Zugzwang

Zugzwang

Mit Zugzwang wird in Spielen eine Situation bezeichnet, in der allein aufgrund der Zugpflicht ein nachteiliger Zug ausgeführt werden muss. Diese Situation kann nur in Spielen eintreten, bei denen eine Zugpflicht besteht, also beispielsweise beim Schach, nicht aber beim Go. Zugzwang tritt relativ selten auf, da man in aller Regel mit einem eigenen Zug die eigene Stellung verbessern kann. Im Schach hat er jedoch eine sehr hohe Bedeutung, da viele Endspiele ohne Zugpflicht nicht zu gewinnen wären.

Inhaltsverzeichnis

Zum Begriff

Umgangssprachlich wird der Ausdruck Zugzwang oft in dem Sinne verwendet, dass jemand zu einer bestimmten Handlung oder zumindest zu einer Reaktion gezwungen wird, also eher im Sinne einer Drohung.

Als Urheber des Fachwortes wird Max Lange genannt. Die früheste bekannte Verwendung erfolgte 1858 in einem Artikel der Berliner Schachzeitung. Das Wort wurde als Germanismus in viele Sprachen, unter anderem ins Englische und Russische übernommen. Das Oxford English Dictionary führt eine Belegstelle aus dem von Emanuel Lasker herausgegebenen Lasker's Chess Magazine (Februar 1905, S. 166) an.

Ein Kriminalroman des nordirischen Autors Ronan Bennett, der vor dem Hintergrund des Schachturniers 1914 in Sankt Petersburg spielt, erschien 2006 unter dem Titel Zugzwang.

Bedeutung in der Schachkomposition

In der Schachkomposition wird Zugzwang als paradoxes Element häufig verwendet. So wurden die Endspiel-Datenbanken mittels spezieller Programme nach Stellungen gegenseitigen Zugzwangs systematisch durchsucht und diese Stellungen in der Zeitschrift EG publiziert.

Gegenseitiger Zugzwang

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8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
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Gegenseitiger Zugzwang


In der Diagrammstellung ist jeweils der am Zug befindliche Spieler im Zugzwang. Weiß hat einen Mehrbauern und möchte die Partie gewinnen.

  • Ist Weiß am Zug, kann sein König nach c6 ziehen, wonach der schwarze König patt gesetzt ist und die Partie remis endet. Auf alle anderen Königszüge schlägt der schwarze König den dann ungedeckten weißen Bauern auf c7, wonach die Partie ebenfalls remis ist. Weiß am Zug kann die Partie bei korrektem schwarzen Spiel nicht gewinnen.
  • Ist Schwarz am Zug, dann ist 1. ... Kc8-b7 (siehe auch Schachnotation) erzwungen. Darauf folgt 2. Kd6-d7 und im nächsten Zug erreicht der weiße Bauer die achte Reihe und verwandelt sich in eine Dame oder einen Turm. Damit gewinnt Weiß die Partie.

Eine solche Situation, in der beide Spieler im Zugzwang sind, wird im Schachjargon als gegenseitiger Zugzwang (mitunter auch reziproker oder mutualer Zugzwang) bezeichnet.


Das folgende Beispiel zeigt einen gegenseitigen Zugzwang, bei dem der am Zug befindliche Spieler verliert. Die „Zugpflicht“ kostet hier also einen ganzen Punkt.

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8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
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Gegenseitiger Zugzwang


In der Diagrammstellung sind erneut beide Spieler im Zugzwang.

Beide Könige haben jeweils den gegnerischen Bauern angegriffen und verteidigen zugleich den eigenen Bauern. Wer am Zug ist, muss den Schutz des eigenen Bauern aufgeben, verliert diesen und damit die Partie.

Dieses Motiv wird (vor allem im englischen Sprachraum) als Trébuchet bezeichnet.[1]

Der am Ende des Artikels angegebene Link zeigt u.a. die Anwendung des Trébuchet-Motivs in einem komplexen Bauernendspiel.


Zugwechselmanöver

Um den Gegner in Zugzwang zu bringen, werden besonders im Endspiel Zugwechselmanöver ausgeführt:

  • Der einfachste Fall ist ein Wartezug. Das ist ein Zug, der keine neuen Drohungen schafft, aber alle wesentlichen Möglichkeiten der eigenen Stellung aufrechterhält.
  • Gibt es keinen Wartezug, dann wird oft ein sogenanntes Dreiecksmanöver angewandt.
  • Allerdings gibt es auch andere Zugwechselmanöver. Die Aufgabe von Manfred Zucker, Der Tagesspiegel, 30. September 1990 zeigt, wie die Dame ein Trapez beschreibt, um ein Tempo abzugeben.

