geführt (Rastern), während das Signal in Grauwertinformationen umgewandelt und synchron auf dem Bildschirm dargestellt wird. Sind alle Zeilen des Bildes abgetastet, fängt das Rastern wieder am oberen Bildrand an und ein neues Bild wird erzeugt.

Die Vergrößerung ist nichts anderes als das Verhältnis zwischen abgerasterter Probenfläche und der Monitorgröße. Die Vergrößerung kann bei den meisten Geräten nahezu stufenlos eingestellt werden.

Schematische Darstellung der Signale, die im REM entstehen und genutzt werden.

Signalarten

Sekundärelektronenkontrast

Als meistgenutzte Informationsquelle dienen die von den Elektronen des Strahls (Primärelektronen) in Wechselwirkung mit den Atomen des zu untersuchenden Objekts erzeugten Sekundärelektronen (SE). Sie haben eine Energie von einigen eV und können von einem Everhart-Thornley-Detektor detektiert werden. Aufgrund ihrer niedrigen Energie stammen sie aus den obersten Nanometern der Oberfläche und bilden somit die Topografie des Objektes ab.

Flächen, die zum Detektor geneigt sind, erscheinen heller als Flächen, die vom Detektor abgewandt sind (Flächenneigungskontrast). Daneben gibt es weitere Kontrastmechanismen, wie Kantenkontrast, Aufladungskontrast, Abschattungskontrast, usw.. Allgemein entsteht der Eindruck als würde man das Objekt von oben betrachten, während es aus der Richtung des Detektors beleuchtet wird. Das Volumen, in dem SE generiert werden, ist vergleichsweise klein – daher erlauben SE-Bilder eine sehr hohe Auflösung (wenige nm).

Rückstreuelektronenkontrast

Ein weiteres häufig genutztes Abbildungsverfahren ist die Detektion von zurückgestreuten Elektronen (engl. Backscattered Electrons, BSE). Diese vom Objekt zurückgestreuten Primärelektronen haben eine typische Energie von einigen keV. Die Intensität des Signals ist in erster Linie von der mittleren Ordnungszahl des Materials abhängig . Schwere Elemente sorgen für eine starke Rückstreuung, so dass entsprechende Bereiche hell erscheinen. Bereiche mit leichteren Elementen erscheinen hingegen dunkler. Das BSE-Bild wird daher auch als Materialkontrastbild bezeichnet und ermöglicht Rückschlüsse auf die chemische Natur des Objektmaterials bzw. der Verteilung verschiedener Materialien im Bild.

Bei der Interpretation von Materialkontrastbildern ist außerdem zu beachten, dass die Topografie der Probe (Flächenneigung, Abschattung, Aufladung, …) den Kontrast ebenfalls beeinflussen und Materialinhomogenitäten vortäuschen kann. Das Volumen, in dem es zu derartigen Interaktionen kommt, hängt neben dem Material der untersuchten Probe (Ordnungszahl) stark von der Beschleunigungsspannung ab. Bei 20 kV liegt die Auflösung bei etwa 1 μm - daher haben BSE-Bilder eine schlechtere Auflösung.

Inzwischen gibt es auch technische Lösungen (Elektronenoptik, Detektor) dafür, dass Rückstreukontrast bei sehr kleinen Beschleunigungsenergien (1 keV und darunter) zur Abbildung benutzt werden kann. Wegen des kleinen Anregungsvolumens bei diesen Energien erhält man auch eine deutlich bessere Ortsauflösung.

Röntgenanalyse (EDX / WDX)

Zur Charakterisierung der Elementzusammensetzung kleinster Probenbereiche wird im REM häufig die charakteristische Röntgenstrahlung genutzt. Diese entsteht, wenn ein Elektron des Elektronenstrahls im Atom der Probe ein kernnahes Elektron aus seiner Position schlägt. Diese Lücke wird sofort von einem energiereicheren Elektron aus einem höheren Orbital aufgefüllt. Die Energiedifferenz wird in Form eines Röntgenquants frei. Die dadurch entstandene Röntgenstrahlung ist charakteristisch für den Übergang und das Atom, also das Element.

Mittels geeigneter Detektoren (Halbleiterdetektoren) können die Energien, deren Intensität charakteristisch für die in der Probe enthaltenen Elemente ist, aufgenommen werden und so direkt auf das Element geschlossen werden. Die gängige Methode am REM ist die „Energiedispersive Röntgenstrahlen-Analyse“ („Energy Dispersive X-ray Analysis“ EDX) – dabei wird die Energie des Röntgenquants ausgewertet. An einigen REMs findet sich auch die „Wellenlängendispersive Röntgenstrahlen-Analyse“ („Wavelength Dispersive X-ray Analysis“ WDX), die aber hauptsächlich an (Elektronenstrahl-)Mikrosonden Einsatz findet (siehe auch ESMA).

