Wunder von Lassing

Wunder von Lassing

Das Grubenunglück von Lassing ereignete sich am Vormittag des 17. Juli 1998. Das Unglück in der obersteirischen Gemeinde Lassing war das größte dieser Art in Österreich seit 1945.

Inhaltsverzeichnis

Geologischer und historischer Hintergrund

In Lassing befindet sich die größte bekannte karbonatgebundene Talklagerstätte der Ostalpen. Geologisch ist sie der nördlichen Grauwackenzone der Obersteiermark zuzurechnen. Die Lagerstätte umfasst zwei Baufelder, das Nord- und Südfeld, von denen das Südfeld keine Verbindung zur Geländeoberfläche aufweist. Es ist von ca. 60 m mächtigen Lockergesteinen überdeckt.

Der Lassinger Talk wurde 1891 von einem ortsansässigen Bauern bei Bauarbeiten entdeckt. 1901 begann die Firma Bischetsrieder & Gielow die untertägige Förderung. Mitte der 1920er Jahre ruhte die Förderung wegen Konkurs des Eigentümers einige Jahre. 1939 wurde sie vom Familienbetrieb Talkumwerke Naintsch übernommen. 1988 ging die Grube in den Besitz der Rio Tinto Group über. In den 1990er Jahren produzierte das Bergwerk mit den angegliederten Verarbeitungsstätten ca. 30.000 Tonnen Talk pro Jahr. Zum Zeitpunkt des Unglücks arbeiteten 34 Mitarbeiter in dem Unternehmen, darunter 8 im untertägigen Abbau.

Bis Ende der 1970er Jahre wurde das Nordfeld im Bruchbau bebaut, danach erfolgte eine Verlagerung des Abbaus in das Südfeld. Hier erfolgte die Gewinnung im Kammerpfeilerbau unter Anwendung von Magerbetonversatz. Das Südfeld war durch den 1978-80 abgeteuften 204 m tiefen Renée-Schacht erschlossen. Vom Schacht aus war die Lagerstätte durch zehn Sohlen erschlossen.

Hergang

Am 17. Juli 1998 brach die Decke einer illegal abgebauten Sohle ein. Wasser drang ein und bewirkte einen Schlammeinbruch in das Bergwerk. An der Oberfläche war dies daran erkennbar, dass ein Haus im Ortszentrum langsam einzustürzen begann. Nach und nach bildete sich ein immer tiefer und größer werdender Krater, welcher nach und nach insgesamt 20 Häuser zerstörte bzw. beschädigte.

Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten 34 Menschen bei den Naintscher Mineralwerken, unter ihnen auch Georg Hainzl, welcher wahrscheinlich bereits während des ersten Schlammeinbruchs in einer Jausenkammer verschüttet wurde.

Anfangs gab es noch telefonischen Kontakt zum 24-jährigen Bergmann, welcher aber abbrach. Ein zehn Mann starker Rettungstrupp, bestehend aus neun Bergmännern und einem Geologen, fuhr noch am selben Tag in den Berg ein. Als um 22 Uhr der zweite Schlammeinbruch die Grube implodieren ließ, begann der „Horror in Zeitlupe“. Der Krater wuchs, Lichter gingen aus, Laternenmasten standen schief. Und der Rettungstrupp, also weitere zehn Männer, wurde vermisst.

Bald hieß es, es gebe keine Rettung mehr für die elf Verschütteten. Spezialbohrer aus Deutschland wurden von der Werksleitung wieder abbestellt. Die Rettungsmaßnahmen gingen nur schleppend voran. Hilfe von außen war unerwünscht.

Doch dann passierte das „Wunder von Lassing“, als keiner mehr daran glauben wollte. Der zuerst verschüttete Bergmann Georg Hainzl wurde nach zehn Tagen in erstaunlich gutem Gesundheitszustand gerettet. Die zehn Männer der Rettungsmannschaft blieben im Berg und wurden für tot erklärt. Im Jahr 2000 wurde die Suche nach ihren Leichen eingestellt.

Ende des Talkabbaus

Das Grubenunglück besiegelte das Ende des Talkabbaus nach rund 100 Jahren. Das Bergwerk wurde geschlossen, das Mahlwerk 2007 an die Paltentaler Holding in Rottenmann verkauft. Die Naintscher Mineralwerke zahlten bis 2003 rund 30 Millionen Euro an Rettungskosten und Entschädigungen für die Hinterbliebenen und den geretteten Georg Hainzl. Dazu kamen Wiederherstellungskosten für 20 zerstörte bzw. beschädigte Häuser und Schadenersatz für die Wertminderung von Liegenschaften und Immobilien. Auf der ehemaligen Pinge, in welcher die Häuser versanken, befindet sich heute eine Gedenkstätte für die verschütteten zehn Bergleute.

Folgen für den österreichischen Bergbau

In Österreich führten die Lehren aus Lassing zu tiefgreifenden Änderungen im Bergwesen, der Rettungstechnik und in der Informationspolitik. Danach folgten gesetzliche Reformen 1999, 2002 und 2004. Die anachronistisch anmutende Berghauptmannschaft Leoben, welche im Fall Lassing zuständig war, wurde aufgelöst. Einen Teil ihrer Aufgaben übernahmen die neu geschaffenen Montanbehörden. Darüber hinaus mussten die großen Grubenwehren der verstaatlichten Betriebe, welche jahrzehntelang auch die benachbarten Kleinbetriebe versorgten, aber nach und nach schwanden, in neue Formen gebracht werden. Auf der betrieblichen Ebene wurde ein Grubenrettungswesen aufgebaut, welches von der Wirtschaftskammer koordiniert wird.

Damals gab es für Opfer und Angehörige keine psychologische Betreuung. Einzig die Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, welche rasch zum Unglücksort gereist war, kümmerte sich um jene. Deswegen wurde später von ihr das steirische Kriseninterventionsteam gebildet, welches sich um die Opfer Unfälle, Katastrophen usw. kümmert. Ihren damaligen Einsatz in Lassing verdankte sie den Ruf als sogenannten Landesmutter.

Kritik

In der Folge wurde auch Kritik sowohl an den Abbaumethoden des Unternehmens als auch an den Rettungsaktionen laut.

Das Unternehmen soll ihre Stollen illegal bis unter verbautes Gebiet und zu nahe an die Erdoberfläche vorgetrieben haben. Dadurch gab es auch keine aktuellen Pläne, so dass die Rettungsarbeiten im Zuge des Unglücks sich oft nur auf Aussagen von Kumpeln begründen mussten.

Gegenüber der Öffentlichkeit wurden die zehn Bergmänner noch einmal in den Schacht geschickt, um Hainzl zu retten. Interna zu Folge sollten diese aber das Bergwerk absichern, um später weiter abbauen zu können.

Dem damaligen Wirtschaftsminister Farnleitner wurde vorgeworfen, zu lange sofort angebotene ausländische Hilfe abgelehnt zu haben.

Auch auf Druck der Medien wurden die Rettungsarbeiten weitergeführt. Sie sollten nach Meinung der Fachleute, die keine Überlebenschancen mehr wahrnahmen, schon früher eingestellt werden.

Literatur

o.A.:Report by the International Committee of Experts on the Lassing mine accident. (Digitalisat, pdf, 1 MB)

Weblinks


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