Herstellen einer Zugzwangstellung

Aljechin - Nimzowitsch
San Remo, 1930
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8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
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Stellung nach 31. ... g7-g6
Weiß am Zug gewinnt





Schwarz hatte bereits nach 30.h4 aufgegeben. Nach der möglichen Zugfolge 30.-h5 31.Kh2 g6 entsteht die Diagrammstellung. Zieht Weiß nun 32. g2-g3, befindet sich Schwarz im Zugzwang: Der Springer auf c6 ist gefesselt und die anderen Figuren sind an die Verteidigung dieses Springers gebunden, der König hat c7 zu verteidigen. Auf g6-g5 folgt einfach Sf3xg5. Sobald Schwarz dann eine Figur ziehen muss, bricht seine Stellung zusammen: Nach einem Zug des Springers e7 folgt Lxc6, andere Züge werden mit b5 nebst Figurengewinn beantwortet.

Weitere praktische Beispiele für einen Zugzwang sind die Unsterbliche Zugzwangpartie und die Partie Bogoljubow – Aljechin, Hastings 1922.


Probleme in der Schachprogrammierung

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8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
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Diagramm 1: Schweres Problem für einen Schachcomputer!
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8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
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Diagramm 2: Schwarz opfert den Turm um diese gewinnbringende Zugzwangstellung zu erlangen.

In der Schachprogrammierung stellen Zugzwangstellungen ein Problem für weit verbreitete Pruning-Algorithmen wie den Nullmove-Algorithmus dar, da dessen Prämisse in einer Zugzwangstellung nicht mehr erfüllt ist.

In der Diagrammstellung (1) ist es nicht unüblich, dass ein Computer nicht mehr als ein Unentschieden erkennt. Der Gewinnweg für Schwarz besteht in 1. ...Td6-d7+ 2. Kg7-g8 (bzw. f8, g6 oder h6 mit Zugumstellung) 2. ...Td7-d8+ 3. Kg8-g7. Daraufhin postiert Schwarz mit 3. ... Td8-h8 seinen Turm ungedeckt auf h8. Entscheidet sich Weiß dafür den Turm mit 4. Kg7xh8 zu schlagen, so kann Schwarz mit 4. ... Ke6-f7 den weißen König einsperren und so die Position in Diagramm (2) erreichen.

Weiß ist gezwungen mit dem Bauern auf b2 oder h2 zu ziehen, da sein König auf h8 nicht ziehen kann. Zieht Weiß mit dem h2-Bauern, so pendelt der schwarze König zwischen den Feldern f7 und f8, so dass der weiße König weiterhin eingesperrt bleibt. Sobald der h2-Bauer auf h6 angekommen ist, kann auch dieser nicht mehr ziehen. Weiß ist im Zugzwang und muss b2-b4 oder b2-b3 ziehen. Daraufhin schlägt Schwarz mit a4xb3 (evtl. en passant) den weißen b-Bauern und setzt weiß mit folgendem b3-b2-b1D (Umwandlung in Dame) und Db1-a1 Matt oder b3-b2-b1T (Umwandlung in Turm) und Tb1-b8 matt. Eine mögliche Variante ist: 5. h2-h3 Kf7-f8 6. h3-h4 Kf8-f7 7. h4-h5 Kf7-f8 8. h5-h6 Kf8-f7 9. b2-b4 a4xb3 e.p. 10. a3-a4 b3-b2 11. a4-a5 b2-b1D 12. a5-a6 Db1-a1++.

Falls Weiß nach 3. ... Td8-h8 den schwarzen Turm nicht schlägt, pendelt der schwarze König solange zwischen e7 und e8, bis Weiß wiederum die Bauernzüge ausgehen. Danach muss Weiß den Turm auf h8 schlagen, worauf der schwarze König nach f7 zieht (mit Übergang in die oben beschriebene Variante), oder Kg7-g6 ziehen, worauf Schwarz mit Ke7-f8 gewinnt.


Weitere Beispiele für Zugzwang

Literatur

Einzelnachweise

  1. Golombek: The Penguin Encyclopedia of chess, sowie diverse Webseiten (Suchabfrage: Trebuchet + chess)

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Zugzwang – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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