Wilhelm Weitling

Wilhelm Weitling
Wilhelm Weitling

Wilhelm Christian Weitling (* 5. Oktober 1808 in Magdeburg; † 25. Januar 1871 in New York City) war ein Frühsozialist mit christlichen Überzeugungen und gilt als erster deutscher Theoretiker des Kommunismus[1].

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wilhelm Weitling war das uneheliche Kind des Dienstmädchens Christiane Weitling und des später in Russland vermissten französischen Besatzungsoffiziers Guillaume Terijon. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und verstarb auch in ärmlichen Verhältnissen.

Weitling war von Beruf Schneidergeselle und schloss sich 1836 in der französischen Emigration in Paris dem Bund der Geächteten an. Dieser Bund war eine Vereinigung vor allem deutscher Handwerksgesellen, die wegen ihrer demokratisch-revolutionären Gesinnung aus den deutschen Kleinstaaten verfolgt worden waren und in Frankreich im Exil lebten. Ideologisch standen sie in der Tradition des französischen Frühkommunisten Gracchus Babeuf und dessen Revolutionstheorien, wie sie durch die Schriften des Italieners Filippo Buonarroti überliefert worden waren. Über Kontakte mit umherziehenden Wandergesellen verbreitete der Bund seine Ansichten im deutschsprachigen Raum.

Unter der Führung Weitlings spaltete sich 1836 eine große Gruppe vom Bund der Geächteten ab und nannte sich fortan Bund der Gerechten. Inhaltlich drückte dies eine Hinwendung zur sozialen Agitation weg von der Verschwörungstaktik aus. Der Bund der Gerechten verlegte 1839 seinen Sitz von Paris nach London, nachdem ein Aufstandsversuch gegen die französische Julimonarchie unter Bürgerkönig Louis Philippe gescheitert war. In London wurde die Organisation verstärkt von Karl Marx und Friedrich Engels beeinflusst. 1847 wurde der Bund der Gerechten in Bund der Kommunisten umbenannt.

Weitling propagierte eine These des kommunistischen Klassenkampfs und wandte sich von den Ideen der französischen Utopisten, der humanitären Frühsozialisten Saint-Simon und Charles Fourier, die in Frankreich die Genossenschaftsbewegung vertraten, ab. Weitling sah in den Interessen der Arbeiterschaft und denen des Bürgertums einen unvereinbaren Widerspruch. Er forderte nicht nur eine politische, sondern auch eine soziale Revolution, in der es zu einer Umwälzung der herrschenden Einkommensverhältnisse kommen sollte, für Weitling die wesentliche Voraussetzung der Befreiung der Arbeiterklasse. Er setzte sich für die politische Aufklärung der Arbeiter ein, um im Proletariat die Bedingungen für einen selbständigen Kampf der Arbeiter für ihre eigenen Interessen zu schaffen.

Im Jahr 1846 lernte Weitling Karl Marx und Friedrich Engels kennen. Weitling und Marx gerieten mit ihren Führungsansprüchen aneinander und hatten unterschiedliche Auffassungen über eine Revolution. Es kam daraufhin zum Bruch mit Marx, und Weitlings Anhänger wurden aus dem Bund der Kommunisten ausgeschlossen. Weitling reiste daraufhin nach New York und kehrte erst im Zuge der Revolution 1848 nach Deutschland zurück, wo er „aber nur eine unbedeutende Rolle“[2] spielte und daher schon Ende 1849 in die USA zurückkehrte. Hier verlegte er zwischen 1850 und 1855 die Zeitschrift Republik der Arbeiter und gründete den "Deutschen Arbeiterbund New York / German Workingsmens's League". Im Jahre 1851 begab sich Wilhelm Weitling in die Kolonie Communia in Clayton County Iowa die 1847 von Heinrich Koch gegründet worden war. Er investierte die Mittel aus seinem „Deutschen Arbeiterbund New York/ German Workingmen's League“ und ließ sich als Verwalter von Communia wählen. Communia bestand im Kern aus ehemaligen Mitgliedern der früheren 1845 gescheiterten utopistischen Kolonie New Helvetia von Andreas Dietsch in Osage County, Missouri. Ende 1851 schließt sich die nun unter Wilhelm Weitling sozialistische Kolonie Communia in Iowa dem Deutschen Arbeiterbund an – und reißt ihn drei Jahre später in den finanziellen Ruin. Weitling scheiterte als Verwalter und ab 1854 löste sich Communia in Hass und Zwietracht auf. Mit Gerichtsentscheid wurde Communia aber erst 1864 liquidiert.

