- Pinge
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Eine Pinge (oder Binge) ist eine keil-, graben- oder trichterförmige Vertiefung, die durch Bergbautätigkeiten entstanden ist.[1] Diese Vertiefungen entstehen häufig durch den Einsturz alter Tiefbaugruben, die in geringer Teufe betrieben wurden.[2] Im Gegensatz zu natürlichen Geländeformen ist eine Pinge ein künstliches Gebilde, das juristisch als Bergschaden gilt.
Inhaltsverzeichnis
Wortentstehung
Im ursprünglichen Wortsinne gehen die bergmännischen Bezeichnungen „Pinge“ oder „Binge“ auf die Tätigkeit des „Pingens“ zurück, das mit „Aufschürfen“ vergleichbar ist. Ein „aufgepingter“ Gangzug war eine im oberflächennahen Bereich aufgeschürfte Ganglagerstätte. Die Pinge war also ein Schurf, ein tagebauartiges, primitives Bergwerk.[3]
Danach übertrug sich dieser Begriff auf die trichterförmigen Vertiefungen, die am Ansatz versetzter oder verbrochener Schächte entstanden. Da im Gangbergbau Schächte und Schürfe dem Streichen des Ganges folgend angelegt wurden, hinterließen diese Grubenbaue die typischen Pingenzüge, wie sie vom mittelalterlichen Bergbau zum Beispiel im Thüringer Wald, im Oberharz, im Erzgebirge und im Eschweiler Raum vielerorts erhalten sind.
Später wurde der Begriff Pinge für vielerlei auf bergmännische Aktivitäten zurückgehende Hohlformen im Gelände verwendet: Tagebaurestlöcher (oberflächiger Abbau) oder Tagesbrüche auf untertägigen Grubenanlagen. Letztere entstanden entweder als unerwünschte Folge von Einbruchereignissen im aktiven Bergbau (oft mit Unglücken oder Katastrophen verbunden) oder über Altbergbau. Sie wurden zum Teil beim Abbau mittels Bruchbau billigend und bewusst in Kauf genommen.
Ein Pingenzug besteht aus mehreren aneinandergereihten Pingen.
Arten
Grundsätzlich entstehen Pingen auf verschiedene Arten. Zum einen entstehen Pingen durch Grabungen an der Oberfläche, zum anderen durch das Ausbeuten von Lagerstätten in geringer Tiefe mit anschließendem Einsturz des Deckgebirges. Durch Einbrechen bzw. Einsturz des Deckgebirges entstandene Pingen werden auch Tagesbruch genannt. Durch Grabungen entstandene Pingen stammen in der Regel aus dem 16. und 17. Jahrhundert und sind meistens nur 0,5 - 1 Meter tief. Tiefere, durch Einsturz des Deckgebirges entstandene Pingen stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Durch die abgesenkte Oberfläche der Pinge ist diese in der Regel mit einer ringförmigen Halde umgeben.[4]
Grabung
Der Abbau von Erzen oder Kohle fand zunächst oberflächennah an den Ausbissen der Lagerstätten statt. Dies erfolgte bei flözartigen Lagerstätten mittels brunnenartiger Löcher, sogenannter Pütts, die die Bergleute im Flözverlauf mittels Hacke und Schaufel anlegten. Sobald diese Löcher den Grundwasserspiegel erreichten, lief das Grundwasser in diese Schürfstellen. Konnte das Wasser aufgrund der großen Wassermenge nicht schnell genug aus der Grube geschöpft werden, liefen die Löcher durch das hereinlaufende Grundwasser voll. Erschwerend kam hinzu, dass durch das Aufweichen des Bodens und des Wasserstroms die Stabilität der Seitenwände nachließ. Aus diesem Grund gab man in solchen Fällen die Mulde einfach auf und grub in einiger Entfernung eine neue Grube aus. Im Laufe der Jahre wuchsen diese Pingen dann zu. Im südlichen Ruhrgebiet gibt es eine Vielzahl solcher durch Grabung entstandener Pingen.[5] Bei Pingen, die durch Grabung entstanden sind, sind um die Pinge ringförmige kleine Halden durch Ablagerung des tauben Gesteins gebildet worden.
Eine andere Variante der Pingenentstehung ist der beim Braunkohlenbergbau angewandte Kuhlenbau. Hierbei wird gezielt mittels kleiner Schächte die Braunkohle abgebaut und das Erdreich für die nächste Kuhle in die ausgekohlte Kuhle geschüttet. Auf diese Weise entstehen mehrere aneinandergereihte Kuhlen oder Pingen.
