Willibald Hentschel

Willibald Hentschel

Willibald Hentschel (* 7. November 1858 in Łódź, Polen; † 2. Februar 1947 in Leoni am Starnberger See, Deutschland) war Naturwissenschaftler, Schriftsteller und Anreger von utopisch-phantastischen Rassezuchtplänen.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Hentschels Eltern waren von Burgenstein in Böhmen nach Lodz gezogen, wo der Vater eine Textilfabrik leitete. Mit den Eltern zog er 1874 nach Dresden, wo er 1875 sein Abitur ablegte und mit dem Studium der Chemie und Physik begann.

1877 wechselte er nach Jena, wo er bei Ernst Haeckel Biologie studierte. Im November 1879 wurde er promoviert mit dem Thema Über den gegenwärtigen Stand ursächlicher Erklärung in der Vererbungserscheinung. Im Nebenfach wurde er in Chemie und Physik von Ernst Abbe geprüft.

Zunächst blieb Hentschel als Assistent bei Haeckel, ging aber dann nach Dresden an die Technische Hochschule zurück. Dort war er mit Rudolf Schmitt an der Entwicklung eines neuen Verfahrens zur Herstellung von Salicylsäure beteiligt und wurde mit Wilhelm Ostwald bekannt. Von den sich aus seiner Arbeit ergebenden Einkünften kaufte er zwei Rittergüter in Schlesien.

Mit 23 Jahren heiratete er in Dresden Hellen Zimmermann, die Tochter deutsch-englischer Eltern. Sie hatten gemeinsam fünf Töchter und hinterließen 1947 13 Enkel und 27 Urenkel.

1885 bis 1886 nahm Hentschel an einer Expedition nach Sansibar und Ostafrika teil. Nach seiner Rückkehr ging er an die Universität Jena und kam als Chemiker durch Patente und Erfindungen auf dem Gebiet der Indigo-Herstellung zu einem beträchtlichen Vermögen. Seine nächste Station war Heidelberg, erst die Universität, dann in der Industrieforschung.

In Baden machte er Bekanntschaft mit antisemitischen Kreisen. 1890 wurde er Vorstandsmitglied der Deutschsozialen Partei.

Seine antisemitische Agitation stieß in Baden auf Widerstand, weshalb er sich auf sein Rittergut Seiffersdorf in Schlesien zurückzog. Er beschäftigte sich mit Düngemittelforschung und schrieb die Bücher Varuna (1901) und Mittgart (1904), in denen er Projekte einer arischen Rassenzüchtung propagierte, die jedoch von den führenden Vertretern der Gesellschaft für Rassenhygiene, insbesondere von Alfred Ploetz, als unrealistisch abgelehnt wurden. Sein Freund Theodor Fritsch hielt sich mehrfach und für längere Zeit in Seiffersdorf auf. In dessen Verlag erschien auch Varuna. Verleger späterer Bücher war Erich Matthes in Leipzig. Hentschel verfasste zahlreiche Beiträge, in der von Fritsch herausgegeben Zeitschrift Hammer und in den Deutsch-Sozialen Blättern, in denen er seine Menschenzuchtpläne propagierte und erläuterte.

Nach den Vorstellungen Hentschels sollte aus einer vornehmlich landwirtschaftlichen Produktionsstätte ein „Menschen-Garten“ werden, eine „Stätte rassischer Hochzucht“ mit dem Ziel der Herausbildung einer „neuen völkischen Oberschicht“. Im Rückgriff auf die angeblichen Eheformen der alten Germanen (bei denen nach Meinung Hentschels „der Starke und Tüchtige neun seiner schwächeren Gegner erschlug und die Weiber für sich in Anspruch nahm“) sollte in einer Mittgart-Siedlung Einehe auf Zeit zwischen etwa eintausend Frauen und einhundert Männern herrschen. Die praktische Umsetzung derartiger Pläne scheiterte schon daran, dass sich für derartige Siedlungen nicht genügend Frauen fanden.

Im und nach dem Ersten Weltkrieg wurde Hentschels Aktienvermögen wertlos. In Niegard, Kreis Westerwanna, baute er sich eine neue Existenz auf und von hier aus rief Hentschel 1923 zur Bildung eines Bundes Artam auf. Er löste damit die Gründung der bündischen Jugendbewegung der Artamanen aus, der auch Heinrich Himmler und Richard Walther Darré beitraten.

Seine Parteimitgliedschaft in der NSDAP (Mitgl.-Nr.: 144.649) vom 1. August 1929 hatte er, laut Meldung des NSDAP-Gaues Osthannover, bereits im Dezember 1932 aufgegeben.[1]

Hentschel hatte zahlreich überzeugte Anhänger. Sein Lehrer Ernst Haeckel z. B. teilte seine Ansichten über Rassenhygiene. Weitere Bewunderer waren Erich Ludendorff und Adolf Hitler, der dem diamantenen Ehepaar Hentschel – trotz Parteiaustritt – 1941 handschriftlich gratulierte. Hentschels Vermächtnis an den Nationalsozialismus besteht neben dem völkischen Gedankengut, wie es sich schließlich auch im Lebensborn äußerte, vor allem in der Durchsetzung des von ihm initiierten Heil-Grußes.[1]

Einzelnachweise

  1. a b Gregor Pelger: Willibald Hentschel. In: Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. Hrsg. v. Ingo Haar u. Michael Fahlbusch. Unter Mitarb. v. Matthias Berg, München 2008, S. 239–243, hier: S. 243.

Literatur

  • Dieter Löwenberg: Willibald Hentschel (1858-1947), seine Pläne zur Menschenzüchtung, sein Biologismus und Antisemitismus. Universität Mainz, Mainz 1978 (Dissertation).
  • Gregor Pelger: Willibald Hentschel. In: Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen. Hrsg. v. Ingo Haar u. Michael Fahlbusch. Unter Mitarb. v. Matthias Berg, München 2008, S. 239–243, ISBN 978-3-598-11778-7

Weblinks


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