Weitling, der in den USA im Jahre 1854 die Deutsche Karoline Toedt heiratete, zog sich 1855 zurück und arbeitete fortan in New York wieder in seinem Schneiderberuf.[3]

In der Weitling-Forschung ist - nicht zuletzt durch die Kampfschriften Marx' - sein „geschichtlicher Rang unklar und umstritten“. „Das Weitling-Bild wird von dem Problem berührt: Ist Weitling ein Vorläufer des Marxismus, dessen Johannes der Täufer sozusagen, oder repräsentiert er eine nicht zum Zuge gekommene Spielart des vormärzlichen Kommunismus?[4] Schäfer vertritt die These, dass Weitling „der erste deutsche Arbeitertheoretiker und Agitator von einiger Wirkung – bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein -[5] gewesen sei.

Werke

Wilhelm Weitling: Garantien der Harmonie und Freiheit. 2. Aufl. Vivis 1845
Wilhelm Weitling: Die Menschheit. Wie Sie ist und wie sie sein sollte. 2. Aufl. 1845
  • Die Menschheit. Wie Sie ist und wie sie sein sollte. 1838/39 Text online
  • Garantien der Harmonie und Freiheit. 1842 Text online 2. Aufl. 1845 Digisat
  • Kerkerpoesien. Hoffmann und Campe, Hamburg 1844 Digisat
  • Das Evangelium eines armen Sünders auch Das Evangelium der armen Sünder. 1845 4. Aufl. 1854 Digisat
  • Ein Nothruf an die Männer der Arbeit und der Sorge, Brief an die Landsleute. 1847
  • Der bewegende Urstoff in seinen Kosmo-electro-magnetischen Wirkungen ein Bild des Weltalls. Den Akademien der Wissenschaften hochachtungsvoll zur Prüfung vorgelegt. New York 1856
  • Gerechtigkeit. Ein Studium in 500 Tagen ; Bilder der Wirklichkeit und Betrachtungen des Gefangenen. Erstausgabe von Ernst Barnikol. Mühlau, Kiel 1929 (Christentum und Sozialismus 2)
  • Theorie des Weltsystems. Mühlau, Kiel 1931 (Christentum und Sozialismus 4)
  • Klassifikation des Universums. Eine frühsozialistische Weltanschauung ; nebst Anhang: Weitlings „Adreßbuch“ und Hamburger Versammlungsreden 1848-49 Mühlau, Kiel 1931 (Christentum und Sozialismus 3)
  • Der bewegende Urstoff. In seinen kosmo-elektro-magnetischen Wirkungen Hrsg. von Ernst Barnikol. Mühlau, Kiel 1931 (Christentum und Sozialismus 5)
  • Grundzüge einer allgemeinen Denk- und Sprachlehre. Hrsg. und eingeleitet von Lothar Knatz. Lang, Frankfurt am Main 1991 ISBN 3-8204-8421-3

Zitat

Die Namen Republik und Konstitution,
So schön sie sind, genügen nicht allein;
Das arme Volk hat nichts im Magen,
Nichts auf dem Leib und muß sich immer plagen;
Drum muß die nächste Revolution,
Soll sie verbessern, eine soziale sein.

Vorbemerkung Weitlings zu Die Menschheit. Wie Sie ist und wie sie sein sollte aus dem Jahr 1838/39.