Einsturz
Diese Pingen entstehen durch oberflächennahe und ungesicherte Ausbeutung einer Lagerstätte. Wird eine Lagerstätte untertägig ausgebeutet, kommt es zu Pressungen und Zerrungen im Hangenden. Im Laufe der Zeit rutscht nun das Hangende entlang der Abrisslinie in den abgebauten Hohlraum. Pingen sind Bergsenkungen auf einem eng begrenzten Bereich. Aber genauso wie bei großflächigen Bergsenkungen, die durch großflächigen Abbau in großen Teufen kontinuierlich entstehen, bricht beim oberflächennahen Bergbau das Deckgebirge in regelmäßigen Zeitabständen entlang der Abrisslinie ein. Begleitet wird dieses Nachsinken der Schichten in der Regel mit hörbarem Bergschlagen. Die Form der Pinge wird im Wesentlichen durch unterschiedliche Gesteinsformationen bestimmt. Außerdem werden Form und Aussehen der Pingen von ihrem Alter beeinflusst. Eine Pinge, die über ihre gesamte Fläche nur noch flach und nur noch leicht gemuldet ist, ist in der Regel älter als eine Pinge mit scharfen Konturen.[6]
Wie schnell ein oberflächennaher Hohlraum einstürzt, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Entscheidende Kriterien sind die Teufe und die Standfestigkeit des Deckgebirges. Beim Duckelbau bricht das Deckgebirge im Bereich des Duckels in der Regel sehr schnell ein, da bei dieser Art des Abbaus nur wenige Meter unterhalb der Oberfläche in meist nicht standfestem Gebirge gegraben wird. Die Tiefe der Pinge wird im Wesentlichen durch die Größe des erzeugten Hohlraums bestimmt. Werden größere Hohlräume in geringerer Teufe erstellt wie beim Tummelbau, so können die Pingen mehrere Meter tief sein. Besonders problematisch sind diese Bergschäden, wenn sie im bewohnten Gebiet entstehen.
Bekannte Pingen (Auswahl)
Die nachfolgend aufgeführten Pingen sind durch Einsturz des Deckgebirges entstanden.
- Altenberg (Deutschland)
- Durch unkontrolliertes Aushöhlen des Altenberger Zinnerz-Zwitterstockes infolge Feuersetzens traten bereits 1545 erste Brüche auf. Danach wurde das Erz sowohl aus dem Festgestein, als auch aus der Bruchmasse gewonnen. Durch Fortführung des ungehemmten Feuersetzens im Festgestein entstanden erneut große Weitungsbaue, die dem Druck des Deckgebirges nicht standhielten. 1578, 1583, 1587 und 1619 kam es zu weiteren Brüchen, wobei nicht geklärt ist, ob diese absichtlich herbeigeführt wurden. Der umfangreichste Pingenbruch erfolgte am 24. Januar 1620. Dabei entstand ein an der Oberfläche 2 Hektar großer Einsturztrichter, der 36 Gruben zerstörte. In den folgenden Jahrhunderten wurde der Bergbau durch Förderung der Bruchmassen „von unten“ bis 1991 fortgeführt. Dabei traten weitere, anfangs unkontrollierte, später aber geplante Folgebrüche auf. Somit vergrößerte sich die Altenberger Pinge bis zur Einstellung des Zinnerzbergbaus auf 12 ha Fläche, 150 m Tiefe und 450 m Durchmesser. Heute ist die Große Pinge (50° 45′ 56″ N, 13° 45′ 50″ O50.76555413.763889) nicht nur eine der Attraktionen Altenbergs, sie wurde zudem im Mai 2006 von der Akademie der Geowissenschaften zu Hannover als eines der 77 bedeutendsten nationalen Geotope Deutschlands prädikatisiert.[7]
- Falun (Schweden)
- Der im Bergwerk von Falun unkontrolliert betriebene Kupferbergbau führte 1687 zum großflächigen Bruch der Grubenbaue. Die dadurch entstandene Pinge Stora Stöten ist heute 95 m tief und 350 m breit.[8]
- Geyer (Deutschland)
