Zeugma (Stadt)

Zeugma (Stadt)
37.05861111111137.865833333333
Zeugma (Türkei)
Zeugma
Zeugma

Zeugma (griech.: Ζεύγμα [»Brückenstadt«]) ist eine ehemalige hellenistische Siedlung, die später an das Römische Reich fiel. Am anderen Ufer in der Flussebene lag Seleukia Apamea oder Seleukeia am Euphrat. Zeugma befindet sich in der heutigen Türkei beim Ort Belkis am Belkis Dağı nahe Birecik im Landkreis Nizip der Provinz Gaziantep. Wegen seiner Pontonbrücke war die Doppelstadt eine wichtige Etappe an der Seidenstraße.[1] Im Oktober 2000 wurde die antike Stadt durch ein türkisches Staudammprojekt im Rahmen des Südostanatolien-Projekts zum großen Teil überflutet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Wandgemälde und Bodenmosaik aus Zeugma

Zeugma wurde von Seleukos I. Nikator an der Stelle, wo er die erste Brücke über den Euphrat bauen ließ, im 3. Jahrhundert v. Chr. gegründet. Die Stadt entwickelte sich zu einem bedeutenden Handels- und Verwaltungszentrum. In ihrer Blütezeit lebten in der von einer römischen Legion beschützten Stadt rund 70.000 Menschen. 252 n. Chr. wurde sie von den Sassaniden zerstört, jedoch wieder aufgebaut. Später wurde die Stadt vermutlich durch ein Erdbeben verwüstet, ein Teil des Berghanges rutschte in der Stadtmitte auf das Wohnviertel und begrub dieses unter sich. Die darunterliegenden Häuser sind besonders gut erhalten. Eine mannshohe Abwasserleitung aus kalibrierten Steinquadern zum Fluss hin, die sich bei der Entdeckung noch im einwandfreien Zustand befand, sorgte für eine schnelle Entwässerung für den täglichen Bedarf und bei großen Regenfällen.[1]

Forschung

Mosaik eines Mädchens
Acheloos auf einem hellenistischen Mosaik in der Stadt Zeugma

Seit dem 19. Jahrhundert wurden bei Ausgrabungen in der Nähe Zeugmas Nekropolen und hellenistische Mosaikböden freigelegt, die heute u.a. in den Museen von Berlin und Sankt Petersburg zu sehen sind. Ab 1980 war bekannt, dass die GAP-Behörde bei Birecik einen Staudamm plante.[1] Als 1989 Dr. Guillermo Algaze von der University of Chicago eine Felduntersuchung in der Region machte, dabei von den Staudammplanungen erfuhr und diese publik machte, zeigte sich keine ausländische Institution oder Universität an Zeugma interessiert. Die Leiter des Museums in Gaziantep, Rifat Ergeç und sein Assistent Mehmet Önal, alarmierten nochmals 1994 die internationale Archäologenschaft und gaben zugleich den Beginn sporadischer Rettungsgrabungen bekannt, die auch etwas Unterstützung vom türkischen Kulturministerium erhielten. Wegen Geldmangels konnten die archäologischen Institute und das türkische Kulturministerium keine systematische Grabung finanzieren. 1995 sprang schließlich das französische Außenministerium ein und förderte die promovierte Archäologin Catherine Abadie-Reynal mit ihren Mitarbeitern bei den türkischen Rettungsgrabungen bis 1999.

Im Jahre 2000 wurden die Ruinen Zeugmas durch den Birecik-Staudamm überflutet. Am 7. Mai 2000, ein halbes Jahr vor der Überflutung, las der Sohn des Hewlett-Packard-Gründers, David Packard Jr., in der New York Times von Zeugma und beschloss spontan eine Notgrabung. Er beauftragte umgehend eine englische Firma, die Oxford Archaeological Unit (OAU) unter Leitung von Robert Earley, italienische Mosaikspezialisten und ein französisches Team mit der Rettung der kostbarsten Artefakte. Unter Hochdruck arbeiteten 60 Archäologen, 200 Arbeiter und drei neue Bagger dank seines Budgets von fünf Millionen Dollar. Allein bei der Notgrabung von Juni bis Oktober 2000 fanden sie 45 Mosaike, 22 davon fast unversehrt.[2]

Schon vor der planmäßigen Flutung, die noch von Staatspräsident Sezer um 10 Tage hinausgezögert wurde, nannte man das nun versunkene Zeugma auch das „zweite Pompeji“. Die Mosaiken sind jetzt im archäologischen Museum von Gaziantep ausgestellt.

