Wunderkind

Wunderkind

Allgemein werden Menschen als Wunderkind bezeichnet, die schon als Kind auf bestimmten Gebieten erstaunliche Fähigkeiten zeigen, die normalerweise erst im Erwachsenenalter erreicht werden.

Inhaltsverzeichnis

Verwendung des Begriffs

Immanuel Kant nannte den 1721 geborenen Christian Heinrich Heineken, der zweijährig schon Lateinisch und Französisch beherrschte, mit drei Jahren eine Geschichte Dänemarks verfasste, in Mathematik brillierte und mit viereinhalb Jahren starb, ein „frühkluges Wunderkind von ephemerischer Existenz“ und eine „Abschweifungen der Natur von ihrer Regel“.[1] Der Ausdruck setzte sich im 19. Jahrhundert vor allem im Konzertbetrieb durch. Besonders geläufig ist bis heute die Beschreibung Wolfgang Amadeus Mozarts als „Wunderkind“.[1] Beispiele als „Wunderkinder“ gefeierter Musiker im 20. Jahrhundert sind Yehudi Menuhin, Ruggiero Ricci oder Anne Sophie Mutter.[1] Als mathematisches „Wunderkind“ galt zum Beispiel der 1873 geborene Moritz Frankl, der im Kindesalter als lebende Rechenmaschine herumgereicht wurde.[2]

Der Begriff „Wunderkind“ wird heute meist in den Medien verwendet. Gemäß der Beschreibung „als Genie wird man geboren, zum Wunderkind gemacht“[3] werden vor allem solche Kinder als „Wunderkinder“ bezeichnet, die vor Publikum auftreten.[1] Deshalb ist die Bezeichnung vor allem mit Musikern verbunden.[1] Auch im Schach wird regelmäßig über „Wunderkinder“ berichtet, so über Bobby Fischer oder Judit Polgár. Hochbegabte Kinder, die besondere Leistungen in Mathematik, Naturwissenschaften oder Sprachen erbringen, tauchen dagegen seltener in den Medien auf. Rezipiert wird der Begriff auch in der Literatur und im Film, besonders bekannt ist die Kurzgeschichte Das Wunderkind von Thomas Mann.

Die Wissenschaft meidet den Begriff „Wunderkind“ dagegen ebenso wie den Geniebegriff. Nur sehr selten taucht er, weitgehend synonym zur Hochbegabung, auf, um Kinder zu beschreiben, die in einem Fachgebiet die Leistung Erwachsener erreichen, bereits weitgehend eigenständig die Regeln und Methoden ihres Fachgebietes anwenden und dabei oft innovative Problemlösungen entwickeln.[4] Handelt es sich bei den Kindern um junge Savants, dann gehen mit den besonderen Fähigkeiten mitunter Einschränkungen in anderen Bereichen einher. Während einige „Wunderkinder“ ihre Leistungshöhe halten, verlieren andere ihre kreative Unbefangenheit.[1]

Kritik

Die Inszenierung hochbegabter Kinder als „Wunderkinder“ war häufig mit erheblichen Einnahmen verbunden, deshalb wurden diese nicht selten Opfer ehrgeiziger Eltern.[1] Litt bereits Wolfgang Amadeus Mozart unter seinem Vater, so wurde sein Zeitgenosse, der Cellist Zygmontofsky, von seinem Vater mit Hunger und Schlägen so gefügig gemacht, ausgelaugt und verbraucht, dass er schon mit elf Jahren starb.[1] Bereits früh gab es die Kritik, die Kinder würden wie dressierte Affen als Zirkusnummer oder Jahrmarktattraktionen vorgeführt.[1][5] Eine seltene Ausnahme war die Haltung des Vaters von Friedrich Händel. Dieser sperrte sich gegen eine Gewinn bringende Förderung seines talentierten Sohnes, „weil sie blosserdings zu nichts anders, als zu Belustigung und Ergetzlichkeit diene“.[5] Erst auf Intervention Herzog Johann Adolphs von Sachsen-Weißenfels lenkte er ein.[5] In jüngster Zeit wurden Kinderstars wie Michael Jackson mit der Problematik in Verbindung gebracht, auch wenn der Begriff „Wunderkind“ heute kaum noch verwendet wird.[5]

Weblinks

 Commons: Child prodigies – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i Unsterblichkeit der Frühe (Süddeutsche Zeitung, Feuilleton, 17. Januar 2004, S. 15)
  2. Wunder, Kinder, Schinder (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Feuilleton, 22. Januar 2004, S. 35)
  3. Begleitender Text zur Ausstellung Wunderkinder
  4. Andreas Lang: Begabte Kinder – beim Schulanfang im Toten Winkel?: Begabungsförderung in der Grundschule unter besonderer Berücksichtigung des Anfangsunterrichts. Tenea Verlag Ltd. 2004, ISBN 3865040640 (eingeschränkte Online-Version (Google Books))
  5. a b c d Aus Wunderkindern werden selten Wundermänner (Die Welt, 13. Februar 2004)

Literatur

  • Gerd-Heinz Stevens: Das Wunderkind in der Musikgeschichte. Münster. Dissertation 1983.
  • O. Vitouch (2005): Erwerb musikalischer Expertise. In Th. H. Stoffer & R. Oerter (Hrsg.), Allgemeine Musikpsychologie (Enzyklopädie der Psychologie, Bd. D/VII/1, S. 657-715). Göttingen: Hogrefe, ISBN 3801705803. Überblick über die Probleme von und Alternativen zu Wunderkind-Theorien

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