Literatur chronologisch

  • Die Kommunisten in der Schweiz nach den bei Weitling vorgefundenen Papieren. Wörtlicher Abdruck des Kommissionalberichtes an die H. Regierung des Standes Zürich. Der Berichterstatter, Dr. Bluntschli. Orell, Füßli & Co., Zürich 1843 Digisat
  • Silvius Landsberg: Des seligen Schneider's Weitling Lehre vom Sozialismus und Communismus. Deutsche Verlagsanstalt, New York 1879
  • Emil Kaler: Wilhelm Weitling. Seine Agitation und Lehre in geschichtlichen Zusammenhange dargestellt. Volksbuchhandlung, Hottingen-Zürich 1887 (Sozialdemokratische Bibliothek. XI)
  • Eduard Fuchs (Vorwort): In: Prospekt der Sammlung gesellschaftswissenschaftlicher Aufsätze. Hrsg. von Eduard Fuchs. 4. und 5. Heft: Das Evangelium eines armen Sünders. Von Wilhelm Weitling. Zweiter Neudruck, München 1897
  • Ernst Barnikol: Weitling der Gefangene und seine "Gerechtigkeit". Mühlau, Kiel 1929
  • Walter Preuss: Wilhelm Weitling.Der erste deutsche Sozialist. Alster Verlag, Wedel in Holstein 1946 (Die grossen Vorbilder Heft 14)
  • Carl Wittke: The Utopian Communist. A Biography of Wilhelm Weitling. Nineteen Century Reformer. Louisiana State University Press, Baton Rouge. 1950
  • Werner Blumenberg: Wilhelm Weitling. In: Kämpfer für die Freiheit. J. H. W. Dietz Nachf., Berlin / Hannover 1959, S. 18-21
  • Waltraud Seidel-Höppner: Wilhelm Weitling, der erste deutsche Theoretiker und Agitator des Kommunismus. Dietz Verlag, Berlin 1961 (Inst. f. Gesellschaftswiss. beim ZK d. SED, Diss. v. 23. März 1961).
  • Ahlrich Meyer: Frühsozialismus. Theorien der sozialen Bewegung 1789-1848. Verlag Karl Alber, Freiburg/München 1977, ISBN 3-495-4776-9, S. 157-222.
  • Ellen Drünert: Die religiös-ethische Motivation des Kommunismus bei Wilhelm Weitling. Versuch einer Analyse. Bonn 1979. Dissertation Erziehungswiss. PHR Bonn
  • H. Roger Grant: Utopias that failed. The Antebellum years. In: Western Illinois Regional Studies, Spring 1979, S. 38-51
  • Wolfram von Moritz: Wilhelm Weitling. Religiöse Problematik und literarische Form. Bern [u. a.] 1981. (Dissertation Germ./Theol. Uni Wuppertal) ISBN 3-8204-7067-0
  • Wolf Schäfer: Die unvertraute Moderne. Historische Umrisse einer anderen Natur- und Sozialgeschichte. Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-596-27356-0
  • Jürg Haefelin: Wilhelm Weitling. Biographie und Theorie. Der Zürcher Kommunistenprozess von 1843. Lang, Bern [u. a.] 1986, ISBN 3-261-03583-8; zugleich: Zürich, Universität, Dissertation 1985
  • Jakob Rokitjanski / Waltraud Seidel-Höppner: Wilhelm Weitlings autobiographische Aufzeichnungen 1858 – 1870 (Erstveröffentlichung). In: Jahrbuch für Geschichte. Band 38, Berlin 1989
  • Waltraud Seidel-Höppner: Wilhelm Weitling. Leben und politisches Wirken. In: Rosa-Luxemburg-Verein e.V. Mitteilungen 12, Leipzig 1993
  • Martin Hüttner: Wilhelm Weitling als Frühsozialist. Essay. Haag und Herchen, Frankfurt am Main 1985; 2. Auflage, 1994, ISBN 3-86137-127-8
  • Ahlrich Meyer: Weitlings sozialrevolutionäre Konzepte. In: Ders., Die Logik der Revolten. Studien zur Sozialgeschichte 1789-1848, Verlag Schwarze Risse - Rote Straße, Berlin 1999, ISBN 3-924737-42-8, S. 257-271.
  • Helmut Asmus: In: Magdeburger Biographisches Lexikon. Magdeburg 2002, ISBN 3-933046-49-1
  • Selcuk Cara: Wilhelm Weitling - Gefangen zwischen Gott und Kommunismus. Tragikomödie in vier Akten, Drei Masken Verlag, München 2008
  • Waltraud Seidel-Höppner: Der liberale Selbstbetrug [Zum 200.Geburtstag Wilhelm Weitlings], In: Die Zeit. 9. Oktober 2008, S. 110

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Otto Wittelshöfer: Weitling, Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 41, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 624 f.
  2. Kuhn, Axel: Die deutsche Arbeiterbewegung (2004)
  3. Kuhn, Axel: Die deutsche Arbeiterbewegung (2004)
  4. Wolf Schäfer: Die unvertraute Moderne. Historische Umrisse einer anderen Natur und Sozialgeschichte, Frankfurt, 1985, S. 19
  5. Wolf Schäfer: Die unvertraute Moderne. Historische Umrisse einer anderen Natur und Sozialgeschichte, Frankfurt, 1985, S. 33

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