- Youth Bulge
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Youth bulge (engl. Jugendüberschuss) ist ein von Gary Fuller erstmals 1995 verwendeter Begriff, der die überproportionale Ausstülpung (bulge) der demografischen Alterspyramide in einer Gesellschaft bezeichnet. Nach Fuller liegt ein youth bulge überall dort vor, wo die 15-24-Jährigen mindestens 20 Prozent, bzw. die 0-15-Jährigen mindestens 30 Prozent der Gesamtgesellschaft ausmachen.
Vertreter
Der französische Konfliktforscher Gaston Bouthoul vermutete schon früh, dass ein hoher Anteil junger Menschen an der Bevölkerung ursächlich für kriegerische Auseinandersetzungen ist. Er bezeichnete den demographischen Faktor als ein grundlegendes Strukturelement kollektiver Aggressivität und stellt die These auf, dass das gesellschaftliche Phänomen des Krieges einem sozialen Bedürfnis entspricht: dem der Auslese. Bouthoul spricht in diesem Zusammenhang von einer Wiederherstellung des demographischen Gleichgewichts, wobei völlig offen bleibt, worin dieses Gleichgewicht besteht.
Während Bouthoul im Krieg eine biologische Notwendigkeit sieht, machen andere Autoren wie der norwegische Friedensforscher Henrik Urdal den zentralen Grund für wachsende Gewaltbereitschaft an der begrenzten Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes fest: Gerade die Kombination aus starkem Jugendanteil und schwacher Ökonomie stellt nach empirischen Untersuchungen eine explosive Mischung dar. Oft steht dies auch in Koexistenz zu einem schwachen politischen System. Genauer gesagt wurde festgestellt, dass es bei einer starken Jugendkohorte verstärkt Verteilungskämpfe um gesellschaftliche Stellungen gibt, in denen viele leer ausgehen. Die Wahrscheinlichkeit, Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit und mangelnden Zukunftsaussichten zu machen, ist in einer solchen Gesellschaft sehr hoch. Enttäuschung taucht auf, die schnell zur Frustration werden kann. Kommt hierzu noch mangelnde politische Einflussnahme oder eine Bildungsexpansion bei gleichzeitigem Stellenmangel, sinken die Opportunitätskosten, an gewaltsamen Auseinandersetzungen teilzunehmen. Wenn es nun keine anderen Alternativen gibt, ist Gewalt in verschiedener Form eine ernst zu nehmende Alternative, um dem sogenannten Flaschenhalsphänomen zu entrinnen.
Nach Gunnar Heinsohn entstehen durch youth bulges die Voraussetzungen für Bürgerkrieg, Völkermord, Imperialismus und Terrorismus. Wenn große Teile der männlichen Jugend zwar ausreichend ernährt sind, aber keine Aussicht haben, eine angemessene Position in der Gesellschaft zu finden, stehe ihnen als einziger Weg die Gewalt offen: "Um Brot wird gebettelt. Getötet wird für Status und Macht." (Heinsohn, "Söhne und Weltmacht", S. 18) Politische Herrscher, so Heinsohn, bedienten sich dieser demografischen Charakteristik der Bevölkerung, wie z. B. der ägyptische Staatspräsident Nasser im Abnutzungskrieg. Anderseits wurde in Europa vom Ende des 15. Jahrhunderts an die Geburtenkontrolle unter Todesstrafe gestellt und damit - nach Heinsohn - ein Gewaltpotential geschaffen, das erst den Aufstieg Europas ermöglichte und in der Folge zur europäischen Eroberung weiter Teile der bekannten Welt führte. Über Jahrhunderte gab es in Europa Geburtenraten wie im heutigen Pakistan oder Afghanistan.
Die rund 2 Milliarden in islamischen und afrikanischen Staaten lebenden Menschen haben heute einen Anteil von 300 Millionen jungen Männern im Alter von 15 bis 30 Jahren. Diese erhalten aber aufgrund der dortigen Demografie sowie der vielfach desolaten und rückständigen wirtschaftlichen Strukturen keine Möglichkeit, einen für sie hinnehmbaren sozialen Status zu erlangen. Der Grund liegt teilweise in den traditionelleren Gesellschaftsformen zahlreicher Länder der Dritten Welt. Aufgrund der Primogenitur bestehen lediglich für die Erstgeborenen entsprechende gesellschaftliche Aufstiegschancen, die restlichen überschüssigen Nachkommen finden keinen adäquaten Platz in der Gesellschaft; wodurch bei diesen eine große Diskrepanz zwischen individuellem Anspruchsniveau und gesellschaftlicher Realität besteht. Das infolge der Bevölkerungsentwicklung hohe Angebot an unzufriedenen Jugendlichen in diesen Ländern der Dritten Welt, welche für die Ziele terroristischer Organisationen angeworben werden können, gilt so als partielle Ursache für den Terror - gerade gegen die zivilisatorisch fortgeschrittene Erste Welt, der gegenüber von Seiten dieser Jugendlichen - aufgrund des Bewusstseins der Rückständigkeit und Unterlegenheit - erhebliche Ressentiments bestehen.
Literatur
- Gary Fuller, The Demographic Backdrop to Ethnic Conflict: A Geographic Overview, in: Central Intelligence Agency, Hg., The Challenge of Ethnic Conflict to National and International Order in the 1990's, Washington: CIA (RTT 95-10039, Oktober), S.151-154
- Gunnar Heinsohn, Söhne und Weltmacht: Terror im Aufstieg und Fall der Nationen, Zürich 2003, ISBN 3-280-06008-7, verfügbar als vollständiger, kostenloser Download als kommentierbare PDF-Datei beim 4eBook-Verlag.de
- Christian G. Mesquida und Neil I. Wiener, Male age composition and severity of conflicts, in: Politics and the Life Sciences 18 (1999) 181-189, zugänglich unter [1]
- Gaston Bouthoul, Kindermord aus Staatsraison: Der Krieg als bevölkerungspolitischer Ausgleich. Stuttgart, 1972.
- Steffen Kröhnert: Warum entstehen Kriege? Welchen Einfluss die demographische und ökonomische Entwicklung auf die Entstehung bewaffneter Konflikte haben. 2006
- Uwe Wagschal, Thomas Metz und Nicolas Schwank, Ein „demographischer Frieden?“ Der Einfluss von Bevölkerungsfaktoren auf inner- und zwischenstaatliche Konflikte, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft 18(3) (2008) 353-383.
- Croissant, Aurel et al., Kulturelle Konflikte seit 1945 – Die kulturellen Dimensionen des globalen Konfliktgeschehens. Baden-Baden: Nomos. 2009.
Weblinks
- Fuller, Gary (2003): The Youth Factor: The New Demographics of the Middle East and the Implications for U.S. Policy (PDF-Datei; 648 kB)
- Fuller, Gary (2004): The Youth Crisis in Middle Eastern Society (PDF-Datei)
- Urdal, Henrik (2004): The Devil in the Demographics: The Effect of Youth Bulges on Domestic Armed Conflict,1950-2000 - Empirische Studie der Weltbank, die die Youth-Bulge-Theorie einem statistischen Test unterzieht (PDF-Datei; 634 kB)
- G. Heinsohn: Söhne und Weltmacht - E-Book (PDF-Datei; 14 kB)
- Machen junge Männer Krieg?, Reiner Klingholz in Die Zeit vom 26. Februar 2004, Nr.10
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