Literatur

  • Jörg Wagner: Seleukia am Euphrat, Zeugma. Studien zur historischen Topographie und Geschichte. Reichert, Wiesbaden 1976, (Beihefte zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients Reihe B 10, ZDB-ID 185712-5), (Zugleich: Münster (Westf.), Univ., Diss., 1973).
  • David Kennedy: The twin towns of Zeugma on the Euphrates. Rescue work and historical studies. Journal of Roman Archaeology, Portsmouth RI 1998, ISBN 1-887829-27-X, (Journal of Roman Archaeology Supplementary Series 27).
  • Nezih Başgelen, Rifat Ergeç: Belkis - Zeugma, Halfeti, Rumkale - a last look at history. Archaeology and Art Publications, Istanbul 2000, ISBN 975-6899-70-0.
  • Robert Early: Zeugma. Interim reports. Rescue excavations (Packard Humanities Institute), inscription of Antiochus I, bronze statue of Mars, house and mosaic of the Synaristôsai, and recent work on the Roman army at Zeugma. Journal of Roman Archaeology, Portsmouth RI 2003, ISBN 1-887829-51-2, (Journal of Roman archaeology Supplementary series 51).
  • Catherine Abadie-Reynal: Séleucie-Zeugma et Apamée sur l’Euphrate. Étude d’un cas de villes jumelles dans l’Antiquité. In: Histoire urbaine 3, 2001, ZDB-ID 2021751-1, S. 7–24, doi:10.3917/rhu.003.0007

Filmographie

  • Zeugma, eine antike Stadt verschwindet. Dokumentation, Frankreich, 2000, 52 Min., Regie: Thierry Ragobert, Produktion: arte, Inhaltsangabe und Ausschnitt, 2:42 Min.
  • Zeugma. Dokumentation, USA, 2003, Regie: Micah Garen und Marie-Hélène Carleton, Produktion: Four Corners Media, Inhaltsangabe (archiviert)

Weblinks

Artikel

Bilder
  •  Commons: Zeugma – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Bilder von Zeugmas Mosaiken
  • Fotogalerie von 32 geretteten Mosaiken, Statuetten u. a.
  • Mosaiken im Archäologischen Museum von Gaziantep

Quellen

  1. a b c In: Zeugma, eine antike Stadt verschwindet. arte, 2000
  2. Helmut Stalder: „Zeugma ist im Wassergrab versunken“, Tages-Anzeiger, 14. November 2000

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Zeugma [2] — Zeugma, Stadt in Syrien, am Euphrat, erbaut von Seleukos Nikator, lag am westlichen Ende der Schiffsbrücke über den Euphrat u. war der gewöhnliche Ort, wo der Euphrat passirt wurde; gegenüber lag Apamea; jetzt angeblich Tscheschme …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Zeugma — Der Ausdruck Zeugma steht für: eine rhetorische Figur, siehe Zeugma (Sprache) eine römische Siedlung in der heutigen Türkei, siehe Zeugma (Stadt) ein Titularbistum Zeugma in Syria ein Titularbistum Zeugma in Mesopotamia …   Deutsch Wikipedia

  • Zeugma in Syria — (ital.: Zeugma di Siria) ist ein Titularbistum der römisch katholischen Kirche. Es geht zurück auf einen untergegangenen Bischofssitz in der antiken Stadt Zeugma, die in der römischen Provinz Syria Coele bzw. in der Spätantike Syria Euphratensis… …   Deutsch Wikipedia

  • Zeugma in Mesopotamia — (ital.: Zeugma di Mesopotamia) ist ein ehemaliges Titularbistum der römisch katholischen Kirche. Es geht zurück auf einen untergegangenen Bischofssitz in der gleichnamigen antiken Stadt, die in der römischen Provinz Mesopotamia lag. Der… …   Deutsch Wikipedia

  • Zeugma [2] — Zeugma, syr. Stadt, Apamea (Bir) gegenüber, mit einer Schiffbrücke über den Euphrat, der gewöhnlichste Uebergangsort über den Strom …   Herders Conversations-Lexikon

  • Zeugma (Sprache) — Ein Zeugma (griech.: ζεῦγμα, „Joch“, das Zusammengespannte, Plural „Zeugmata“) ist eine rhetorische Figur. Inhaltsverzeichnis 1 Zeugma in traditionellem Sinn 2 Zeugma in modernem Sinn 3 Zitate …   Deutsch Wikipedia

  • Zeugma — Zeug|ma 〈n.; s, s od. ma|ta〉 1. Redefigur, Verbindung zweier Sätze, in der ein Satzteil (meist das Prädikat) nur einmal gesetzt wird, z. B. „Der See kann sich, der Landvogt nicht erbarmen“ (Schiller, „Wilhelm Tell“) 2. Beziehung zweier Wörter auf …   Universal-Lexikon

  • Hagiupolis — Kyrrhos (Κύρρος), (auch Kiros, Kibros, Cyrus, Hagioupolis, Nebi Huri, heute Ḳūrus (حوروس)) war eine antike Stadt in Nordsyrien. Sie lag an einem Nebenfluss des Afrin, an der Straße von Antiochia nach Zeugma, 60 km nordwestlich von Aleppo und 14… …   Deutsch Wikipedia

  • Marcus Opellius Macrinus — Macrinus auf einem Aureus. Auf der Rückseite Macrinus und sein Sohn Diadumenianus mit der Gestalt der Liberalitas (Großzügigkeit). Marcus Opellius Macrinus (* 164 in Caesarea; † Juni/Juli 218) war römischer Kaiser vom 11. April 217 bis zum 8.… …   Deutsch Wikipedia

  • Güneydogu Anadolu Projesi — Karte der Türkei Das Südostanatolien Projekt (GAP, türk. Güneydoğu Anadolu Projesi (GAP)) ist das größte regionale Entwicklungsprojekt der Türkei. Es umfasst insgesamt 22 Staudämme, 19 Wasserkraftwerke und Bewässerungsanlagen entlang der beiden… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”