Weitere Signalarten

  • Probenstrom: Absorbierte Elektronen stellen einen, durch die Probe zur Erde abfließenden Strom dar und können zur Abbildung der Oberfläche genutzt werden.
  • Kathodolumineszenz: Kathodolumineszenz entsteht dadurch, dass einige Stoffe beim Bestrahlen mit Elektronen Licht emittieren. Dieses wird mit einem elliptischen Hohlspiegel abgebildet, da eine Ellipse zwei Brennpunkte besitzt. In einem der beiden Brennpunkte befindet sich die Probe und im anderen die Detektoreinheit. Das Licht kann spektral zerlegt werden und gibt daher Aufschluss über Bereiche unterschiedlicher Wellenlänge. Dazu wird eine wellenselektive Abbildung erzeugt. Mit Hilfe der Kathodolumineszenzstrahlung können Informationen zu Intern- und Defektstruktur, sowie Spurenelementen gewonnen werden.
  • Augerelektronen: Ein weiterer Interaktionsmechanismus ist die Erzeugung von Augerelektronen. Augerelektronen können anhand von zusätzlich angeschlossenen Spektrometergeräten ausgewertet werden.
  • EBSD: Mit Hilfe von EBSD (engl. Electron Back Scatter Diffraction) kann man die kristallographische Orientierung von Kristallen an der Objektoberfläche bestimmen. Dies ist beispielsweise zur Charakterisierung von Materialeigenschaften in der Werkstoffwissenschaft und Geologie von großer Bedeutung. Hierzu werden die von den Kristallflächen des Objekts reflektierten Elektronen auf einen Detektorschirm projiziert und die so entstehenden Kikuchi-Linien mit Hilfe eines Computers analysiert und kristallographischen Richtungen zugeordnet.

Probenvoraussetzung und Probenvorbereitung

Die Probe muss vakuumstabil sein, da die Untersuchung im Hochvakuum bzw. beim ESEM in einem leichten Vakuum stattfindet.

Ein großes Problem stellen Aufladungseffekte bei der Untersuchung von Isolatoren dar. Ist die Energie der Elektronen zu niedrig, werden nur sehr wenige Sekundärelektronen abgestrahlt und die Probe lädt sich lokal negativ auf. Ist der Primärstrahl zu stark, können sich Teile der Oberfläche positiv aufladen. Um diese Effekte zu vermeiden, kann man isolierende Materialien mit einer sehr dünnen Edelmetallschicht versehen (z.B. Gold, Platin, Platin-Palladium-Mischungen oder auch Chrom Sputtern) oder mit Kohlenstoff (Graphit) bedampfen. Eine Alternative ist das Benutzen von Beschleunigungsspannungen bei denen Stromgleichgewicht herrscht (eingestrahlter Elektronenstrom = abgestrahlter Elektronenstrom). Die Werte dafür liegen in der Regel unter 3 kV und müssen für jede Probe individuell gefunden werden. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Probe stärker zu kippen und dazu noch eine positive Saugelektrode anzubringen, am besten oberhalb der Probe. Dann kann man mit einem üblichen, seitlich angeordneten Sekundärelektronendetektor auch viele Isolatorproben unbeschichtet gut abbilden.

Varianten der Rasterelektronenmikroskopie

ESEM

Eine Variante der Rasterelektronenmikroskope stellt das ESEM (engl. environmental scanning electron microscope, ESEM) dar, bei dem nur die Elektronenstrahlerzeugung im Hochvakuum stattfindet. Die Probenkammer und die elektronenoptische Säule, in der sich die Strahlmanipulation befindet, stehen nur unter einem leichten Vakuum. Dabei wirkt das Restgas in der Kammer als Oszillator und Verstärker. Außerdem sorgt das Restgas für eine Ladungskompensation, so dass keine Beschichtung der Proben vonnöten ist.

STEM

Das Rastertransmissionselektronenmikroskop (engl. scanning transmission electron microscope, STEM) ist eine spezielle Variante des Transmissionselektronenmikroskops. Bei diesem Verfahren befindet sich der Detektor unterhalb der Probe. Es wird also die Streuung der Elektronen in Transmission gemessen. Dazu muss die Probe sehr dünn sein (typischerweise zwischen 50 und 500 nm). Seit einiger Zeit gibt es auch Halbleiterdetektoren für Rasterelektronenmikroskope.

Vergleich mit anderen mikroskopischen Techniken

Die mit einem Rasterelektronenmikroskop erzeugten Bilder sind Abbildungen der Objektoberflächen und weisen im Vergleich zu Bildern, die mit lichtoptischen Durchlichtmikroskopen erzeugt werden, eine höhere Schärfentiefe auf. Der maximale theoretische Vergrößerungsfaktor liegt etwa bei 1.000.000:1[1], während dieser bei der Lichtmikroskopie bei etwa 2000:1 liegt.

Im Vergleich zum Transmissionselektronenmikroskop erzielt das Rasterelektronenmikroskop eine geringere Auflösung. Jedoch wird bei der Probenpräparation für die Transmissionselektronenmikroskopie die Probe stark verändert, da das Präparat sehr dünn sein muss. Dahingegen bleibt die Probe beim Rasterelektronenmikroskop mechanisch intakt.

Siehe auch

Literatur

  • Joseph Goldstein et al.: Scanning Electron Microscopy and X-ray microanalysis 690 Seiten - Springer, New York. 2003 - 3. Auflage - ISBN 978-0-306-47292-3
  • Flegler, Heckman, Klomparens: Elektronenmikroskopie - Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Spektrum Akademischer Verlag 1995 (deutsch), 279 S., ISBN 3860253417
  • Ludwig Reimer, Gerhard Pfefferkorn: Raster - Elektronenmikroskopie. 282 Seiten - Springer, Berlin. 1999 - 2., erw. Aufl. ISBN 3540081542.
  • Karl-Heinz Scharf, Wilhelm Weber: Cytologie 160 Seiten - Neubearbeitung ISBN 3507105241
  • Frank Eggert: Standardfreie Elektronenstrahl- Mikroanalyse mit dem EDX im Rasterelektronenmikroskop, BoD, Norderstedt, 2005, 188 Seiten - ISBN 3-8334-2599-7

Weblinks

 Commons: Rasterelektronenmikroskop – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hochauflösendes Rasterelektronenmikroskop (REM). Kompetenzzentrum Werkstoffe der Mikroelektronik, Universität Ulm, abgerufen am 23. März 2010 (pdf).

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