Zollparlament

Zollparlament

Das Zollparlament war in den 1860er Jahren Teil eines Reformversuchs des Deutschen Zollvereins. Es tagte zwischen 1868 und 1870.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zwischen dem Krieg von 1866 und der Reichsgründung von 1870/71 war der Umbau des Zollvereins zu einer auch politischen Institutionen eine Option, um die süddeutschen Staaten enger an den neuen preußisch dominierten norddeutschen Bund zu binden und so möglicherweise auf längere Sicht der Einheit näher zu kommen. Die Absicht war die Schaffung einer Art Zollbundesstaats. Im Zollbundesrat als Vertretung der Staaten sollte es nur noch für Preußen ein Vetorecht geben. Zusätzlich sollte als neue Institution ein Zollparlament geschaffen werden. Der Vorschlag von Otto von Bismarck sah vor, dass die süddeutschen Staaten 85 Abgeordnete nach dem freien, allgemeinen und gleichen Wahlrecht wählen sollten, die dann zu den 297 Abgeordneten des Reichstages des Norddeutschen Bundes hinzutreten sollten. Grundlage für die Zahl der Mandate waren die Bestimmungen der alten Frankfurter Bundesversammlung. Die süddeutschen Staaten standen dem Plan eher ablehnend gegenüber, mussten aber nach der Drohung Preußens, den Zollverein ganz zu kündigen, und einigen Zugeständnissen an Bayern nachgeben. Das Parlament sollte ein Gegengewicht zum Partikularismus der deutschen Staaten darstellen und die Wahlen zum Parlament sollten, so das Kalkül der preußischen Regierung, ein Druckmittel für einen Nationalstaat werden. Diese Ziele gingen in den Beschluss der Zollvereinskonferenz vom Juni 1867 ein und traten mit dem 1. Januar 1868 in Kraft.

Palais Hardenberg in Berlin (Sitz des preußischen Abgeordnetenhauses und des Zollparlaments)

Auf dieser Basis fand im Februar 1868 die Wahl für die 85 süddeutschen Abgeordneten des Zollparlaments statt. Die Wahlen brachten jedoch nicht, wie erhofft, den Sieg der national-liberalen Bewegung sondern von antipreußischen Partikularisten. In Bayern gehörten dazu 27 Mandatsträger, nur zwölf Abgeordnete waren für eine kleindeutsche Lösung unter preußischer Führung, hinzu kamen weitere neun mit einer etwas unklaren Position. In Württemberg fielen alle Sitze an die Partikularisten. In Baden standen sechs Partikularisten allerdings acht Kleindeutschen gegenüber, und in Hessen war unter den sechs Abgeordneten kein Partikularist.

Dennoch war das Kalkül Bismarcks, Druck auf die Regierungen auszuüben, damit gescheitert. Tatsächlich wurden die Gegenkräfte innerhalb des Parlaments gestärkt, weil sich die süddeutschen Partikularisten mit den norddeutschen Föderalisten (Welfenanhänger) und Katholiken zusammentaten. Zu einem führenden Sprecher dieser Gruppe wurde mit Ludwig Windthorst ein Katholik aus dem ehemaligen Königreich Hannover. Zusammen mit den Konservativen hatten die Föderalisten, Katholiken und Partikularisten im Zollparlament die Mehrheit. Damit war die Hoffnung gescheitert, über das Zollparlament einem Nationalstaat näher zu kommen. Gleichwohl war das Parlament in gewisser Weise bereits ein Vorgriff auf den Reichstag des Kaiserreichs. Es trat in drei Sitzungsperioden zwischen 1868 und 1870 zusammen und hat vor allem die wirtschaftliche Einheit weiter vorangetrieben. Sitzungsort war das Palais Hardenberg in der Leipziger Straße, das zu dieser Zeit auch Sitz des Abgeordnetenhauses des Preußischen Landtages war.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfram Siemann: Gesellschaft im Aufbruch. Deutschland 1848-1871. Frankfurt, 1990. S.289-291
  • Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866-1918. Bd.II: Machtstaat vor der Demokratie. München, 1998. ISBN 3-406-44038-X S.30f.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Zollparlament — Zollparlament, s. Zollverein, S. 987 …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Zollparlament — Zollparlament, s. Zollverein …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Liste der Mitglieder des Zollparlaments — Die Liste der Mitglieder des Zollparlaments enthält die Abgeordneten, die zwischen 1868 und 1870 dem Zollparlament angehörten. Das Zollparlament war das Parlament des Deutschen Zollvereins. Es wurde gebildet, indem zu den bereits im Jahre 1867… …   Deutsch Wikipedia

  • Zollparlamentswahl 1868 — Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und der Norddeutsche Bund 1868 Die Zollparlamentswahl 1868 fand in Bayern, Württemberg und Baden sowie im Südteil des Großherzogtums Hessen an verschiedenen Tagen im Februar und März des Jahres 1868 statt. Bei… …   Deutsch Wikipedia

  • Deutscher Zollverein — Der Deutsche Zollverein 1834–1919 blau = zum Zeitpunkt der Gründung grün = Erweiterungen bis 1866 gelb = Erweiterungen nach 1866 rot = Grenzen des Deutschen Bundes 1828 rosa = Relevante Veränderungen nach 1834 Der Deutsche Zollverein war ein… …   Deutsch Wikipedia

  • Reichstag (Norddeutscher Bund) — Der Reichstag war das Parlament des Norddeutschen Bundes, das nach dem Deutschen Krieg von 1866 gegründet wurde und bis zur Reichsgründung im Jahre 1871 Bestand hatte. Die Parlamentssitzungen wurden im Herrenhaus des Preußischen Landtages in der… …   Deutsch Wikipedia

  • Reichstagswahl August 1867 — Die Reichstagswahl im August 1867 war die Wahl zum ersten ordentlichen Reichstag des Norddeutschen Bundes. Die Hauptwahl fand am 31. August 1867 statt; in den Wochen danach folgten die erforderlichen Stichwahlen. Die Mitgliedstaaten des… …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Rudolf Friedenthal — (September 15, 1827 ndash; March 7, 1890) was a Prussian statesman.Friedenthal was born in Breslau (Wrocław), Prussian Silesia, as a nephew of Markus Bär Friedenthal, the author, and later became a convert to Christianity. He attended the… …   Wikipedia

  • Bayerische Patriotische Partei — Bayerische Patriotenpartei auch Bayerische Patriotische Partei genannt war eine 1869 gegründete katholisch orientierte politische Partei im Königreich Bayern. Sie ging 1887 in der bayerischen Zentrumspartei auf. Inhaltsverzeichnis 1 Gründung 2… …   Deutsch Wikipedia

  • Bismarck — Otto von Bismarck Otto Eduard Leopold von Bismarck Schönhausen (seit 1865 Graf, seit 1871 Fürst von Bismarck Schönhausen, seit 1890 Herzog zu Lauenburg) (* 1. April 1815 in Schönhausen; † 30. Juli 1898 in Friedrichsruh bei Hamburg …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”