- Die Geyersche Binge (50° 37′ 16″ N, 12° 55′ 42″ O50.62110812.928289) entstand durch intensiven Raubbau in den Gruben unter dem Geyersberg. Infolge der durch Feuersetzen entstandenen, bis zu 35 m hohen und an der Sohle bis zu 40 m breiten Weitungen kam es 1704 zu einem ersten großen Tagesbruch, dem bis 1803 weitere folgten. Der letzte verhängnisvolle Bruch ereignete sich am 11. Mai 1803. Er führte zur Einstellung des Tiefbaus. Ab 1851 gewann ein Steinbruchsbetrieb die Bruchmassen der Binge. Nach dessen Einstellung 1935 wurde die Binge unter Naturschutz gestellt. Sie ist heute 50–60 m tief und umfasst eine Fläche von etwa 200 × 250 m.[9]
- Plattenberg (Tschechien)
- Am Plattenberg zeugen zwei bekannte Pingen (50° 23′ 55″ N, 12° 46′ 43″ O50.39868912.778473) vom ehemals betriebenen Zinnbergbau. Die Eispinge (Ledová Jáma) entstand durch den Einbruch eines Stollens. Ihren Namen verdankt das heutige Naturdenkmal seiner klammartigen Gestalt. In dem nur etwa einen Meter breiten, aber 15–20 m tiefen Riss sinkt feuchtkalte (schwere) Luft ganzjährig auf den Boden, warme (leichte) Luft erreicht diesen nicht. Dadurch bleiben Höhleneis und Schnee ganzjährig im Grund der Pinge liegen. Schnee und Eis der Eispinge wurde u. a. 1813 zur Versorgung der Verwundeten der Völkerschlacht bis nach Leipzig transportiert. Die Entstehung der benachbarten Wolfspinge (Vlčí Jáma) geht auf den Einbruch der ehemaligen Grube Wolfgang zurück. Sie ist ca. 200 m lang, bis zu 45 m breit und bis zu 25 m tief.[10]
- Seiffen (Deutschland)
- In Seiffen/Erzgeb. befinden sich nahe der Kirche zwei benachbarte bis zu 34 m tiefe Einsturztrichter des Zinnbergbaus, die Geyerin und Neuglücker Stockwerkspinge genannt werden. Sie sind wahrscheinlich im 16. Jahrhundert durch Feuersetzen entstanden. Wie in Altenberg wurde auch in Seiffen der Bergbau nach dem Pingensturz weiter betrieben. Allerdings wurden hier die Bruchmassen im Gegensatz zur Altenberg Pinge im Tagebau mittels einer Förderbrücke gefördert. Der Abbau wurde im 19. Jahrhundert eingestellt. In der Pinge Geyerin befindet sich seit 1934 eine Freilichtbühne. (50° 38′ 47″ N, 13° 27′ 14″ O50.64626613.453879).[11]
Einzelnachweise
- ↑ Joachim Huske: Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier. 3. Auflage, Selbstverlag des Deutschen Bergbau-Museums, Bochum, 2006, ISBN 3-937203-24-9
- ↑ Walter Bischoff, Heinz Bramann, Westfälische Berggewerkschaftskasse Bochum, In: Das kleine Bergbaulexikon. 7. Auflage, Verlag Glückauf GmbH, Essen 1988, ISBN 3-7739-0501-7
- ↑ Wilhelm Hermann, Gertrude Hermann: Die alten Zechen an der Ruhr. 4. Auflage, Verlag Karl Robert Langewiesche, Nachfolger Hans Köster KG, Königstein i. Taunus, 1994, ISBN 3-7845-6992-7.
- ↑ Mineralienatlas.de: Pinge
- ↑ Joachim Huske: Der Steinkohlenbergbau im Ruhrrevier von seinen Anfängen bis zum Jahr 2000. 2. Auflage, Regio-Verlag Peter Voß, Werne, 2001, ISBN 3-929158-12-4
- ↑ Plettenberg-Lexikon: Heinrich Streich: Vom frühen Erz-Bergbau im Märkischen Sauerland
- ↑ Sachsen.de: Der Einbruchstrichter »Altenberger Pinge«
- ↑ Lexikon '88'.ch: Falun
- ↑ Geologie.at: Otfried Wagenbreth: Grubenrisse und geologische Karten als Hilfsmittel der Montanarchäologie, In: Berichte der Geologischen Bundesanstalt, Band 35, Wien 1996 ISSN 1017-8880 (PDF 300kB)
- ↑ Mineralienatlas.de: Hengstererben (Hrebecna)
- ↑ Mineralienatlas.de: Seiffen
Siehe auch
Weblinks
Commons: Tagesbrüche – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienCommons: Pinges – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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